Als der Star Ashton Kutcher eine einzelne Patrone in das Magazin seiner Pistole schiebt, diese durchlädt und die nun scharfe Waffe auf seine Fans richtet, läuft alles nach Plan. »Keine Bewegung«, sagt Kutcher. Er trägt einen Jogging-Anzug. Das Haar des Hollywood-Schauspielers ist zerzaust. Ein Abend Mitte Mai, 2010.
»Wir spielen jetzt ein Spiel«, sagt Kutcher. »Wenn diese Knarre losgeht, verlierst du.« »Wenn diese Knarre nicht losgeht, hast du eine Chance.« Dann drückt er ab. »Sorry«, sagt er in den verhallenden Schuss hinein.
Schnell verbreitet sich das Video der gestellten Szene über das Internet, eine Werbung für zwei Produkte: Kutchers Film Killers – und seine Pistole. Die Waffe stammt aus Österreich. Eine Halbautomatik, Marke: Glock. Wer an diesem Wochenende ins Kino geht, kann sie in Aktion sehen: Im Film 3 Days to Kill erschießt Kevin Costner – als sterbenskranker Agent auf einem letzten Auftrag – seine Gegner mit genau dieser Pistole. Ihre Geschichte erzählt den Siegeszug der Schleichwerbung für Schusswaffen.
USA, Achtzigerjahre. Als eine neue Marke aus Europa auf dem Markt auftaucht, hat sie einen schweren Stand. Die Pistole sieht aus, als stamme sie von einem anderen Stern. Sie ist zum Teil aus Plastik gegossen. Waffenhändler glauben an einen Witz. Plastik? Wirklich, eine Tupperware-Knarre?
Das Aussehen der Pistole widerspricht allem, was in Amerika damals als Ausweis einer ordentlichen Waffe gilt: Kein poliertes Holz am Griff, sondern Noppen aus Polymer. Kein silbern glänzender Lauf, sondern schwarzer Stahl, der das Licht schluckt. Das Trumm sei »hässlicher als ein Sack Arschlöcher«, höhnt die Konkurrenz. Sie ist sicher, dass so ein Schießprügel auf dem amerikanischen Markt scheitern wird. Woher das Ding schon stammt – aus Öster-wie-noch-mal?
Die Glock Ges.m.b.H sitzt in einem Städtchen im Norden Wiens. Die Firma ist klein damals, ihre erste Pistole entwickelte der Gründer Gaston Glock 1981. In Amerika repräsentiert den Betrieb anfangs ein einzelner Mann, ein ausgewanderter Österreicher, Karl Walter. Er ist jahrelang in einem Wohnmobil voller Waffen durch die USA getourt, nur schweres Gerät, Kalaschnikow, Uzi, Steyr. Als fahrender Händler verkaufte er hauptsächlich an Polizeikräfte kleiner Städte und Kreise. Er macht die Erfahrung, dass viele Privatkunden schießen wollen, was die Polizei schießt – und nichts so wichtig ist wie die Präsenz einer Waffe.
Als Walter 1985 die Aufgabe übernimmt, diese als Lachnummer abgestempelte Plastikpistole zu vertreiben, setzt er auf zwei Strategien. Er wirbt aggressiv unter Polizisten um Kunden – und er bearbeitet ein kleines, aber entscheidendes Rädchen im Filmgeschäft: die »prop houses«, jene Filmausstatter, die Requisiten von der Standleuchte bis zum Sturmgewehr vermieten. Er kommt gerade recht.
Anfang der Achtzigerjahre fangen einige Ausstatter an, sich zu spezialisieren. Immer mehr Filme setzen immer schwerere Waffen ein, und die Gesetze der USA verlangen für Besitz und Transport vollautomatischer Schusswaffen in andere Bundesstaaten einen Verantwortlichen mit Lizenz, Platzpatronen hin oder her. Der Waffenmeister, im Kastenwesen des Kinos bislang ein Kuli der Requisite, bekommt einen eigenen Rang.
