Es passiert drei-, viermal in der Woche, dass aus Harald Schmidt eine Frau spricht. Neulich ließ sie ihn zum Beispiel zur RAF-Debatte sagen: »Mohnhaupt, Klar – soll man sie freilassen? Wie wär’s mit einem Kompromiss: Man bemüht sich, sie freizulassen – beauftragt aber Außenminister Frank-Walter Steinmeier damit.«
Die Frau hinter Schmidt heißt Caroline Hafner, sie ist freie Gagschreiberin und arbeitet von ihrer Wohnung in Köln-Rodenkirchen aus. Um halb zwölf bekommt sie die Themen per E-Mail, mit denen der erste Teil der Sendung, der sogenannte Stand-up-Part, bestritten werden soll. Drei Stunden später schickt sie eine Seite Gags zurück. Meist erfährt sie erst aus dem Fernsehen, ob Harald Schmidt ihre Witze gefallen haben oder nicht. Oder vom Kontoauszug. Für jeden gesendeten Gag gibt es 105 Euro. Erst an dieser äußersten Peripherie trifft man bei Deutschlands immer noch bester Comedyshow eine Frau. Die Presse, die Produktion und den Internetauftritt, das erledigen auch in Schmidts Firma Bonito die Frauen. Doch die kreativen Mitarbeiter
sind allesamt männlich. Das ist nicht anders bei der Kabarettsendung Scheibenwischer, dem Streiflicht der Süddeutschen Zeitung und dem Satiremagazin Titanic. »Wir zerbrechen uns seit der Gründung der Titanic den Kopf, wie das kommt«, sagt Chefredakteur Thomas Gsella.
Eine Redakteurin hatte die Titanic mal: Simone Borowiak. Der Titanic-Kollege Robert Gernhardt nahm sie – übrigens als eine von nur fünf Frauen – in seine Anthologie des deutschen Humors auf und schrieb begeistert: »Sollte es ein schlecht unterrichteter Mann noch wagen, der deutschen Frau die Komikfähigkeit abzusprechen, so muss er mit der tödlichen Fangfrage rechnen: Habt ihr einen wie Borowiak aufzubieten?« Simone Borowiak lebt mittlerweile als Simon Borowiak in Hamburg, sie fühlte sich immer als Mann im falschen Körper. Und so verfängt sich Gernhardts »Fangfrage« im alten Vorurteil: Sind Frauen womöglich doch weniger komisch als Männer? Sind sie vielleicht nur im Privaten lustig oder nur, wenn sie unter sich sind? Oder etwa gar nicht? – Eine Suche nach dem weiblichen Humor.
München, Harras. Ingrid Steeger sitzt in einem Hotelfoyer. Vor ihrem Stuhl liegt eine grüne Decke ausgebreitet, darauf ihr schlafender Rauhaardackel und eine blaue Tupperdose mit Hundefutter. Sie wohnt in einem Siebzigerjahre-Mietshaus an einer Ausfallstraße gleich um die Ecke.
Ingrid Steeger war der Star von Klimbim, eine der ersten wirklich lustigen Frauen der Bundesrepublik. »Ich hab das nie so gesehen«, sagt sie. So wie manchmal eine Frau aus Harald Schmidt spricht, sprach bei Klimbim ein Mann aus Ingrid Steeger, immer: Michael Pfleghar, der Regisseur von Klimbim. Er war ihr Freund damals, aber das durfte keiner wissen. Pfleghar hat die Rolle der Marilyn Monroe für sie adaptiert: die der sexy, naiv-dusseligen Blondine. »Er wollte immer das Äußerste aus mir herausholen«, sagt sie. »Ich selbst hatte keinen komödiantischen Ehrgeiz. Ich bemühte mich, meine Parts gut zu bringen, um nicht geschimpft zu bekommen. Er war sehr streng. Ich habe viel geweint.«
Das Etikett der unfreiwillig Komischen, das Ingrid Steeger immer anhaftete, ist wörtlicher zu nehmen, als man dachte. Müssen Frauen, so wie Pfleghar es mit Ingrid Steeger praktizierte, zum Humor gezwungen werden?
Frauen lachen häufiger als Männer, das ist sogar statistisch erwiesen. Aber häufiges Lachen ist etwas anderes als guter Humor. Frauen lachen, wohingegen die Männer
die Witze reißen. Und wenn Frauen unter sich sind, wenn es keine Männer gibt, über deren Scherze sie lachen können, nennt man das oft albern: ein Gekicher ohne erkennbaren Anlass. Frauen, könnte man schlussfolgern, brauchen gar keinen Humor – sie lachen eh über alles.
Natürlich gibt es auch sehr lustige Frauen, wie es umgekehrt sterbenslangweilige Männer gibt. Es gibt auch zynische, derbe, vulgäre Frauen; jedes Rollenklischee ist in den letzten fünfzig Jahren gebrochen worden. Mit dem als typisch männlich geltenden Fäkalhumor hat die junge amerikanische Komikerin Sarah Silverman auf dem amerikanischen Fernsehsender Comedy Central sogar so großen Erfolg, dass sie »Female Borat« genannt wird. Nur scheinen lustige Frauen nicht häufig vorzukommen.
