Das Beste aus meinem Leben

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen heißt: »Vom Hundertsten ins Tausendste kommen.« Jeden Tag kommen wir bei uns daheim mindestens ein-, zweimal vom Hundertsten ins Tausendste, unter dem geht es nicht, es wäre sonst kein schöner Tag gewesen. Wobei eine Regel für dieses Spiel sehr wichtig ist: Man kann überall anfangen, bei jedem beliebigen Thema. Aber ankommen muss man immer in einem wenigstens kleinen Streit, jedenfalls wenn Paola und ich »Vom Hundertsten ins Tausendste« spielen. Noch schöner wäre natürlich eine richtig fulminante Ehekrise, aber das schafft man nicht immer, selbst als gut Trainierter nicht. Ich erzähle ein Beispiel.Kürzlich hatten Paola und ich gleichzeitig die Grippe, also einen grippalen Infekt, meine ich, man muss da heutzutage sauber unterscheiden. Unser Gespräch fing an, während wir beide müde auf dem Sofa lagen und uns ein bisschen Leid taten, jeder sich selbst vor allem. Und »das Hundertste«, der Start also, war eben diese Grippe.»Dass einen das so niederschmettern kann, so ein winziger Virus!«, sagte ich. »Es ist immer wieder erstaunlich.«»Was heißt winziger Virus?«, sagte Paola. »Ich fühle mich, als ob ganze wilde Heere durch meinen Körper zögen und dort schlimmste Verheerungen anrichteten.«»Es ist wie ein Hunnen-Überfall«, sagte ich. »Sinnlos, maßlos, zerstörerisch.«»Übrigens heißt es das Virus«, sagte Paola.»Aber nur in der Fachsprache«, sagte ich. »Laien dürfen auch der Virus sagen. Das hier ist ja nun alles andere als ein Fachgespräch.«»Das kann jeder sagen. Wo ist der Rechtschreib-Duden?«»In meinem Büro.«»Du sollst nicht immer alle Bücher in deinem Büro verstecken, hier werden sie auch gebraucht.«»Woher kamen die Hunnen eigentlich genau?«»Waren das nicht Mongolen?«»Ja, Mongolei, Mongolei… Ist das heute eigentlich ein eigener Staat?«»Die Mongolei ein eigener Staat? Soll das ein Witz sein? Davon müsste man doch mal gehört haben.«»Doch, ich bin sicher. Es gibt eine Innere und eine Äußere Mongolei und eins von beiden ist ein eigener Staat. Wenn man das jetzt nachgucken könnte…«»Du hast ja auch diese Lexika alle im Büro.«»Weil ich sie dort brauche. Neulich wurde von irgendeiner Zeitung mal günstig ein zwanzigbändiges Konversationslexikon angeboten. Ich wollte es kaufen und du hast mir das verboten, aber jetzt wäre es schön, wir hätten es.«»Das ist doch Quatsch, ich verbiete dir nichts.«»Jedenfalls wolltest du es nicht, aber Luis will ja jetzt auch immer mehr wissen und das könnte man immer gleich nachgucken.«»Kann man auch im Internet.«»Internet haben wir auch nicht in der Wohnung.«»So weit kommt’s noch!«»Hast du eigentlich jetzt die Bahnfahrkarten für nächstes Wochenende endlich bestellt?«»Hmmmm…«»Das gibt’s doch nicht, wie oft…?«Sehen Sie, so geht das. Nächte Woche: Wie komme ich von einem Jucken in meinem linken Ohr zum Willi-Forst-Film Bel Ami und weiter zur Frage, wer den Müll runterträgt? Oder etwas Ähnliches in der Art.