Vor genau einem Jahr ist Steve Jobs gestorben. Die Bedeutung des Apple-Gründers für die Geschichte des Designs und der Unternehmenskultur wird in diesen Tagen noch einmal umfassend gewürdigt. Was in all den Elogen jedoch selten zur Sprache kommt, ist eine Erfindung Jobs’, die für die öffentliche Wahrnehmung von Gebrauchsgegenständen eine entscheidende Rolle gespielt hat: das Ritual der Produktpräsentation. Diese Zeremonie verdankt sich auch in höherem Maße seinen individuellen Fähigkeiten, als es etwa bei der Gestaltung oder der technischen Finesse der Geräte der Fall gewesen ist.
Welches Gewicht einer Apple-Produkteinführung inzwischen zukommt, hat man das letzte Mal vor dreieinhalb Wochen bestaunen können. Am 12. September, nach einer langen Phase der Gerüchte, stellte das Unternehmen das iPhone5 vor. Die Nachrichtenportale weltweit reagierten auf dieses Ereignis mit höchster Nervosität; auch in Deutschland begleiteten »Liveticker« und »Minutenprotokolle« die Reden des neuen Apple-Chefs Tim Cook und seines Marketingleiters Phil Schiller. Bis in die 1980er-Jahre hinein war die Einführung eines Industrieprodukts ein randständiger Moment auf Spezialveranstaltungen. Steve Jobs hat ihn zu einem Event von globalem Interesse gemacht, und wie lang der Schatten des Vorgängers noch ist, merkte man Cook und Schiller bei ihren Auftritten im Yerba Buena Center in San Francisco an: Der Sprachduktus, die Bewegungen, der ganze rhetorische Aufbau ihrer Präsentationen erschien als ein so getreues wie ungelenkes Imitat von Steve Jobs.
Die rituelle Einführung neuer Geräte hat in der Geschichte des Apple-Konzerns von Beginn an eine bedeutende Rolle gespielt. Wie weit zurück die Konstante dieser Aufmerksamkeit reicht, wird in der großen Steve-Jobs-Biografie von Walter Isaacson deutlich. An mindestens zwei Dutzend Stellen im Buch kommt der Autor auf Jobs’ Inszenierungswillen zu sprechen, und das nicht nur bei den legendären Großeinführungen, vom Macintosh bis zum iPad, sondern sogar in internem Rahmen: Wenn sich Anfang der Achtziger etwa ein Programmierer bei Apple vorstellte, wurde er in ein Büro gebeten, »in dem ein Prototyp des Mac stand, unter einem Tuch verhüllt, das Jobs dann dramatisch herunterriss«.
Walter Isaacson bezeichnet Jobs’ Augenmerk auf die Präsentation neuer Produkte als »obsessiv«. Dass sich diese Besessenheit gelohnt hat, steht außer Frage: Denn die bedeutendsten, universal wahrgenommenen Kulturereignisse des 21. Jahrhunderts sind bislang keine Pop-Konzerte, keine Kinofilme, keine TV-Serien gewesen, sondern die Vorstellungen von iPod, iPhone und iPad in den Jahren 2001, 2007 und 2010. Nicht allein die technischen Geräte werden inzwischen von Hunderten Millionen Menschen genutzt – auch die Menge derer, die sich die öffentliche Einführung irgendwann im Netz angesehen haben, dürfte ähnlich groß sein. Die Youtube-Bilder von den Auftritten sind längst zu Ikonen der Gegenwart geworden: Steve Jobs in seinem immer gleichen Aufzug, die suggestive Stimme, die mehr und mehr über das noch unbekannte Gerät verrät; schließlich die Erwähnung des Produktnamens, das berühmte »We call it …« und kurz darauf der eigentliche Moment der Enthüllung.