Der Kabarettist Dieter Hildebrandt erzählt, dass sie in der »Lach- und Schieß-
gesellschaft« den geplanten Frauenpart durch die ernste Rolle einer Chansonsängerin ersetzt haben, weil eine gute Komödiantin nicht zu finden war. »Offenbar drängt es Frauen nicht so, sich humoristisch zu präsentieren«, sagt er. Nun spricht Hildebrandt von den Sechzigerjahren. Damals stand noch ausdrücklich in den Benimmbüchern: »Die Dame hält sich bei Tisch mit der Darbietung von Scherzen zurück.«
Diese Bücher stehen längst in den Antiquariaten, doch noch heute macht man bei Tischgesellschaften immer wieder die Erfahrung: Wenn jemand dabei ist, der durchs Erzählen von Witzen und Anekdoten die Runde unterhält, dann ist das garantiert ein Mann.
Das könnte auch daran liegen, dass viele Witze frauenfeindlich sind. Ostfriesen erzählen wahrscheinlich auch keine Ostfriesenwitze. Die Zeitschrift Emma hat die Geschlechterverhältnisse umgekehrt: Über Jahre druckte sie in jeder Ausgabe einen männerfeindlichen Witz. Emanzipierter Humor liest sich dann so: »Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem.« Oder: »Was ist ein Mann im Knast? Artgerechte Haltung.« Die Witze sind gar nicht übel. Doch das Problem ist: Wenn Humor pädagogisch eingesetzt wird, ist er nicht mehr lustig.
Die einzige Frau, die in Deutschland in Sachen Humor so ernst genommen wird wie die Männer, ist Anke Engelke. Sie sitzt mit einem Pappbecher Cappuccino im ICE-Bordbistro kurz hinter Mannheim. »Dass Männer oft in der ersten Reihe stehen, wenn es lustig wird, liegt daran, dass sie schmerzfreier sind«, sagt sie. »Eine Männerhaltung ist: Wenn ein Schuss danebengeht, lade ich nach. Frauen warten ab, um sicherzugehen, dass der nächste Schuss auch wirklich trifft.« Humor hat mit Mut zu tun: Man muss sie notfalls aushalten, die Stille nach dem Witz.
An Anke Engelkes Karriere kann man die Möglichkeiten von Frauen im Humorgeschäft sehen – und die Grenzen: Zur Comedy sei sie »ein bisschen aus Quotengründen« gekommen, sagt sie. Denn nicht nur in der Titanic und der »Lach- und-Schießgesellschaft«, auch bei den in den Neunzigerjahren aufkommenden Comedy-Sendungen fehlten die Frauen. In der Wochenshow von Sat.1 sollte sie eigentlich nur ganz sachlich Nachrichten verlesen – und wurde umgeschult. »Es waren immer andere, die etwas in mir erkannt haben, was ich nicht erkannt habe. Da war nichts in mir, da musste nichts raus.«
Der Fahrkartenkontrolleur unterbricht sie. Sie hat ihre Karte am Platz vergessen. Der Kontrolleur sagt: Kein Problem, und geht weiter zum Nächsten. Anke Engelke schaut ihm nach und lächelt: »Mit meiner Fresse kann man viel Geld sparen. Un-
gerecht!« Engelkes Humor: beiläufig und verschwörerisch, ein bisschen derb und moralisch. Weiblich? Sie mag die Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerhumor nicht. Wohl weil man vor allem unberechenbar sein muss, um komisch zu sein. »Vielleicht«, sagt sie, »arbeitet Frauenhumor mehr mit so einer Vorsicht, die ich nicht unsympathisch finde. Bevor ich etwas kommentiere, schaue ich es mir erst mal genau an.«
Mit dieser präzisen Beobachtung entwickelte sie in der Wochenshow und später in den Sendungen Ladykracher, Ladyland und Blind Date ihre Parodien auf Frauen, die trotz Überzeichnung fast realistisch wirken. Bis ins höchste Amt, das die Republik für den Humor zu vergeben hat, ist sie aufgestiegen: zur Chefin einer Late-Night-Show. Eine Show, über die es im Englischen heißt: It’s all about a man and a desk. Ein Mann und sein Schreibtisch. Von Frauen ist nicht die Rede. Es ist eine mächtige Position: Ein Late-Night-Moderator witzelt über das Tagesgeschehen, und dabei wird darüber entschieden, was man ernst nehmen muss und was nicht. Anke Engelke ist daran gescheitert. Wird Frauen diese Position nicht zugestanden?
Nein, sagt sie, es sei nur nicht ihre Art. Sie will die Verantwortung nicht abschieben. »Möglicherweise«, fügt sie dann doch noch hinzu, »ist es für Männer ein bisschen einfacher, sich hinzustellen, Hände in den Hosentaschen, und zu sagen: Jetzt hört mal her!«
Humor scheint eine besonders schwer zu schleifende Bastion alter Geschlechterkonventionen zu sein.
