Merkel und Sarkozy im Juli beim EU-Gipfel in Berlin
Nicolas Sarkozy, der französische Staatspräsident, zeigt zum Himmel, wenn er Angela Merkel trifft. Jedes Mal. Manchmal lächelt Sarkozy, als habe er eben gesagt: »Schaun Se mal, der ganze Himmel blau, und nur die eine Wolke da.« Es ist immer der einzige Moment bei Staatstreffen, in dem Merkel sehr entspannt wirkt.
Der Fingerzeig gen Himmel ist Sarkozys Spezialgeste. Zur Begrüßung gibt er Küsschen, anschließend dirigiert er seine Gäste in eine Fotoposition, die immer so vorbereitet zu sein scheint, dass niemand merkt, dass der Präsident nur 1,52 Meter misst. Laut offiziellen Angaben ist er 1,74 Meter groß, aber da ist der erhobene Zeigefinger schon mit eingerechnet.
Nach Erreichen der Fotoposition redet Sarkozy ein bisschen auf seinen Gast ein, dann hebt er den Finger. Mal schaut der Gast – derzeit ist das eigentlich immer Angela Merkel – erfreut nach oben und lacht. Mal schaut der Gast, also Merkel, Sarkozy in die Augen und hebt ebenfalls den Finger. Neben der Kernfrage, was diese Geste bedeutet, stellt sich die Nebenfrage, in welcher Sprache sich Sarkozy und Merkel unterhalten. Merkel spricht, soweit man das weiß, kein Französisch und Sarkozy kein Deutsch. Vermutlich unterhalten sie sich in der Hauptverkehrssprache der EU, also in schlechtem Englisch. Es ist ja schon immer ein netter Randaspekt an der EU, dass die Engländer, mit denen sich gerade mal wieder niemand verständigen kann, mit ihrer Sprache die Grundlage für die dolmetscherlose Kommunikation unter den meisten Staatschefs liefern.
Natürlich ist es auch möglich, dass Sarkozy auf Französisch vor sich hin plappert und Merkel ihm auf Deutsch antwortet. In Jim Jarmuschs Film Ghost Dog gibt es eine schöne Szene, in der sich der Protagonist mit seinem besten Kumpel unterhält, einem Eisverkäufer.
Der eine spricht nur Englisch, der andere nur Französisch, trotzdem verstehen sie einander bestens. Vorstellbar ist, dass die Kommunikation zwischen Merkel und Sarkozy, der unbestritten etwas Eisverkäuferhaftes hat, auf die gleiche Weise funktioniert. Dass sie dabei so gern zum Himmel zeigen, könnte darauf hinweisen, dass die deutsch-französische Freundschaft in diesen Tagen der Krise durch intensive Gespräche über das Wetter vertieft wird. Es könnte allerdings auch eine gemeinsame Geste der Demut sein, die man insbesondere Sarkozy auf den ersten Blick gar nicht zutraut: In der christlichen Bildsprache bedeutet das Zeigen zum Himmel den Verweis auf den Größeren in der Höhe, und damit irgendwie auch die EU.
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