Noch ein Eis für Klein-Donald

Beruhigen, ablenken, vertrösten: Die Methoden, mit denen man Kinder am Ausrasten hindert, bestimmen nun auch die Politik in den USA. 

Illustration: Dirk Schmidt

Beim Nachdenken über die Frage, was der Staat im Umgang mit den Bürgern falsch macht, richtet sich der Blick nach Halifax/Virginia. Dort stoppte Polizeichef Kevin Lands in Begleitung von Officer Brian Warner im Sommer wiederholt Autofahrer, um sie zu fragen, ob ihnen Paragraf 1.7.3.9 der Straßenverkehrsordnung ein Begriff sei.

Nein. Kannte keiner.

Nun, diese Bestimmung verbiete es, an einem heißen Tag ohne Eiscreme Auto zu fahren. Weshalb er, Polizeichef Lands, in Begleitung von Officer Warner hiermit allen Auto-Insassen ein Eis überreiche, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen.

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Gelächter. Gute Stimmung in Halifax/ Virginia.

Auch las ich, der amerikanische Präsident bekomme jeden Tag zwei Mal eine Mappe mit positiven Nachrichten über ihn selbst überreicht, bewundernde Tweets, Mitschriften von kriecherischen Fernsehinterviews, manchmal nur Bilder, auf denen er selbst mit entschlossenem Gesichtsausdruck zu sehen ist.

Kein Scherz. (Das mit dem Eis stimmt auch.) Man denkt erst mal, das wäre schön, dann und wann ein Polizei-Eis sowie morgens und zum Feierabend Anrufe vom Bürgermeister, der flötet, er habe gerade denken müssen, wie großartig man sei, ein Vorbild in Auftritt und Lebensführung, ein Mitglied der Stadtgemeinschaft aus dem Bilderbuch.

Schon bald aber wäre da der Gedanke: Haben die nichts Besseres zu tun? Sollten sie nicht Verbrecher fangen? Die Stadt regieren? Statt hier vorm Bürger zu katzbuckeln?

Ja, man fände es kindisch, aber das Interessante ist, dass dieses Kindische jedenfalls in Washington Alltag geworden ist. Der republikanische Senator Corker hat das Weiße Haus ein adult day care center genannt, eine Kindertagesstätte für Erwachsene. Dort ist nämlich eine Schar von Angestellten hoher und niederer Ränge Tag für Tag damit beschäftigt, einen älteren Herrn wenigstens vom gröbsten Unfug abzuhalten, den anzurichten seine Wähler und die Verfassung ihm gestatten würden – und zwar mit Strategien und Taktiken, die wir vom Umgang mit Kindern kennen: beruhigen, ablenken, vertrösten.

Wobei in jedem Kindergarten die Zahl der Kleinen größer ist als die der Betreuer. Hier aber ist nur ein einziger zu Betreuender von vielen umgeben, die ihn, wie ich vermute, drei Mal am Tag wenigstens von einem mittel-großen Atomschlag gegen den kleinen koreanischen Raketenmann abhalten müssen. In dieser Intensivkindertagesstätte haben stets mehrere Fachleute Horchdienst an den Türen zum Oval Office. Immer, wenn drinnen ein anhebendes Fluchen oder gar der Ruf Jetzt reicht’s! zu vernehmen ist, eilt ein Sachbearbeiter hinein, auf einer Schleimspur gleitend wie auf einer Eisbahn. Und ruft: Boss, Boss, schauen Sie, dieses Porträtbild von Ihnen im Honolulu Star-Advertiser! Oder: Chef, Sie haben seit ’ner Viertelstunde nichts getwittert, wollen wir’s nicht mal den knienden Football-Hurensöhnen ordentlich heimzahlen?! Oder: Mr. President, Ihre Lieblingssendung auf Fox News beginnt, nicht verpassen!

Lustig, was? Die Wahrheit ist: Unser Schicksal hängt an diesem Personal! Herzliche Grüße von hier aus an Euch alle, Ihr Tapferen!

Steve Bannon, der aus dem Weißen Haus verbannte schwarze Rächer, soll – entnahm ich der Vanity Fair – zu Trump mal gesagt haben, die größte Gefahr für ihn sei der 4. Absatz des 25. Zusatzes zur amerikanischen Verfassung.

»Was ist das?«, hat Trump gefragt. (Ich vermute zu seinen Gunsten, er hat den Zusatz gemeint, nicht die Verfassung.)

Nun, sein eigenes Kabinett könnte ihn für amtsunfähig erklären, habe, wie ich las, Bannon geantwortet.

Oder sagte er, dieser Text verbiete, einen Atomkrieg auszulösen, bevor man ein schönes Eis gegessen habe?