In den vergangenen Monaten ist die öffentliche Wahrnehmung des Apple-Konzerns auch von ganz anderen Fragen bestimmt gewesen. Die verheerenden Arbeitsbedingungen beim taiwanesischen Zulieferer Foxconn stehen zur Debatte; gerade jetzt, zur Einführung des iPhone5, wurde wieder über Meutereien unter den Angestellten in Nordchina und stockende Produktionen berichtet. Diese Krise ist für das Unternehmen doppelt problematisch: zum einen natürlich in ethischer Hinsicht, zum anderen (und für die Apple-Verantwortlichen sicher fataler) aus symbolischen Gründen. Denn in dem Maße, in dem sich der Fokus der Öffentlichkeit auf die Zusammensetzung der Produkte legt, auf einen Zeitraum also, in dem es noch um Siliziumleiter und Verschweißungstechniken geht und nicht um vollendetes Design, steht der glorifizierte Status der Marke im Ganzen infrage. Denn Apple-Geräte dürfen keine Entstehungsgeschichte haben.
Zu einem beträchtlichen Teil gründet sich dieser Status auf die Produkteinführungen. Jobs hat seine Auftritte zusammen mit Theaterregisseuren und Grafikern akribisch vorbereitet; die erzählerische Dramaturgie, die Folien, das Bühnenbild, die Beleuchtung wurden über Wochen und manchmal sogar Monate hinweg geprobt. In den letzten Jahren sind die Apple-Präsentationen deshalb zur sorgsam kopierten Blaupause für alle großen Technik- und Internetkonzerne geworden. Man muss sich im Netz nur einmal Mark Zuckerbergs Einführung des neuen Facebook-Formats »Timeline« vom September 2011 ansehen.
Die Geschichte der Produktpräsentation
Doch wo liegen die rhetorischen und ästhetischen Vorbilder der Produktvorstellung? Welchen Traditionen ist Steve Jobs gefolgt, wenn er den Macintosh, den iMac, das iBook oder das iPhone in einem unbeleuchteten Teil der Bühne verborgen hielt, umhüllt von einem dunklen Tuch, und sie erst gegen Ende der Veranstaltung unter minutenlangem Applaus entschleierte? Technische Geräte sind nicht die ersten Exponate, die in einem feierlichen Akt dem Publikum vorgestellt werden. Die Geschichte der Entschleierung von Gegenständen ist noch ungeschrieben, aber vermutlich lässt sie sich in drei aufeinanderfolgende Bereiche gliedern: den theologischen, den künstlerischen und den geschäftlichen. Sie führt von den heiligen Dingen über die Gemälde und Denkmäler zu den Waren.
Gerade für ein Designverständnis, wie es Apple verkörpert, ist die möglichst rituelle Einführung eines Produkts unerlässlich. Denn die Zuspitzung des Neuen auf den einen Moment, ohne vorangegangene Andeutungen, beschwört genau jene Geschichtslosigkeit, die die fugenlose Glätte der Gehäuse und Oberflächen auf der Ebene der Gestaltung herstellen soll. Die Apple-Geräte, so die Botschaft, sind nicht das Resultat langwieriger, komplizierter Herstellungsprozesse und Betriebssysteme, sondern sie sind plötzlich da – in einem Stück, in einem Augenblick, wie Erzeugnisse der Natur und nicht der Technik. Je dramatischer man diesen Geburtsmoment inszeniert, desto konsequenter können alle Vorarbeiten ausgeblendet werden, jene Irrwege, Stagnationen und Differenzen, die es bei einer Entwicklung dieser Größenordnung immer geben muss.
Tim Cooks Auftritte bislang legen nahe, dass er sich so nahe wie möglich an die bewährte Performance seines Vorgängers halten will. Jobs selbst hat spätestens mit der Einführung des iBooks im Jahr 1999 einen bleibenden Vortragsstil gefunden. Die Präsentation folgt einer präzise gestaffelten Rhetorik der Einkreisung. Jobs beginnt mit einer grundsätzlichen Marktanalyse, denkt darüber nach, was den Apple-Kunden bis heute gefehlt hat (ein preiswertes Notebook), bringt einige Schmähungen der Konkurrenz unter und verrät schließlich den Namen des neuen Geräts. Dann wird auf der Leinwand hinter ihm ein Detail nach dem anderen vorgestellt, bevor Jobs auf einen Tisch in einem bislang unbeleuchteten Teil der Bühne zugeht und die
feierliche Enthüllung vornimmt. Er zieht ein schwarzes Tuch hinweg und hebt den darunterliegenden Computer unter frenetischem, minutenlang anhaltendem Jubel hoch.
