Das Beste aus meinem Leben

Seit Langem habe ich ein Konto bei der Postbank. Deshalb halte ich mich des Öfteren in Postbankfilialen auf.

Die Postbank ist immer für ein interessantes Erlebnis gut. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten. Neulich drückte man mir am Schalter ein weißes Schachterl in die Hand, auf dem stand: »Machen Sie jetzt den Postbank Altersvorsorge Check.« Ich drehte und wendete das Schachterl, fand schließlich eine Öffnung. Aus ihr rieselten kleine weiße Pillen. Altersvorsorgecheckpillen? Die, wenn man sie schluckt, den Körper von innen checkten? Ob alles in Ordnung sei… Die dann vielleicht entsprechende Nachrichten an die Postbank funken? Ich schluckte eine Pille. Pfefferminz. Vielleicht Tabletten, die einen willenlos machen, dachte ich. Und zwingen, Geld zur Postbank zu bringen. Seine Altersvorsorge bei ihr einzurichten.

Ich bleibe auch so der Postbank treu. Man muss oft warten, bis man bedient wird, aber dafür wird ein exzellentes Unterhaltungsprogramm geboten. Einmal beobachtete ich einen Mann, der eine Art Glückwunschpaketset gekauft hatte, bei dessen Öffnen Happy Birthday ertönte. Der Mann wollte sein Geschenk gleich hier verpacken und verschicken, aber es gelang ihm nicht. Sobald er die Pappe des Pakets auffaltete, um sein Geschenk hineinzulegen, wurde Happy Birthday gespielt, und zwar so laut, dass alle Kunden den Mann anschauten, er erschrocken die Pappe wieder zusammen- legte und sich aufs Paketset warf, um es zum Schweigen zu bringen. Immer wieder grübelte er, machte einen neuen Versuch, scheiterte, grübelte. Leider war ich irgendwann an der Reihe und musste gehen. Es hätte mich interessiert, was aus dem Mann geworden ist.

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Was rätselhaft an der Post ist: die vielen Schalter, vor denen aber nur eine Schlange steht, deren Angehörige sich wie Sand im Stundenglas rieselnd auf die Schalter verteilen. Ich war schon in Filialen mit acht, neun, zehn, ja zwanzig Schaltern, von denen aber immer nur zwei, drei besetzt waren. Ich frage mich: Wozu die anderen? Reserve für bessere Zeiten? Übrig geblieben aus Jahren, in denen es mehr Postpersonal gab? Schalter für die Vorweihnachtstage? Alarmschalter, falls die Bankenkrise kommt und alle Postbankkunden soforrrrtttt an ihr Geld wollen?

Meine alte Freundin M. ging mal an der Schlange vorbei und stellte sich vor einen Schalter, an dem »Nicht besetzt« stand. Und wartete. Sie dachte wirklich, »Nicht besetzt« bedeute, dass der Schalter nicht durch Wartende besetzt sei, das Schild also das Gleiche bedeute wie an einer Toilette.

Neulich musste ich wieder zur Postbank. Um Geld einzuzahlen. Der Mann am Schalter ließ das Geld durch einen Kontrollapparat laufen. Dann sagte er, einer der Scheine werde nicht akzeptiert, vielleicht sei er falsch. Der Mann verschwand kurz. Kaum war er wieder da, standen zwei Kriminalpolizisten neben mir. Sie sagten, es sei eine Straftat, Falschgeld in Verkehr zu bringen.
»Aber doch nur, wenn man es weiß!«, sagte ich. »So blöd werde ich sein, Geld zu drucken und aufs eigene Konto einzuzahlen!«
Da hätte ich auch wieder Recht, sagten die Polizisten. Aber sie müssten der Sache nachgehen. Ich sei ein Zeuge. Ob ich mich ausweisen könne.
Nicht hier, sagte ich. Der Ausweis sei im Hotel.
Da führen wir jetzt hin, sagten sie.
Sie brachten mich zum Auto, ich musste hinten sitzen, neben einem der Polizisten, angeschnallt. Seltsames Gefühl: so misstrauisch beäugt zu werden.
»Was sind Sie von Beruf?«, fragte der Beamte.
»Schriftsteller.«
»Was schreiben Sie? Fachliteratur.«
Ich war beleidigt. Bloß weil ich nicht so wilde Augenbrauen wie Walser habe und nicht über den elegischen Gesichtsausdruck Handkes verfüge, muss ich nicht gleich nach »Fachliteratur« aussehen… Was für Fachliteratur überhaupt?
Ich zeigte ihm eines meiner Bücher: Der weiße Neger Wumbaba.»Also doch Fachliteratur«, sagte er und zeigte auf den Untertitel: Kleines Handbuch des Verhörens.
Wir fuhren zur Wache und nahmen ein Protokoll auf. Sooft habe ich mich schon verhört. Nun wurde ich zum ersten Mal verhört. Hoch interessantes Erlebnis! Und alles nur, weil ich bei der Postbank gewesen war.

Illustration: Dirk Schmidt