Man kann hier sehr direkt reden
Köln, ein Freitagmittag im Dezember. Es ist noch nicht viel los im »Brauhaus Gilden im Zims« am Heumarkt. Am Fenster hat das »SZ-Magazin« einen Tisch reserviert. Der erste Gast, WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, kommt um Punkt 12.
SZ-Magazin: Sie sind aber pünktlich.
Jörg Schönenborn: Ich habe Gäste heute Abend, muss noch einkaufen. Ich muss mir etwas einfallen lassen, weil ein Gast kein Fleisch isst. Fleisch finde ich gut. Man schiebt das bei 180 Grad in den Ofen und hat ein tolles Essen.
SZ-Magazin: Für wen kochen Sie?
Schönenborn: Für die Chefredaktion. Fünf Personen.
Schönenborn bestellt Orangensaft.
SZ-Magazin: Um welche Tageszeit beginnt man mit Kölsch?
Schönenborn: An der frischen Luft immer. Da stehen morgens schon die Ersten. In der Stadt ist ja alles Theke im Sommer.
SZ-Magazin: Mögen Sie die Kölner Altstadt?
Schönenborn: Nö. Die richtigen Kölner wohnen in der Südstadt, da, wo das Stadtarchiv war. Die Hälfte meiner Mitarbeiter hätten den Einsturz hören können, wenn sie zu Hause gewesen wären.
SZ-Magazin: Wenn man mit dem Taxi durch Köln fährt, hat man nicht das Gefühl, in einer besonders schönen Stadt zu sein.
Schönenborn: In Hamburg oder Berlin wird mir das auch klar. Ein Wiederaufbauproblem. Das einzig Schöne ist der Blick auf den Dom, da geht Kölnern das Herz auf.
Um 12:07 Uhr betritt der Verleger Helge Malchow das Lokal.
Schönenborn: Herr Malchow, grüß Sie.
Bedienung: Was möchten Sie trinken?
Helge Malchow: Ich werde im Lauf der nächsten Stunden auch ein Kölsch trinken, aber erst mal einen Kaffee. Sie haben eine Menge Autoren von KiWi (Abkürzung für den Verlag Kiepenheuer & Witsch, Anm. d. Red.) eingeladen.
SZ-Magazin: Sagt das mehr über uns oder über Köln?
Malchow: Wir sind hier schon der Platzhirsch, bekannte Autoren wie Günter Wallraff und Dieter Wellershoff sind alle bei uns. Es gibt keinen vergleichbar großen literarischen Verlag in Köln. Vielleicht noch DuMont.
SZ-Magazin: Gerade ist DuMont mehr im Gespräch als KiWi.
Malchow: Ja, aber nur der Zeitungsverlag. Der Knatsch in der Familie ist Tages-, Wochen- und Monatsgespräch.
SZ-Magazin: Es gibt Leute, die sagen, dass dem Verlag nichts Besseres passieren konnte.
Schönenborn: Als dass der junge DuMont rausfliegt?
Malchow: Ist auch eine Variante. Aber vor allem ist es eine sehr traurige Familiengeschichte.
12:19 Uhr. Die Theaterintendantin Karin Beier kommt.
Schönenborn: Hallo, Frau Beier.
Malchow: Tach. Jetzt sind wir schon drei.
Beier bestellt Wasser.
Malchow: Über Theaterarbeit und Kölsch gibt es eine interessante Passage in der Autobiografie von Peter Zadek. Der große Regisseur hat seine Karriere ja in Köln begonnen.
Karin Beier: Ist das wahr?
Malchow: Er kam 1958 aus London zum ersten Mal nach dem Krieg nach Deutschland, und zwar nach Köln, und inszenierte am Theater am Dom.
Beier: Ach so, ja, das weiß ich.
Malchow: Und direkt danach am Schauspielhaus. In dem Buch erzählt er von den Proben in Köln: Er brüllte rum, wenn es Streit gab, aber das führte zu nichts. Die Schauspieler sagten immer nur: Komm, lass uns doch heute Abend ein Kölsch trinken. Er wusste gar nicht, was das heißt: Kölsch. Aber irgendwann hat er verstanden: In Köln werden solche Grundsatzdebatten abends beim Kölsch geführt. Und er hat gedacht: Na, dann eben beim Kölsch. Aber wenn man dann beim Kölsch saß, wurde nie wieder über das Thema gesprochen.
