Das Leben, eine Fernsehserie

Brexit, Trump, Meghan und Harry: Warum wird man das Gefühl nicht los, dass das alles bloß ausgedacht ist?

Illustration: Dirk Schmidt

Wir haben uns daran gewöhnt, die Welt als nicht enden wollende Fernsehserie zu betrachten, und man hat nachgerade das Gefühl, als seien die Hauptrollen gegenwärtiger Politik nicht durch Wahlen, Putsche, Intrigen besetzt worden, sondern: Sie wurden geschaffen von sehr professionellen Drehbuchautoren. Putin, der abgefeimte Böse, Trump, der Idiot an der Macht, Johnson, der Spieler. All diese Leute sind anscheinend tatsächlich existent, gleichzeitig aber wirken sie ein wenig zu gut ausgedacht. Es haftet ihnen etwas Künstliches an.

Es gibt ja Verschwörungstheoretiker, die im Glauben leben, die Mondlandung 1969 habe nie stattgefunden, sondern sei in einem Studio gespielt und gedreht worden. Niemand, der bei Verstand ist, wird sich dem Quatsch hingeben. Aber gleichzeitig ist die Frage: Könnte es nicht sein, dass »Trump« nur ein Schauspieler ist, und the real Donald schlägt sich als, sagen wir, Alec Baldwin im amerikanischen Filmbusiness durch und spielt den »Trump« nur seinerseits in einer Satiresendung?

Der Grundgedanke bei Betrachtung des momentanen Weltzustands ist jedenfalls: Das kann doch nicht wahr sein.

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Die Geschichte des Brexits etwa wirkte eine Weile, als habe man sich im wirren Plot einer Abenteuerserie verirrt und finde einfach den Abschaltknopf nicht mehr. Es war zeitweilig wie ein unerträglicher Traum, der nicht zum Ende kommt, obwohl der Träumende sich seit Stunden schreiend im Bett wälzt – aber es gelingt ihm nicht aufzuwachen. Nun soll sich die Sache tatsächlich ereignen und damit ein Ende haben, der 31. Januar ist das Austrittsdatum, haben Sie auch davon gehört?! Gleichzeitig liest man, alles beginne erst richtig. Eine neue Staffel der Serie hebt an, man wird wieder Monat um Monat über das grundlegende Verhältnis zwischen EU und Großbritannien verhandeln – bitte, lassen Sie mich . . ! Können Sie nicht mal was bringen mit einem kleinen Jungen und seinem Langhaarcollie, der Ertrinkende rettet und so?

Übrigens hatte ich bei Harry und Meghan das Gefühl, ihnen gehe es exakt so: Man (also die beiden) findet sich selbst in einem Film vor, in dem man seine Rolle zu spielen hat – aber man will diese Rolle gar nicht spielen, wollte es nie. Bloß, immer wenn man zum Ausgang schleicht, steht da einer und sagt: Hiergeblieben! Dann kann man sich fügen, oder man kann die Flucht doch versuchen und schaffen, wie die beiden es geschafft haben – oder nur geschafft zu haben meinen und scheinen?

Denn, wenn es nicht gut läuft (und warum sollte es gut laufen?), waren die Drehbuchautoren nur wieder schneller und haben die Rolle umgeschrieben, irgendwas mit abtrünnigem Paar jetzt, und kaum versieht man sich’s, liegen die Paparazzi hinter den Büschen von Vancouver Island – und du findest dich im alten Film wieder. Dabei dachtest du, du schreibst das Buch jetzt selbst: Zwei junge Leute zerreißen die Fesseln und brechen auf ins eigene Leben. Tolle Geschichte. Aber besetzt bist du für: Die böse Meghan entführt den Prinzen aus dem Schloss und zerstört die Familie. Kein Entkommen, da kannst du machen, was du willst. Dein Leben wird von anderen erzählt.

Muss furchtbar sein.

Was die Politik angeht: Unsereiner kann dem nur entrinnen, wenn er begreift, dass auch ihm in alledem nur eine Rolle zugedacht ist, die des Konsumenten – und die muss man verlassen. Irgendein großer politischer Philosoph (war es nicht Karl Popper?) hat sinngemäß gesagt, das Unglück beginne, wenn Menschen in der Politik nach Gefühlen suchten, nach Hass, Glück, Stolz. Wer die Welt wie eine Serie konsumiert, befindet sich in dieser Falle, er wird nur Politiker finden, die solche Gefühle bedienen. Politik muss Kühle sein, Sachlichkeit, Inhalt, Vernunft. Dorthin gelangt man, wenn man die Serie abschaltet und die Tür zur Wirklichkeit öffnet.