Beim Gemüse begnügen wir uns mit wenigen, im ganzen Land einheitlichen Sorten, die vor allem haltbar und ertragreich sind. Dabei tragen gute, aber auch unterschiedliche Qualitäten unserer Zutaten genau so viel zu einem anregenden Essen bei wie die Rezepte.
Eine der Ursachen für die begrenzte genetische Vielfalt im Gemüseladen liegt im deutschen Sortenrecht: Gemüsesorten sind zulassungspflichtig. Voraussetzung für die Zulassung einer Gemüsesorte sind die Unterscheidbarkeit der neuen Sorte von anderen Gemüsesorten und Einheitlichkeit des Saatgutes in mehreren Anbauzyklen. Die alte, ostdeutsche Spinatsorte Quedlinburger Fortschritt etwa fiel durch dieses Raster, bei dem Aroma kein Kriterium bildet. Beständige Einheitlichkeit erreicht der Züchter durch Auslese oder Inzucht über viele Generationen. Aber: Sehr homogene Sorten reagieren nicht sehr flexibel auf Schädlinge oder sich ändernde Umweltbedingungen. Manche alte Sorten erweisen sich als nicht ertragreich genug für die Zulassung, schmecken aber gut. Saatgut ohne amtliche Zulassung darf zwar über den Gartenzaun getauscht werden, der Handel damit ist jedoch verboten.
Sortenschutz und Zulassungspflicht wurden zu Beginn des letzten Jahrhunderts geschaffen, um den Züchter vor Plagiat und den Bauern vor schlechtem Saatgut zu bewahren. In den dreißiger Jahren fielen dazu markige Worte: Zur Produktionssteigerung in der »Erzeugungsschlacht des Reichsnährstandes« und zum »Schutz des deutschen Bauern vor minderwertigem, verunreinigtem, erbkrankem Saatgut« wurden »Reichssortenlisten« erstellt, viele Gemüsesorten wurden vom Markt genommen. Nach dem Krieg hungerte die Bevölkerung, die alte Saatgutordnung wurde übernommen, um schnell hohe Erträge in der Landwirtschaft zu erzielen.
Demnächst sollen europäische »Erhaltungssortenlisten« erstellt werden, mit erleichterter (Neu-)Zulassung für alte Gemüsesorten. Viele dieser alten Sorten überleben zurzeit nur in Genbanken, zum Beispiel in Gatersleben bei Quedlinburg. Oder bei Arche Noah, einem Verein zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt, wo Sie auch Samen von der Spinatsorte Quedlinburger Fortschritt gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr bestellen können (www.arche-noah.at, 0043/ 2734/862619). Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wie er schmeckt, meine ersten Samen haben gerade erst gekeimt.
QUEDLINBURGER KNIESTE (GEBACKENE KARTOFFELHÄLFTEN)
Große, halbierte Pellkartoffeln werden mit Mett bestrichen, mit Zwiebelringen und Kümmel gewürzt und roh oder überbacken serviert. Zur Feier unseres Spinats hier eine vegetarische Variante für 4 Personen: 4–8 Kartoffeln garen. 500 g Fortschritt waschen, dicke Stiele entfernen. 1 Schalotte und 1 Knoblauchzehe schälen, fein schneiden, mit Spinat und 2 EL Butter 5 Minuten zugedeckt dünsten. 1 Bund Dill waschen und schneiden, mit 3–4 EL Schmand unter den Spinat rühren, abschmecken. Kartoffeln halbieren, den Spinat darauf verteilen.