Es gibt einen Grundkonflikt, der es Frauen im Humor so schwer macht, einen eigenen Stil zu finden: Von ihnen wird eine gewisse Gefälligkeit erwartet, doch das Gefällige verträgt sich nicht mit dem Lustigen. Lustig ist es, wenn das Gefällige durchbrochen wird. Die Regel des US-Komikers Jerry Seinfeld lautet: Man kann nicht braun gebrannt und komisch sein. Oscar Wilde sah es noch grundsätzlicher: Wit in a woman is the end of any romance – Frauen mit Humor sind das Ende aller Romantik. Umgekehrt lässt sich daraus eine beinahe darwinistische Gesetzmäßigkeit ableiten: Je weniger Humor eine Frau versprüht, desto leichter findet sie einen Mann – the Survival of the Unfunniest.
An der Stanford-Universität hat man gemacht, was man heutzutage immer tut, wenn letzte Wesensfragen des Menschen wie diese geklärt werden sollen: ins Gehirn geschaut. Dazu haben die Wissenschaftler Männer und Frauen in den Kernspintomografen geschoben. Zusammen mit Cartoons, die sie lesen mussten. Heraus kam, dass bei beiden Geschlechtern dieselben Teile des Gehirns durchblutet sind, wenn sie etwas komisch finden – bei Frauen sogar ein wenig stärker. Das heißt aber nicht, dass Frauen mehr Humor besitzen, sondern nur, dass sie auf diese speziellen Cartoons stärker reagierten. Sie könnten auch einen unkritischeren Humor haben. Die Methode hat noch eine weitere Schwäche: Sie kann nur erforschen, was Menschen mäßig komisch finden. Wenn jemand zu sehr lacht, verwackelt das Bild.
In Deutschland liegt das Zentrum für Humorforschung in Freiburg, am Ortsausgang Richtung Schwarzwald. Helga Kotthoff sitzt in ihrem kleinen, unaufgeräumten Professorenzimmer im Erdgeschoss der Pädagogischen Hochschule und sagt: »In Deutschlands wissenschaftlicher Welt wird Humorforschung nicht ernst genommen.« So ist die kleine Kassettensammlung hinter ihrem Schreibtisch das Einzige, was es an Forschungsmaterial zu den Humorunterschieden von Frauen und Männern hierzulande gibt. Ihre Studenten, Mitarbeiter und Bekannten zeichnen mit Tonbandgeräten Arbeitsbesprechungen und Abendeinladungen auf, die anschließend abgetippt werden.
Auch in Kotthoffs Humorarchiv sind Männer die Tonangebenden, und das hat ihrer Ansicht nach mit Übung zu tun. Von der Pubertät an würden Männer sich mit ihren Sprüchen messen. So trainieren sie sich einen scharfen, aggressiven Humor an. Frauen hingegen setzten oft selbstironische Scherze ein, um ein Gespräch mit anderen Frauen auf eine persönliche Ebene zu bringen – »nach dem Motto: Machen wir uns doch nicht vor, dass wir die Tollsten sind«, erklärt Helga Kotthoff. »Frauen zelebrieren miteinander die eigenen Schwächen.« Das schaffe Verbundenheit. Frauen haben demnach nicht weniger, sondern nur einen anderen Humor als Männer. Eine Komik aus einer Defensive heraus.
Frauenhumor – das sind die Bridget Jones-Bücher und -Filme und die Fernsehserie Sex and the City. Ihre deutschen Pendants stammen von Susanne Fröhlich, die das Selbsterfahrungsbuch Moppel-Ich geschrieben hat, und von Ildikó von Kürthy mit ihren Romanen Mondscheintarif, Herzsprung und Höhenrausch. »Mein Humor ist, wenn man das, was einen im Leben quält, ironisch betrachtet – von der Liebe bis zur Orangenhaut. Dann ist es besser zu ertragen«, erklärt Ildikó von Kürthy. Diese Art Witz spricht Frauen offensichtlich in ihrer Mehrzahl an. Die Bücher sind Bestseller. Frauenhumor als Verbindung von Amüsement und Lebensbewältigung.
Nur bleiben Frauen damit unter sich. Männer sehen sich Sex and the City höchstens an, wenn sie eine neue Freundin haben oder dringend eine suchen. Als kleinen Kurs im Frauenverstehen. Wenn sie aber wirklich lachen wollen, schauen sie Borat.
Die einzige Verbindung, die die deutsche Sprache zwischen Frauen und Humor vorsieht, ist der Mutterwitz. Helga Kotthoff hat bei ihren Studien festgestellt, wenn Frauen älter sind, kann es auch durchaus vorkommen, dass sie gemischte Tischrunden mit witzigen Anekdoten dominieren. Frauen müssen also offenbar einen hohen Preis zahlen, damit auch mal die Männer über sie lachen: Sie müssen ihre Attraktivität dagegen eintauschen. So gesehen ist das Verhältnis von Frauen und Humor letztlich ein ziemlich schlechter Witz.