Spezialisierte Ausstatter bauen Arsenale auf, die sie vor allem mit Schusswaffen bestücken, die sie billig und ohne Bedingungen bekommen – im besten Fall kostenlos. Kaum eine Waffenfirma kümmert sich so sehr um diese Ausstatter wie Glock. Karl Walter hat einen Traum. Er will eine Glock in einem Kassenschlager sehen. Er will einen legendären Erfolg landen, wie ihn das Modell 29 von Smith & Wesson einst hatte, 1971.
Bis zu dem Augenblick, in dem Inspector Harold Callahan seine Waffe auf einen blutenden Bankräuber richtete, waren Revolver dieses Modells schlechte Ware gewesen. Die Waffe war sperrig, ihr Lauf 16,5 Zentimeter lang, so viel wie sonst ein ganzer Revolver. Sie war schwer und ihr Kaliber so groß, dass der Rückstoß viele Schüsse verriss. Die Waffe, ausgelegt für die Jagd auf Großwild, war ein Fiasko für die Firma. Kein Mensch kaufte so ein Monstrum.
Dann zielte Callahan mit diesem Revolver, und die Welt sah zu, aus Sicht des Räubers, den ganzen langen Lauf hinauf – während Clint Eastwood in seiner Rolle als Dirty Harry einen der wirkungsvollsten Sätze der Filmgeschichte sprach: »Das ist eine .44er Magnum, die stärkste Handfeuerwaffe der Welt. Bläst dir glatt den Kopf weg.« Kurz darauf war der Revolver in den Vereinigten Staaten so gut wie ausverkauft.
Allerdings hatte sich Clint Eastwood noch persönlich bei Smith & Wesson um die Waffe bemühen müssen: Die Firma wollte die Produktion des Modells einstellen, die Exemplare für den Film mussten aus Ersatzteilen gebaut werden. Auch Eastwoods Wunsch, eines mit einem extra verlängerten Lauf von 22 Zentimetern zu verwenden, verstand die Firma erst, als der Film im Kino war.
Solches Unverständnis gibt es von Seiten Glocks nicht. Seit 1985 hält Karl Walter engen Kontakt zu den Ausstattern, die für Hollywood Waffen heranschaffen. Er überredet sie persönlich zu Probeschüssen, bietet ihnen Glocks mit großen Nachlässen an, und wenn es schnell gehen muss, gewährt er ihnen Vorrang vor seinen anderen Kunden. Er, der ehemalige Waffenhändler aus dem Wohnmobil, spricht ihre Sprache. Es ist ein cleveres Vorgehen.
In jenen Jahren entwickelt sich ein altes Phänomen in Film und Fernsehen, die Schleichwerbung, zu einem professionellen Instrument des Marketing: Was bislang weitgehend wie ein Schattengeschäft gehandhabt wurde, unterliegt nun Verträgen – das Product Placement ist geboren. Die Unschärfe bleibt: Wann dient eine Marke als Kulisse des Films, wann ein Film als Schaufenster der Marke? Wann sind die reinen Kosten einer Ware, als Requisite zur Verfügung gestellt, schon Anreiz genug, ein bestimmtes Produkt zu verwenden? Wo hört ein Produktionszuschuss auf, ab wann ist ein Film gekauft?
Während viele Konzerne zahlen müssen, um ihre Produkte in Drehbüchern zu platzieren, haben Firmen wie Glock einen Vorteil. Im Gegensatz zu Shampoo haben Waffen in den Geschichten Hollywoods immer eine Rolle gespielt. Deswegen setzt Karl Walter auf seine Waffenmeister, die Schlüsselstelle der Requisite. Es ist eine Symbiose. Sie wollen billige Wummen. Er will ins Kino. Wie ein Sämann hat er Glocks unter die Waffenmeister gestreut. Jetzt wartet er.
