Ich habe fünf Brüder und zwei Schwestern, wenn sie ihre Kinder und Enkel mitbringen, sind wir vierzig Leute. Kommt also einiges zusammen, wenn wir uns zum Grillen treffen - was im Sommer fast jeden Sonntag der Fall ist. Mein Vater hat damit angefangen, vor über dreißig Jahren, kurz nachdem wir aus dem Libanon nach Berlin kamen. Unser Stammplatz ist im Gör-litzer Park. Mein jüngster Bruder wohnt um die Ecke, er kommt meistens schon um neun Uhr morgens, um unseren Stammplatz zu reservieren. Zum Essen breiten wir ein paar Decken auf der Wiese aus, einige haben auch Stühle dabei. Eine Sitzordnung gibt es nicht. Die einzige Regel: Beim Essen müssen alle da sein. Danach kann jeder wieder machen, was er will. Meistens sitzen wir bis spät nach Sonnenuntergang zusammen.
Niemand von uns hat einen Garten. Und wer keinen Garten hat, muss in den Park. Mein Vater kannte jeden im Park, und bevor er Feuer machte, ist er immer von Familie zu Familie gegangen, um alle zu begrüßen. Leider ist er schon lange tot. Die Grilltradition haben mein älterer Bruder Said und ich weitergeführt. Jede Woche rufen wir unsere Geschwister an und sagen, wann und wo wir uns treffen. Eigentlich unnötig, weil Ort und Zeit ja immer gleich bleiben.
Wenn man schon so lange grillt, entwickelt sich eine Art Arbeitsteilung. Mein Schwager Mamdouh ist unser Grillmeister, ein echter Fleischexperte, er hat lange in einer Metzgerei in der Sonnenallee gearbeitet. Dieses Mal habe ich neun Kilogramm Huhn und Rind gekauft und nach unserem traditionellen Grillrezept gewürzt: die Hühnerspieße mit weißem Pfeffer, Muskatnuss, Ingwer, Salz, Zimt und Curry. Bei den Rinderspießen lassen wir Zimt und Curry weg. Außerdem gibt es Würstchen, Köfte mit Petersilie und Fladenbrot.
Besonders stolz bin ich auf unseren Tsatsiki. Schon um sieben Uhr bin ich mit meiner Frau aufgestanden, um ihn zuzubereiten. Beliebter als unser Tsatsiki ist nur das traditionelle libanesische Tabulé - die Schüssel ist immer als erste leer. Mit meinen Eltern haben wir zum Grillen nur Tee mit Zimt getrunken. Aber da machen die Kinder heute nicht mehr mit. Also gibt es auch Fanta und Cola. Nach dem Essen verteilt sich die Familie im Park, die Männer rauchen, die Frauen gehen zusammen spazieren. Die Kleinen laufen zum Spielplatz, die Älteren spielen Fußball. Und ich drehe meistens eine Runde und begrüße die anderen Familien. So wie mein Vater das früher gemacht hat.
Sonja Mueller