Beier: Meine Erfahrung zeigt genau das Gegenteil: Ich war eine Weile in Wien, da ist diese direktere, ruppige Art gar nicht existent. Da gibt es das Wort Nein im aktiven Wortschatz gar nicht. Wogegen wir in Köln ja schon daran gewöhnt sind, alles relativ direkt beim Namen zu nennen. Das beschleunigt die Arbeit ungemein.
Malchow: Echt? Das ist dann die neue kölsche Theaterarbeit.
Beier: Ich finde, gerade hier kann man sehr direkt reden. Ohne Samthandschuhe. Bist du Kölner?
Malchow: Ich bin kein Kölner, aber seit 30 Jahren hier.
Beier: Dann bist du Kölner. Und Sie, Herr Schönenborn, Kölner?
Schönenborn: Ich bin in Solingen geboren.
Beier: Ich fand diesen Lokalpatriotismus früher natürlich peinlich – aber ich habe den auch. Aufgefallen ist mir das zu Karneval. Ich gehöre zu den Leuten, die Karneval mitfeiern, allerdings immer nur einen Tag.
Schönenborn: Welchen?
Beier: Den Sonntag.
Malchow: Ich feiere donnerstags.
Schönenborn: Weiberfastnacht.
Beier: Ich ertappe mich dann dabei, diese Karnevalslieder mitzusingen. Am liebsten Viva Colonia.
SZ-Magazin: Das wird auf dem Oktoberfest auch gesungen.
Malchow: Das ist auch schon globalisiert.
Im Karneval gehe ich als der entfesselte Kleinbürger
Im Karneval gehe ich als der entfesselte Kleinbürger
Etwa 12:30 Uhr.
SZ-Magazin: Was ist Ihr Kostüm im Karneval?
Beier: Ich krame zusammen, was ich im Kleiderschrank finde. Alles durcheinander – mit Rastafarilocken und einem grünen Samtmantel.
Malchow: Man zieht sich irgendwas an und erfindet dann einen Namen für das Kostüm. Etwa: der entfesselte Kleinbürger.
SZ-Magazin: Ganz schön intellektueller Humor.
Malchow: Ich bin mal über Karneval nach Brasilien geflohen. Erst dann fiel mir auf, dass dort ja auch Karneval ist.
Schönenborn: Sie wussten nicht, wann da Karneval ist?
Malchow: Ich dachte, es sei vielleicht eine Woche vorher, aber nein. Mich hat sehr erstaunt, dass der Karneval dort viel weniger intensiv ist als in Köln. Es gibt ein Sambadrom, da geht man hin. Aber der Rest der Stadt ist wie immer, während der Karneval in Köln fünf Tage richtig ins Leben reingeht. Wenn man nichts damit zu haben will, dann muss man wegfahren.
SZ-Magazin: Aber Sie machen alle nur einen Tag mit. Wie schaffen Sie das?
Beier: Im Bett bleiben. Wir sind ja über den Lokalpatriotismus auf Karneval gekommen. Der Kölner meckert auch verdammt viel über seine Stadt. Das ist eine Form von Auseinandersetzung mit der kriminellen Energie hier, die man verabscheut, die aber auch ihren Reiz hat. Das ist eine große Liebe, zusammengesetzt aus Sentimentalität und Kritik.
Malchow: Wenn man in Köln zum FC geht, sagt der Stadionsprecher: Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands. Am Anfang dachte ich, das sei Ironie. Aber das glauben die Leute wirklich.
Schönenborn: Weil sie nie über Dormagen hinausgekommen sind.
SZ-Magazin: Sie teilen die Meinung des Stadionsprechers nicht?
Malchow: Picasso hat von der Schönheit hässlicher Bilder gesprochen. So könnte man es drehen. Die Zerstörungen sind so monströs, auch die Wiederaufbauzerstörungen, dass es schon wieder ein Phänomen ist. Der Barbarossaplatz ist der hässlichste Platz Deutschlands.
Beier: Die Stadt hat auch eine große Abrisstradition.
SZ-Magazin: Frau Beier, Sie haben erfolgreich gegen den Abriss und für die Sanierung des Schauspielhauses gekämpft. Ihr anstrengendster Kampf?
Beier: Es war fremdes Metier für mich. Es hat mich an den Rand gebracht. Aber es hat sich gelohnt.