Mit der Präsentation des iPods im Oktober 2001 erreicht dieses Spiel der Annäherung seinen virtuosen Höhepunkt. Die Preisgabe der spektakulären Maße des neuen Geräts wird wieder und wieder hinausgezögert. Zunächst erscheint ein Kartenspiel auf der Leinwand; das Apple-Produkt, so Jobs, sei nicht größer. Dann wird zum ersten Mal der Apparat selbst eingeblendet, zuerst von der Seite, dann von hinten, dann von der anderen schmalen Seite, und schließlich sagt Jobs: »Und so sieht er von vorn aus – Boom! Das ist der iPod!« Er zieht ein Exemplar aus seiner vorderen Jeanstasche: »Zufällig habe ich gerade einen hier!« Natürlich hatte das Gerät zuvor niemand im Saal bemerkt, was einen überzeugenden Beweis seiner Handlichkeit abgibt. In der Berichterstattung über Apple gibt es seit Langem den Reflex, auf die sakralen Anklänge in der Inszenierung der Marke zu verweisen, wobei die behaupteten religiösen Bezüge so gut wie nie konkret benannt werden. Im Ablauf der Produktvorstellung allerdings sind die biblischen und liturgischen Vorbilder tatsächlich identifizierbar. Denn der Moment der Offenbarung, auf den die Präsentationen zusteuern, lässt sich ohne Zweifel auf die Erscheinungsform des Göttlichen in den biblischen Schriften beziehen.
Unter den Anordnungen, die Moses im Buch »Exodus« am Berg Sinai empfängt, ist auch der Befehl, ein Zeltheiligtum für die Lade mit der Bundesurkunde zu errichten. Ein Tuch soll den Innenraum in zwei Hälften teilen, um einen abgetrennten Bereich für die Bundeslade zu schaffen: »Der Vorhang«, so heißt es, »trenne euch das Heiligste vom Allerheiligsten!« In den Schriften des Alten Testaments bleibt die Figur des Gottes kategorisch verhüllt und undarstellbar, präsent nur als Ahnung hinter dem Vorhang (worauf auch das Bildverbot der jüdischen Religion beruht). Erst im Neuen Testament, durch Jesu Opfertod, wird der Blick dahinter möglich. In dem Augenblick, in dem er am Kreuz stirbt, so schreiben die Evangelisten, »riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei«. Die reale Anwesenheit des Gottes, hinter dem Schleier, wird für einen Moment offenbar.
Bis heute beziehen sich die liturgischen Rituale des Judentums und Christentums auf diese Bibelstellen: zum einen in der Aufbewahrung der Thora in einem verhüllten Schrein der Synagoge und der Eucharistie im Tabernakel der Kirche, zwei Orten, die Moses’ Zeltheiligtum heraufbeschwören; im Christentum zudem durch die Verschleierung der Bilder und Kreuze im Altarraum in den Wochen vor Ostern. Die feierliche Entfernung der Tücher findet in der Karfreitagsmesse statt, genau in dem Moment, wenn die Gläubigen Jesu Tod und das Zerreißen des Vorhangs besingen.
Im Modus von Verhüllen und Enthüllen wird der Erscheinung des Göttlichen eine besonders wirkungsvolle Aura zuteil; das »Allerheiligste« bezieht seine sakrale Macht gerade aus den zuvor errichteten Schleiern. Und genau diese Dynamik macht sich das Ritual der Produktpräsentation zunutze: In einem feierlichen Akt tritt das technische Gerät zum ersten Mal an die Öffentlichkeit – wobei es der Überzeugungskraft des Produkts zugutekommt, dass es nur aus einer Außenseite, nur aus Gehäusen und Displays zu bestehen scheint. Der Apple-Konzern ist berühmt dafür, den Blick ins Innenleben seiner Erzeugnisse mit aller Macht zu verhindern. Als sich im letzten Jahr etwa herausstellte, dass Reparaturbetriebe das iPhone öffneten, ersetzte das Unternehmen die winzigen Schrauben durch eigens produzierte Verschlüsse, für die es im Handel kein Werkzeug gibt. Auch diese Maxime soll die vermeintliche Geschichtslosigkeit der Produkte stärken; die Computer, MP3-Player und Handys funktionieren in der Wahrnehmung des Benutzers allein kraft ihres vollendeten Designs.
