Das Beste aus meinem Leben

Leserpost (I): Nun ist der März zu Ende, und gerade noch fällt mir der Brief von Leserin M. aus North Vancouver (hey, NORTH VANCOUVER!!!) ein, die zum ganz und gar unerschöpflichen Thema der un-, miss- und falsch verstandenen Liedtexte die Anekdote von der neunjährigen Tochter einer Dame erwähnt, die in Deutschland Ende der siebziger Jahre ihre Nachbarin war.Diese Nachbarin kreischte eines Nachmittags in ihrer Wohnung derart laut, dass Frau M. hinüberrannte, um zu helfen – indes fand sie die Dame bloß in Lachtränen aufgelöst. Der Grund: Sie hatte die Hausaufgaben der Tochter kontrolliert und den sorgsam handgeschriebenen Liedtext entdeckt: »Im Märzen der Bauer die Rösslein entspannt…«Gibt es nicht in Japan diese Rinder, die jeden Tag Bier (sic! Märzen!) zu trinken bekommen und dann handmassiert werden? Daran erinnern diese wonnig märzentspannten Rosse irgendwie.Apropos wonnig. Frau A. aus München, Jahrgang 1927, erinnert sich in einem Brief an ihre Kinderzeit, in der ein Freund der Eltern sich seinerzeit seinerseits daran erinnerte, wie er als Kind den Kaiser mit dem Lied Heil dir im Siegerkranz preisen musste. Das ging so:»Heil dir im Siegerkranz,Herrscher des Vaterlands!Heil, Kaiser, dir!Fühl in des Thrones Glanzdie hohe Wonne ganz,Liebling des Volkes zu sein, Heil, Kaiser, dir!«Der erwähnte Freund verstand als Knabe:»Fühl in des Thrones Glanzdie hohe Wonnegans«.Und er stellte sich, schreibt Frau A., »den Kaiser so vor: Der saß auf einem goldenen Thron mit einer Krone auf dem Kopf und in einer Hand ein Zepter, so wie er es in seinen Bilderbüchern gesehen hatte, aber auf der einen Seite vom Thron stand eine große wunderschöne Gans mit goldenem Gefieder und der Kaiser streichelte und befühlte dieses wundervolle Gefieder.«Wenn wir gerade bei Gänsen sind: Frau T. (Jahrgang 1933) aus Springe wurde von einer Freundin (Jahrgang 1926) an das aus dem Ersten Weltkrieg stammende Soldatenlied von Walter Flex erinnert, in dem es hieß:»Wildgänse rauschen durch die Nacht,mit schrillem Schrei nach Norden;Unstete Fahrt, habt Acht, habt Acht,Die Welt ist voller Morden.«Viele Jahre lang sang die Freundin das Lied in der Fassung »Unstete Fahrt, halb acht, halb acht!« Und nahm mit nur leichter Verwunderung hin, dass die Gänse bei ihrer immerhin unsteten Fahrt doch stets pünktlich über des Dichters Kopf hinwegzogen.Aus ungefähr jenen Jahren berichtet Frau K. aus Alfter von ihrer verstorbenen Schwiegermutter, die bis ins hohe Alter in weh-mütiger Erinnerung an ihre jugendbewegte Jungmädchenzeit sang:»Es blühen im Walde Tiftrienen,die blaue Blume fein…«Eines Tages fragte sie ihre Schwiegertochter, ob sie wüsste, wie diese Blumen aussähen: Tiftrienen. Erst da klärte sich auf, dass sie ihr Leben lang von einer nicht existenten Blumenart gesungen hatte, denn in Wahrheit hieß der Text natürlich: »Es blüht im Walde tief drinnen…«Hören wir zum Schluss, was Herr B. aus Leipzig und sein älterer Bruder vernahmen, wenn sie als Kinder Tom und Jerry sahen und dabei das von Udo Jürgens gesungene Titellied hörten, das eigentlich so lautet: »Vielen Dank für die Blumen, vielen Dank, wie lieb von dir…« Die Gebrüder B. verstanden: »Vielen Dank für die Blumen, Willi, von dir…«Ich danke für Tiftrienen, Wonne- und Wildgänse, entspannte Rösser und viele Briefe. Bald mehr davon!