Bettina Wulff hat ein Problem. Sie ist jung. Sie hat ein Tattoo. Sie hat ein Kind aus einer früheren Beziehung und ein Kind mit ihrem jetzigen Mann. Sie arbeitet halbtags. Ihr Leben ist also relativ nah an der Lebenswirklichkeit vieler anderer deutscher Frauen mit Mitte 30 – und damit sagenhaft exotisch für Politkommentatoren, die ihren möglichen Einzug ins Schloss Bellevue mit leiser Gehässigkeit beobachten. Sie lächle etwas viel, findet die Frankfurter Rundschau, und sei, wie besorgniserregend, »sexy, intelligent und durchaus ehrgeizig. Was kommt da auf uns zu?«, fragt der Kölner Express allen Ernstes. Unsere Vorstellung von Politik und Politikern scheint tief in der Adenauerzeit stecken geblieben zu sein, als die Volksvertreter noch pulslose Götzen waren und ihre Kinder per Flugbesamung bekamen. Iiih, entfuhr es einem Freund beim Anblick des Fotos oben, mit dem leichten Ekel eines Kindes beim Gedanken, dass seine Eltern Sex haben. Es ist vermutlich dasselbe Iiih, mit dem die Bunte Schnüffler auf das Privatleben Berliner Politiker angesetzt hat – das menschliche Element gilt in der Politik als Skandal, nicht als Normalität.
Warum tun wir uns so schwer mit der lächerlichen Erkenntnis, dass Politiker Menschen sind? Ertragen wir die Vorstellung nicht, von Leuten regiert zu werden, die Schwächen haben, hin und wieder die Nerven verlieren und oft genug einfach nur ratlos sind? Die Weltfinanzkrise hat gezeigt, dass die da oben genau so wenig Ahnung haben wie wir hier unten und dass die angeblich Mächtigen so hilflos sind wie die Oma mit dem Lehman-Zertifikat. Wie unerträglich die Vorstellung von Schwäche zu sein scheint, war an den Reaktionen auf Horst Köhlers zweifellos unseligen Abgang abzulesen: »Fahnenflucht« wurde ihm hinterhergekeift, als ob wir immer noch im Zweiten Weltkrieg wären. Was ist das bloß für ein seltsames Bedürfnis, von Übermenschen regiert zu werden, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl?
Vielleicht liegt es an diesem Verharren in der Kinderhaltung, die nach Landesvater und -mutter schreit, dass die Deutschen den bestimmt wunderbaren Joachim Gauck mit großer Mehrheit als Präsidenten wollen. Gauck wäre fantastisch in der Rolle des benevolenten Großvaters, der einem den Sternenhimmel erklärt und bei aufgeschrammten Knien Heile, heile Gänschen singt. Und wir könnten uns wieder zurücklehnen im bequemen Glauben, dass die in Berlin es schon richten werden. Nein. Werden sie nicht. Kapiert es! Möglicherweise wäre Gauck der bessere Präsident. Aber vielleicht könnte ein Präsidentenpaar wie die Wulffs – zutiefst durchschnittlich, zutiefst banal – den Deutschen beim Erwachsenwerden helfen.
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