Ein zweites Kapitel in der Geschichte der enthüllten Dinge gehört den Exponaten der Kunst. Christliche Kultbilder waren im Mittelalter wie die Eucharistie grundsätzlich mit Tüchern und Vorhängen bedeckt, weil nach damaligem Verständnis der dargestellte Heilige als Person tatsächlich im Bild präsent war, so real wie der Körper des Märtyrers in der Reliquie seiner Gebeine. Die Bilder wurden nur zu besonderen Feiertagen entschleiert. Auch nach dem Aufkommen des selbstständigen Kunstwerks in der Zeit der Renaissance hat sich diese Präsentationsweise erhalten: Die Gemälde sind mit kleinen Vorhängen am Rahmen versehen. In diesem Verfahren überlebt die von den heiligen Dingen bekannte Dynamik der Offenbarung, mit dem Unterschied allerdings, dass es jetzt nicht mehr die Präsenz des Göttlichen ist, die hervortreten soll, sondern jene innere Vorstellung des Künstlers, die in der Zeit der Romantik dann in den Status einer »Kunstreligion« erhoben wird.
Die Kunst des Enthüllens
Besonders wirkungsvoll ist die Enthüllung von Kunstwerken im Zusammenhang mit Denkmälern. Da sie unter freiem Himmel, inmitten der Öffentlichkeit, errichtet und fertiggestellt werden, ist es notwendig, ihre »innere Idee« nicht zu früh, vor der Vollendung ihrer Gestalt, zu offenbaren. (Heute kennt man diese Scheu beim Umbau von Luxusboutiquen in der Innenstadt, die bis zum Tag ihrer Wiedereröffnung mit uneinsehbaren Wänden umgeben sind.) In der Hochphase der Denkmalkultur, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lassen sich etliche Berichte von Einweihungsfeiern finden, in denen das Ritual beschrieben ist, am genauesten vielleicht bei der Entschleierung des großen Luther-Standbilds 1868 in Worms. Über den entscheidenden Moment heißt es in der offiziellen Denkschrift: »Als mit den letzten Worten des Redners die weitgespannte Hülle sank, welche das umfangreiche Denkmal auf vier Seiten umgab, da war Alles wie bezaubert; ein nicht enden wollender Jubel begrüßte das überaus herrliche Kunstwerk.« Die Feier endet mit Gesängen der 20 000 Teilnehmer und Kanonensalven.
Man könnte die Bilder dreier Veranstaltungen übereinanderlegen, einen Gottesdienst am Karfreitag, eine Denkmalenthüllung des 19. Jahrhunderts und eine Apple-Produktpräsentation: Der rituelle Ablauf und die jubilierende Inszenierung des Höhepunkts wiesen beträchtliche Übereinstimmungen auf. Dass Industrieerzeugnisse wie Kunstwerke präsentiert werden, ist dabei eine Entwicklung, die erstaunlich weit zurückreicht. 17 Jahre vor der Enthüllung des Luther-Denkmals findet in London die erste Weltausstellung statt. In den Räumen des Crystal Palace nehmen Maschinen und Fabrikate den gleichen Stellenwert ein wie Gemälde und Skulpturen. Eine Anordnung besagt sogar, dass sämtliche Exponate, gleich welcher Herkunft, auf Sockeln oder in Vitrinen auszustellen seien, niemals zu ebener Erde.
Vermutlich geht die erste feierliche Entschleierung eines Industrieprodukts auf die frühen Weltausstellungen zurück. Dieser Moment ist aber, wenn der Eindruck nicht täuscht, nirgendwo dokumentiert. Die frühesten Berichte über verhüllte Waren sind erst Anfang des 20. Jahrhunderts in den Broschüren der Automobil-Salons zu lesen. Die Neuheiten dieser Messen stehen »wie Skulpturen« im Raum, wie ein zeitgenössischer Artikel im Jahr 1912 anmerkt. Von den Kritikern werden die religiösen Bezüge dieser Präsentationsform sofort erkannt – Karl Marx beginnt das Kapital mit seinem berühmten Traktat über den »Fetischcharakter der Waren«.