SZ-Magazin: Wäre so etwas wie Stuttgart 21 in Köln denkbar?
Malchow: Das war ja nichts anderes.
Beier: Wir hatten 50 000 Unterschriften. Der Rat hat dann seine Meinung geändert, deswegen musste es nicht zum Bürgerentscheid kommen. Wenn der Rat nicht so entschieden hätte und der Bürgerentscheid gescheitert wäre, hätte es hier eine Revolte gegeben.
Malchow: Oder Heiner Geißler.
Schönenborn: Die Kölner sind extrem stolz. Wenn Karnevalslieder gesungen werden, in denen Köln vorkommt, krieg ich auch feuchte Augen. Dabei gibt’s ja keinerlei Erfolge oder Leistungen, auf die man stolz sein kann. Zerstörung nach dem Krieg, der Fußball, der Einsturz des Stadtarchivs ist eine Blamage, die Kunst wandert ab. Alles Misserfolge.
Malchow: Stimmt. Aber ich sehe Hoffnung. Vielleicht hat der Einsturz sogar dazu beigetragen, dass ein Ruck durch die Stadt geht.
Schönenborn: Es ist ja was da. Schwule und Ausländer fühlen sich hier seit Jahren wohl, das hat was mit der Lebensart zu tun. Beier: Man hat ein Klischeebild des Kölners: dass man es ihm leicht machen muss. Aber ich finde die Bereitschaft, sich auf eine Anstrengung einzulassen, immens hoch hier, eben das Gegenteil des Kölners, der nur zum FC rennen und Karneval feiern will.
Malchow: Wenn wir Autoren nach Frankfurt, München, Berlin zum Lesen schicken, gibt es überall Probleme: Wo können sie lesen? Wo wollen sie lesen? In Köln nie. Das hat schon mit der Bereitschaft zu tun, sich zu öffnen. In Köln geht man auch zu einer Veranstaltung mit einem Autor, von dem man noch nie etwas gehört hat.
Beier: Beim Theaterpublikum gibt es auch große Unterschiede zwischen Köln und Düsseldorf. Die Düsseldorfer regen sich auf, da hat man schnell einen Skandal. Bei Rechnitz von Elfriede Jelinek haben die Leute in Scharen das Theater verlassen. Das würde in Köln nicht passieren.
Malchow: Obwohl die Sache mit dem Plakat auch ein bisschen peinlich war.
Beier: Aber das war nicht die Kölner Bevölkerung.
SZ-Magazin: Welches Plakat?
Beier: Mein erstes Plakat für die Nibelungen wurde als gewaltverherrlichend und frauenfeindlich verboten. Schade, dass Alice Schwarzer jetzt nicht da ist.
SZ-Magazin: Was war denn darauf zu sehen?
Beier: Eine gefesselte Frau stand an der Wand mit einer Mülltüte über dem Kopf. Brunhild. Darum geht es ja im Stück. Das wurde von der Stadt verboten.
Malchow: Mit dem Argument, das könnte man dem Kölner nicht zumuten. In Berlin – da könnte man so was erlauben.
Beier: Kann man hier essen? Ich habe tierisch Hunger.
Die Unfähigkeit zur Aufklärung hier ist unvergleichlich
Die Unfähigkeit zur Aufklärung hier ist unvergleichlich
Kurz vor 13 Uhr. Beier und Malchow bestellen »Himmel un Äd« (gebratene Blutwurst auf Kartoffelpüree und Apfelkompott), Schönenborn bestellt Reibekuchen.
SZ-Magazin: Was denkt man als Kölner, wenn die Republik über den Archiveinsturz lacht?
Beier: Es gab die Titelseite der Titanic – das Bild aus der Nachkriegszeit, da steht nur noch der Dom und darunter die Zeile: »2012 – Hurra, die U-Bahn ist fertig«. Das fand ich irgendwie gut. Aber man darf nicht vergessen: Da sind Menschen ums Leben gekommen.
Malchow: Und die erste Reaktion des Bürgermeisters war: Ich bin kein Ingenieur.
Schönenborn: Zumal er im Urlaub war und sich ferngehalten hat von der Baustelle.
Malchow: Dann musste ihm erklärt werden, dass es einen Unterschied gibt zwischen persönlicher und politischer Verantwortung. Das würde einem Herrn Wowereit eher nicht passieren.
