Es ist neuerdings in Mode gekommen, sich zu seinen intimsten Wahrheiten zu bekennen, da möchte auch diese Kolumne nicht hintan stehen, immer im Trend, immer hart am Wind der Zeit, bitte, lesen Sie mein Bekenntnis.
Seit ich mein eigenes Geld verdiene, bringe ich meine Oberhemden zum Bügeln, ich selbst kann nicht bügeln, Paola hat keine Zeit zum Bügeln, also werden meine Oberhemden seit eh und je in Bügelstuben gewaschen und gebügelt, aus denen ich allwöchentlich ein kleines Paket mit Hemden hole, die um rechteckige Pappen herum akkurat gefaltet wurden, sauber gereinigt, penibel gebügelt, akkurat geglättet, ich liebe das. Seit einer ganzen Weile schon wird dieses Werk für mich in einem Geschäft namens »Olgas Bügelsalon« getan, von einem Mann, der aber gar nicht Olga heißt, sondern irgendwie anders, ich weiß nicht, wie. Er ist ein Mann, der zu jenen Helden des Alltags gehört, die in der Mitte unserer Städte kleine Geschäfte eröffnen und dort Kundendienst leisten, immer bedroht von Konkurrenz und Mieterhöhungen, von Schmerzen in den Gelenken und den steigenden Rohstoffpreisen. Der Mann, der nicht Olga heißt, ist einer von ihnen, und wenn ich von den Großen rede, die unser Wirtschaftsleben in Gang halten, meine ich nicht die Acker- und Obermanns, sondern Männer wie ihn.
Aus welchem Land er kommt, weiß ich nicht, doch liegt es sicher im südlichen Osten oder doch im östlichen Süden. Statt »gebügelt« sagt er »gebiegelt«, statt »zusammen gelegt« spricht er »zusahmen geleckt«. Niemand biegelte je meine Hemden wie er, niemand leckte sie besser zusahmen.
Und keiner kennt besser die Schwachstellen meines Körpers.
Eines Morgens erkundigte er sich bei mir nach Waschmittelallergien. Ich sagte, ich wüsste von keiner, und fragte: »Warum?«
Er wolle bei meinen Hemden ein neues Mittel ausprobieren, sagte er, nicht dass ich davon Ausschlag bekäme.
»Schwietzen Sie starrrk«, sagte er. Er zeigte auf seine Achseln, »chier!«, dann zeigte er auf seinen Gürtel, »und auch chier!« Er machte ein Gesicht, als sei mein Hemdenstoff bereits von üblen Verätzungen gezeichnet.
Ich nickte, betrachtete die Bonbonschale auf seinem Tresen und schwitzte ein wenig hinter meinem Hosengürtel ins frische Hemd hinein.
»Aber neies Mittäl macht wäck!«
Ich nickte wieder und ging.
Am Ende der Woche war ich verreist. Ich gab Paola den Hemdenabholzettel, sie ging an meiner Stelle zum Bügelsalon. Sie gab dem Mann, der nicht Olga heißt, den Zettel, aber er fand die Hemden nicht. Paola beschrieb mein Äußeres, sie beschrieb meine Hemden, sie beschrieb mein Auto, mit dem ich gelegentlich vor dem Geschäft parkte.
Endlich dämmerte es dem Bügelmann.
»Aaaaah«, sagte er. »Mann schwietzt starrrk?«
Paola zögerte…
»Schwietzt starrrk«, sagte er, zeigte auf seine Achseln, »chier«, zeigte auf seine Gürtelzone, »und chier«. Er hob zielsicher ein Hemdenpaket aus dem Regal und strahlte: »Aber ist saubär, alles saubär. Und scheen gebiegelt.«
»Danke«, sagte Paola, »vielen Dank«.
»Tschuldigung, dass ich nicht gleich chabe gewusst. Er ist schon ältärär Mann, Sie sind jüngärä Frau.«
Paola wollte einen Einwand machen, der mich betraf, aber er unterbrach und sagte: »Wuhste nicht, dass ältärär Mann so jungä Frau chat.«
Tja, so war das, so ist das. Dies war mein letztes Geheimnis, ich selbst habe es mir nun entrissen, wir leben in einer geheimnislosen Zeit, es musste doch heraus: Ich, ein älterer Herr, an dessen Arm sich eine jüngere, schöne Frau schmiegt, ein Mann mit makelloser Hemdenbrust, von absolut faltenfreiem Stoff bedeckt, ich bin in Wahrheit ein einziges Feuchtgebiet.
(Illustration: Dirk Schmidt)