1989 läuft der Name Glock erstmals über eine Kino-Leinwand
Im Januar 1987 schafft es das Produkt das erste Mal ins Fernsehen. Miami Vice, Staffel 3, Folge 14, ein komplettes Kommando von Exil-Kubanern ist mit den kantigen Pistolen bewaffnet. Eine Platzierung in Miami Vice ist nicht übel. Außer Sakkos in Pastell hat die Serie eine weitere Mode befeuert: Als sie 1984 anläuft, wünscht der Produzent für seinen Helden Sonny Crockett eine Pistole, die ebenso schmuck wie schwer ist. Die Wahl des Waffenmeisters fällt auf ein neues, teilweise verchromtes Modell, die Bren Ten. Der Preis der Pistole schießt in die Höhe. Ihr Hersteller war inzwischen pleitegegangen. Aber auch andere Knarren in Chrom verkaufen sich vorzüglich.
1989 läuft der Name Glock erstmals über eine Kino-Leinwand. Eine Danksagung, im Abspann des Films Johnny Handsome. In dem Thriller sucht Mickey Rourke für einen Rachefeldzug eine saubere Waffe, nicht registriert. Sein Schieber drückt ihm erst eine Beretta in die Hand, damals die neue Dienstpistole der US-Armee – und hält dann eine Glock in die Höhe: »Und hier haben wir die neue Nummer Eins. Halbautomatik. Aus Österreich. Bauen das Teil aus Plastik, damit’s nicht festfriert in den Bergen dort.« Rourke kauft. Glock hat die erste Sprechrolle bestanden. Nur der Film ist kein Erfolg. Was noch fehlt, ist ein Kracher.
1990 ist es so weit. Ein aufstrebender Waffenmeister, Michael Papac, erhält den Auftrag, die Fortsetzung des Kassenschlagers Stirb langsam auszustatten, in dem Bruce Willis einen Polizisten spielt, der es allein mit Terroristen aufnimmt. Gewünscht sind Sturmgewehre, ein Haufen Maschinenpistolen und der übliche Kleinkram. Welche Marken? Das Drehbuch lässt dem Waffenmeister weitgehend freie Hand, zweimal taucht eine Typenbezeichnung auf: MAC-10, eine militärische Maschinenpistole, schwer zu kriegen – und Glock. Die hat der Waffenmeister da. Ganz frisch, gerade reingekommen.
Im Film stürmt Bruce Willis nach einer ersten Schießerei auf einem Flughafen zum Sicherheitschef, um Alarm zu schlagen: »Der Punk hat eine Glock 7 gezogen! ’Ne Ahnung, was das ist? Eine Pistole aus Porzellan, hergestellt in Deutschland – taucht nicht auf Metall-Detektoren auf und kostet mehr, als Sie im Monat verdienen!« Wer diese Zeilen schrieb, verstand sein Werk. Alles, was Willis über die Waffe sagt, ist falsch – und doch eine perfekte Anspielung auf den Ruf, der Glocks damals vorauseilt.
Die Tupperware-Knarre hatte für Aufregung gesorgt, weil US-Behörden fürchteten, sie könne leichter in Flugzeuge geschmuggelt werden. Zeitungen warnten, Glocks seien »Hijacker Specials«, die Waffe der Wahl für Luftpiraten. Kaum einer kannte die Marke. Gesehen oder gar geschossen hatten sie die wenigsten Amerikaner. Die erste Lieferung für den US-Markt hatte nur 800 Stück umfasst. Auch als amtlich feststand, dass Metall-Detektoren auf Glocks anschlagen, wucherten Gerüchte über die geheimnisvolle Pistole weiter.
