Erste Wahl

Wer wissen will, wie das Leben läuft, muss die fragen, die viel gelebt haben. So entstand diese Ausgabe.

»Mit zwanzig Jahren«, sagte Joachim Kaiser, »da habe ich weitaus vernünftiger über den Tod geschrieben, als ich es heute vermag. Mit zwanzig, mein Gott, da war der Krieg gerade zu Ende.« Für einen Moment herrschte Stille. Dann fragte Charlotte Seeling lächelnd ihre Kollegen: »Von welchem Weltkrieg redet Kaiser? Dem Ersten oder dem Zweiten?«

Das SZ-Magazin bat einige der größten deutschen Journalisten, ein Heft über das Altwerden zu gestalten. Redaktionsleiter dieser einmaligen Ausgabe ist Gernot Sittner, lange Jahre Chefredakteur der SZ. Da er mit seinen 69 Jahren noch als vergleichsweise jung gelten darf, haben wir ihm eine erfahrene Redaktion an die Seite gestellt: Mit den meisten von ihnen hat er viele Jahre bei der Süddeutschen Zeitung zusammengearbeitet. Am 20. September trafen sie sich alle zur Themenkonferenz im SZ-Magazin. Stefan Moses, 79, fotografierte. Es war für die Jüngeren von uns ein denkwürdiger Vormittag: Sätze von Kraft, Witz und Weisheit flogen wie Pfeile. Carlos Widmann sagte: »Je älter ich werde, desto radikaler werde ich«; Carola Heldt fügte hinzu: »Je älter ich werde, desto mehr interessiere ich mich fürs Sterben. Nicht für den Tod.« Und Claus Heinrich Meyer meinte: »Ich habe mich ganz bewusst im Alter der Herausforderung dieser lauten, rohen Stadt Berlin ausgesetzt.«

Meistgelesen diese Woche:

Wie verändern sich die Gedanken eines Menschen, wenn er alt wird? Seine Ansichten und Erinnerungen? Seine Ängste und Erwartungen an die Zukunft? Wie lebt es sich in einem Körper, der nicht vergessen will, dass er einmal jünger war? Zwar fragte schon 1975 der Spiegel auf seiner Titelseite, ob angesichts der geringen Geburtenraten die Deutschen aussterben; neu hingegen ist die Panik, mit der die Publizisten das Thema anheizen; neu ist die Härte der Debatte; neu ist der mangelnde Respekt dem Alter und den Alten gegenüber. Wir wollten ihnen den Respekt, der ihnen gebührt, mit dieser Ausgabe entgegenbringen. Es bleibt die Erinnerung an eine Redaktion, die es in dieser Zusammensetzung noch nicht gegeben hat – und wohl auch nicht mehr geben wird. Und es bleibt die trübe Aussicht darauf, dass künftig jeder Leserbriefschreiber, der etwas am SZ-Magazin auszusetzen hat, sich diesen Seitenhieb sicherlich nicht verkneifen wird: Lassen Sie bitte wieder die Alten das Heft machen, die können es besser!