Schluss mit der TV-Nostalgie

Gerne verklärt man die Fernsehserien der Kindheit. So ging es auch unserer Autorin, bis sie jetzt nochmal »Lucky Luke« und »Familie Feuerstein« schaute – und jede Menge Rassismus und Sexismus entdeckte.

Revolver, Whiskey, Zigarette – Lucky Luke steht für ein heute eher altmodisches Bild von Männlichkeit.

Foto: OBS/dpa

Wer Kinder hat und mit ihnen ab und zu aktuelle Serien schaut, kennt vielleicht dieses nagende Gefühl der Nostalgie. Waren die Serien und Filme, die unsere Kindheit geprägt haben, auch so beknackt? Hat man uns auch so lieblos animiertes, witzloses Zeug vorgesetzt? Wohl kaum. Damals, als unser Medienkonsum noch auf wenige Fernsehprogramme beschränkt war, DVD, Blu-ray oder gar Streamingdienste noch nicht existierten, war alles besser. Die Geschichten interessanter, die Charaktere ungewöhnlicher, die Gags weniger flach, die Konflikte weniger brutal. Und bevor ich noch eine Folge Der kleine Drache Kokosnuss oder Paw Patrol oder Ninjago schauen muss, unternehme ich mit meinen Söhnen mal einen kleinen Medienexkurs in die Vergangenheit. Ich besorge Lucky Luke und die Familie Feuerstein, die Lieblingsserien meiner Kindheit. Für den gemeinsamen Filmeabend am Wochenende lege ich Zurück in die Zukunft fest, einen Meilenstein der Filmgeschichte. So etwas Tolles wird ja heutzutage gar nicht mehr produziert, dachte ich.

Die Wahrheit ist, dass ich mit einer großen Portion Verdrängung und Verklärung an die Filme und Serien meiner Kindheit gedacht habe. Schaut man sich den alten Kram nochmal mit dem Wissen und Bewusstsein von heute an, erkennt man schnell, dass die Welt von damals kein Stück besser war, im Gegenteil. Das zeigt sich auch in der Ästhetik und den sozialen Normen, die man mit Filmen und Serien transportiert hat: In Zurück in die Zukunft geht es unter anderem sehr ausführlich um die Frage, was ein »anständiges Mädchen« beim ersten Date alles nicht tun sollte und wie wichtig es ist, dass Mütter schlank sind.

Nach zwei Folgen Lucky Luke fragten meine Söhne sehr interessiert, was genau es bedeutet, »jemanden aufzuknüpfen«. Die Geschichte um den Lonesome Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, strotzt außerdem nur so vor rassistischen und sexistischen Klischees. Die Ureinwohner, mit denen es Lucky Luke zu tun hat, sind eine Mischung sämtlicher negativer Zuschreibungen: verschlagene »Rothäute«, die Stammestänze aufführen, komisch reden und seltsame Namen haben. Frauen nerven eigentlich nur rum, weil sie Lucky mit ihrem Wunsch nach fester Bindung aus seinem selbstbestimmten Leben reißen wollen.

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Ich muss einsehen, dass Nostalgie nicht unbedingt ein guter Ratgeber in Geschmacksfragen ist

Bei den Feuersteins sieht es nicht besser aus: Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer sind zwei etwas tumbe Männer, die trotz ihrer Mittelmäßigkeit Karriere in einem Steinbruch machen. Ihre beiden deutlich klügeren Frauen Betty und Wilma sind vor allem mit Schlanksein, Shoppen und Haushaltsführung beschäftigt. Gelegentlich taucht in der Serie ein Chinese auf – mit Schlitzaugen, übergroßen Vorderzähnen, gelbem Kegelhut und natürlich kann der nur »Fled Feuelstein« sagen, weil Chinesen ja angeblich kein R aussprechen können.

Heute verstört mich das, aber ich kann mich gut erinnern, wie lustig ich es als Kind fand, wie vollkommen normal es mir vorkam. Genau wie es mir gar nicht aufgefallen wäre, dass alle interessanten Figuren aus Entenhausen männlich sind, bis auf die böse Hexe Gundel Gaukelei und die beiden passiven Schmachtobjekte Daisy und Minnie-Maus. Dass bei den Schlümpfen Schlumpfine die einzige ohne echte Aufgabe ist. Oder dass bei Asterix und Obelix Gewalt das natürliche Mittel der Auseinandersetzung ist und der größte Idiot von allen am Ende gar kein Römer, sondern ein schwarzer Pirat sein soll, der nach allen Regeln kolonialistischer Zeichenkunst mit besonders dicker Lippe und besonders reduziertem Ausdrucksvermögen dargestellt wird.

Ja, natürlich gab es auch die anderen tollen Serien: Pan Tau, Die Fraggles, Es war einmal der Mensch zum Beispiel. Aber beim erneuten Anschauen sind die alle dann doch gar nicht mehr so lustig oder tiefgründig, wie man sie in Erinnerung hatte. Die Kinder jedenfalls schauen es eher mäßig amüsiert – ungefähr so, wie ich mir in ihrem Alter Die Feuerzangenbowle angesehen habe.

Ich muss einsehen, dass Nostalgie nicht unbedingt ein guter Ratgeber in Geschmacksfragen ist und es wäre wohl sinnvoll, wir würden mit unseren verklärten Erinnerungen nicht ständig unsere Kinder behelligen. Es war früher eben nicht alles besser. Beim großen StarWars-Revival mag das alles gerade noch funktioniert haben, aber jetzt hat Lego gerade eine Fred-Feuerstein-Sonderedition auf den Markt gebracht, dem Wunsch nostalgischer Erwachsener entsprechend. Ob die Geschichte um ein paar Steinzeitmenschen mit ihren steinzeitlichen Geschlechterklischees für heutige Kinder noch relevant oder auch nur amüsant ist? Hoffentlich nicht.

Was für ein Glück, dass in den Serien und Filmen, die Kinder heute gucken, Mädchen ganz selbstverständlich auch Abenteuer erleben, Mütter Berufe haben, Jungs Gefühle zeigen dürfen und Menschen nicht zu Witzfiguren gemacht werden, weil sie nicht weiß sind. Und wenn meine Kinder irgendwann groß sind und nostalgisch auf die Serienwelt ihrer Kindheit zurückblicken, werden sie sich hoffentlich darüber wundern, dass man damals pink für eine Mädchenfarbe gehalten hat, Jungs keine Kleider trugen und die Menschheit nur aus zwei Geschlechtern zu bestehen schien.