Steve Jobs hat die öffentliche Präsentation eines neuen Produkts Ende des 20. Jahrhunderts zum entscheidenden Augenblick einer ganzen Unternehmensstrategie gemacht. Ein Jahr nach seinem Tod wird auch deutlich, wie präzise sogar Hersteller ganz anderer Waren dieses Ritual übernehmen. Ein paar Tage vor dem iPhone5 wurde in Berlin der neue VW Golf vorgestellt, und die ganze Dramaturgie der Veranstaltung – die feierliche Enthüllung des Autos, die Nummerierung des neuen Modells (»der Golf 7«), der explizite Vergleich zum Vorgängermodell – folgte dem Vorbild aus Kalifornien. VW-Chef Martin Winterkorn sagte in seiner Rede: »Dieses Auto ist der schönste, beste und grünste Golf, den wir je gebaut haben«, und die emphatischen Silicon-Valley-Superlative passten nicht so ganz zu dem steifen Anzugträger aus Wolfsburg. Die Botschaft war aber deutlich: Wenn man ein neues Produkt nur genauso aufwendig einführt wie Apple, wird hoffentlich auch etwas von den Umsatzzahlen abstrahlen.
Man kann natürlich nicht berechnen, ob der Apple-Konzern ohne diese Ereignisse weniger erfolgreich gewesen wäre. Was man aber sagen kann, ist, dass die aufwendigen Präsentationen für den Ehrgeiz des Unternehmens unerlässlich sind. Denn Produkte, die tatsächlich alle Menschen erreichen sollen, deren Gestaltung die Gewohnheiten des Computergebrauchs, des Musikhörens, des Telefonierens verändern sollen, müssen in einem gebündelten, simultan beachteten Moment ans Licht der Öffentlichkeit treten.
Es hat daher nicht nur mit der Dynamik der Offenbarung zu tun, dass die Apple-Präsentationen in eine religiöse Sphäre rücken, sondern auch mit dem stets erneuerten Anspruch des Konzerns auf Totalität. Jedes Produkt, das Steve Jobs und seine Nachfolger seit einem Vierteljahrhundert präsentieren, soll die reine, absolute Lehre des technischen Designs verkörpern, die alle Konkurrenten ausschließt und verhöhnt. Wer heute irgendwo in der Welt in einer U-Bahn sitzt oder an einem Kongress teilnimmt, ist von Menschen umgeben, die in ihre Apple-Geräte tippen. Steve Jobs’ Ambition ist also aufgegangen. Ausgelöst wurde diese weltumspannende Verehrung, mit der keine religiöse Bewegung mithalten kann, von den Events der Produkteinführungen, epochale Ereignisse, die bis heute allerdings untrennbar mit seiner eigenen Person verknüpft sind. Jobs konnte noch so häufig in »Wir«-Form reden und betonen, dass die Geräte in Teamarbeit entstanden waren – die Betrachter sind in den letzten Jahren mehr und mehr dem Eindruck erlegen, dass der, der die Produkte öffentlich einführt, auch ihr alleiniger Urheber ist.
Nicht zuletzt deshalb waren die Vorstellungen von iPhone5 und iPad3 in den letzten Monaten auch riskante Augenblicke für Apple. Die Gesichter des Konzerns sind blasser geworden, und ihre ersten eigenen Präsentationen fallen ausgerechnet in eine Phase, in der die Theologie der Geschichtslosigkeit durch die Berichte über die chinesischen Zulieferer Risse bekommen hat. Wenn man den spektakulären Absatz des iPhone5 unmittelbar nach der Markteinführung bedenkt – zwei Millionen Bestellungen in den ersten Tagen –, hat das Unternehmen den Tod seines Gründers aber gut überstanden. Im Ritual der Produktvorstellung ist seine charismatische Gestalt für immer bewahrt.
Illustrationen: Nishant Choksi