Diese Gerüchte werden von Bruce Willis 1990 geadelt. Es ist eine geniale Schleichwerbung: Es gibt keine Glock 7, die Pistolen sind weder aus Deutschland noch aus Porzellan und kosten damals kaum 600 Dollar – lauter Fehler, die nur den Menschen auffallen, die Glock als Kunden gewinnen will: Waffenliebhaber. Meist technikbesessene Männer, überschlagen sie sich, um Bruce Willis seine Fehler nachzuweisen. Seine Sätze sind bis heute ein Hit in der Waffenszene. Karl Walters Traum ist wahr geworden. Glock hat einen legendären Auftritt in einem Kassenschlager hingelegt. Walter freut sich nicht lange an dem Erfolg. 1992 feuert ihn die Firma nach einem Streit. Aber seine Saat geht auf.
Es geht Schlag auf Schlag. In Hollywood zwei Actionfilme, ein Thriller in Hongkong. Auf seiner Flucht als Dr. Kimble schießt sich Harrison Ford den Weg mit einer Glock frei. Stars wie Tommy Lee Jones, John Malkovich, Willem Dafoe werden von Waffenmeistern mit der Pistole ausstaffiert, nur bei Arnold Schwarzenegger ist es anders. Er verlangt von sich aus nach der neuen Attraktion aus seiner alten Heimat.
Glock hat das Glück, dass Anfang der 1990er-Jahre eine Kultur aufblüht, die aus eigenem Antrieb von der Pistole fasziniert ist – Hip-Hop. Für den Sprechgesang des Rap bietet die Waffe einen unschlagbaren Vorteil: Glock reimt sich gut. 1991 singt der kommende Superstar Tupac Shakur auf seinem Debutalbum: »I chose droppin’ the Cop, I got me a Glock / and a Glock for the niggas on my block.« Parallel zum Aufmarsch auf der Leinwand tauchen die Pistolen auch in der Hitparade auf. Als Tupac Shakur 1996 in Las Vegas erschossen wird, wirkt sein Tod wie ein Zitat seiner Lieder: Der Mörder schießt mit einer Glock.
Ende der Neunzigerjahre stecken die Waffen, die in Miami Vice und Stirb langsam noch schwarze Schemen in der Hand von Bösewichten waren, auch in den Holstern der Helden. In Fernsehserien wie Law & Order – Aus den Akten der Straße steht die Waffe auf der Seite des Gesetzes, ein Spiegelbild des Erfolgs, den die Firma mit der Strategie hatte, an erster Stelle Polizisten als Kunden zu gewinnen. Längst gehen viele Konkurrenten den Weg Glocks, ihre Waffen über die Schlüsselstelle der Requisite in Filmen unterzubringen. Filme wie Matrix werden Feste für Waffenhändler: Schießereien in Zeitlupe, Arsenale voller Feuerwaffen – alles Markenprodukte. Heute sind Waffen neben Autos die Ware, die am häufigsten als Requisite in Hollywood eingesetzt wird.
Glock ist dabei eine Macht. Im Jahr 2010 treten Pistolen der Firma in 22 Filmen auf, die es auf Spitzenplätze der amerikanischen Kinocharts schaffen – Inception, der vier Oscars gewinnt, Das A-Team, Kick Ass oder The Expendables. Zwei Filme ragen heraus: Cop Out mit Bruce Willis, der mit dem Slogan »Rock out with your Glock out« wirbt – und Killers mit Ashton Kutcher. Um den Film anzupreisen, ist der Star überall, auf Facebook, Youtube, Chatroulette, ein Gewinnspiel rund um eine schwarze Pistole, die er seine »handy dandy gun« nennt – bis er plötzlich eine einzelne Patrone in ihr Magazin schiebt und die Waffe durchlädt. Was kostet so was?
Auf Anfrage schreibt die Firma Glock, dass sie keinerlei Auskünfte erteilt. Sie kann sich Schweigen leisten. Glock hat es geschafft, eine Ikone zu werden, die sogar symbolisiert, ab welchem Punkt Waffen nicht mehr erlaubt sind. Auf den Schildern der US-Bundesbehörden, die in amerikanischen Flughäfen Feuerwaffen verbieten, prangt eine stilisierte Pistole. Es ist die Silhouette einer Glock.
Illustration: Gluekit