Von wegen Teenie-Phänomen: Die Twilight- Saga bringt auch Frauen zum Schmachten, die ihre Pubertät längst hinter sich haben sollten.
Seit zwei Wochen ist unter schockierend vielen Frauen wieder die kollektive Unzurechnungsfähigkeit ausgebrochen: Eine weitere Folge des Teenie-Wahns Twilight ist in den Kinos, und wie zuvor sind die Vorstellungen pickepackevoll mit 30- bis 40-Jährigen. Klar weiß man, wie peinlich das ist – und trotzdem ist anscheinend die Sehnsucht nach einem Neverneverland übermächtig, in dem jede bis in alle Ewigkeit 16, hübsch und unsterblich ist.
Woher kommt dieses weibliche Bedürfnis nach endloser Pubertät (meiner persönlichen Vorstellung von Hölle), ewiger Kindheit?
Denn verstörend ist ja nicht nur das grassierende Twilight-Phänomen oder die intellektuelle Heidihaftigkeit all der Castingshows mit all den dummen Mädels, die erbittert ums Krönchen kämpfen, sondern auch die Beobachtung, dass sich der weibliche Zeitgeschmack derzeit so auffällig kindlich gibt: Wenn man sich anschaut, was ausgewachsene Frauen zu Seufzern verleitet (klassische Blog-Kommentare: »Ooooh!« »Mmmmmmh!«, »Wie süß ist das denn bitte?«), findet man sich stets in einer Puppenstube wieder, einer heilen Kinderwelt der Fünfziger, wenn nicht gar Dreißiger. In einschlägigen Frauencafés und -zeitschriften wuchern Wandtafeln wie aus der Häschenschule, rot-weiß Gepunktetes oder rosa Kariertes, handgeschriebene Marmeladen-Etiketten, Kartoffeldruck-Stempel, bunte Cupcakes mit Spritzguss und Zuckerstreuseln – eine Kinderwelt, in der die Zeit stehen geblieben ist. Alles ist immer nur niedlich, niedlich, niedlich, alles ist hübsch. Nicht schön, nicht elegant, nicht einem erwachsenen, weltgewandten Geschmack entsprechend, sondern die unverhohlene Regression in einen Bambi-Bastel-Bullerbü-Kosmos, wo man quietschend Keksrezepte und »schöne Deko-Ideen« (mit vielen Herzchen und Vögelein) austauscht.
Nun hat es unter erwachsenen Frauen immer mal wieder Fluchtbewegungen in Niedlichkeitskulte gegeben, ob »Hello Kitty«-Welle, Meg Ryans zu lange Pulliärmel (die immerzu schrien: Ich bin zu klein für dieses Leben) oder der abgeknibbelte Ich-habe-mich-heimlich-an-Muttis-Schminktisch-bedient-Nagellack der Girlie-Bewegung, aber so sehr eingerichtet in der Püppi-Welt hat sich bislang noch keine Generation wie die derzeitige, die ihr Essen bevorzugt breiförmig (Karotten-Ingwer-Suppe) oder in Papierförmchen zu sich nimmt und auch sonst alles dafür tut, dass man sie nicht ernst nehmen muss.
Das Enervierende daran ist, dass jedes Unverständnis für diese Kuschelhölle so entsetzlich herzlos wirkt. Es ist, als würde man flauschige Welpen treten – Harmlosigkeit ist einfach unangreifbar. Gott, wir waren wirklich schon mal weiter.
Foto: dapd