Schönenborn: Das zeigt schon die Fäulnis der Stadt. Unsere größte Recherche beim WDR läuft seit sieben, acht Jahren und befasst sich mit dem Komplex Bank Oppenheim, dem Bauunternehmen Esch, der Stadt, der Sparkasse und diversen Baugeschäften, die immer zu Lasten der Steuerzahler gehen.
Malchow: Wäre das in Dortmund anders?
Schönenborn: Die Unfähigkeit zur Aufklärung hier ist schon unvergleichlich.
SZ-Magazin: Wie erklären Sie sich das?
Schönenborn: Dieser kölsche Klüngel ist eben doch eine Form von Kumpanei, die sehr real ist.
SZ-Magazin: Klüngel ist ein niedlicher Ausdruck dafür. Wie genau geht der Klüngel?
Beier: Ausdealen.
SZ-Magazin: Bestechung?
Schönenborn: Bestechung ist der strafrechtlich relevante Sachverhalt, der bewiesen werden müsste.
Malchow: Ich würde sagen, man kennt sich, man hilft sich.
Schönenborn: Wie das funktioniert? Die Stadt braucht ein neues Rathaus. Und gebaut wird das von Herrn Esch, da gibt es gar keine Ausschreibung. Finanziert wird es von der Oppenheim-Esch-Gruppe über einen Fonds, in dem viele bekannte Rheinländer ihr Geld anlegen und der höhere Renditen abwirft als viele andere Immobilienfonds. Die Renditen sind sichergestellt über eine 30-jährige Mietgarantie. Die Stadt mietet das Rathaus zu überhöhten Preisen. Das wird trotz einer dreistelligen Millionensumme vom Stadtrat so genehmigt. In den nächsten Jahren werden weitere, zum Teil noch größere Projekte wie die neue Messe nach dem gleichen Muster gebaut. Dann gibt es ein Verfahren, die EU schaltet sich ein, wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht, weil es keine Ausschreibung gegeben hat.
SZ-Magazin: Und es regt sich niemand auf?
Schönenborn: Na ja, lange Zeit wurde in den lokalen Zeitungen gar nicht darüber berichtet. Erst als der WDR das Ganze enthüllt hat und die Bild einstieg, tauchte das Thema richtig auf. Dazu sollte man wissen: Verleger Neven DuMont gehört zu den Anlegern beim Oppenheim-Esch-Fonds für Rathaus und Köln-Arena.Malchow: Mein Verdacht ist, der Klüngel hat viel damit zu tun, dass man sich nicht beobachtet fühlt. Weil man sich hauptsächlich mit sich selber beschäftigt.
Beier: Und mit dieser Lust am Tricksen. Es gehört ja fast zum guten Ton, man darf sich nur nicht erwischen lassen.
Mittelmaß ist etwas Wunderbares
Mittelmaß ist etwas Wunderbares
13:33 Uhr. Der ehemalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes betritt das Lokal.
Schönenborn: Herr Antwerpes, grüß Sie.
Franz-Josef Antwerpes: Herr Malchow, waren Sie neulich wieder in der Sauna?
Malchow: In welcher?
Antwerpes: Fitness Neptunplatz?
Malchow: Ja.
Antwerpes: Da lasen Sie.
Malchow: Da las ich ein Manuskript. Das tue ich manchmal, wenn ich drei Stunden Ruhe brauche, ohne Telefon. Ein Saunagang, Liegestuhl, lesen.
SZ-Magazin: Und da treffen Sie sich dann?
Antwerpes: Ja, aber er geht nur in die Sauna. Ich mache Fitness.
Antwerpes bestellt Rheinischen Sauerbraten und ein Kölsch.
SZ-Magazin: Kennen Sie sich?
Schönenborn: Ja. Ich habe ihn schon als junger Reporter mal interviewt, aber das weiß Herr Antwerpes wohl nicht mehr.
Antwerpes: Ich bin ja der Meinung, dass ich durch meine Talkshow bekannter geworden bin als nach 22 Jahren als Regierungspräsident. Das ist eine Schande. SZ-Magazin: Talkshows machen nun mal bekannt.
Antwerpes: Ich habe die Sache von heute auf morgen aufgegeben, weil ich Krach kriegte mit meiner Co-Moderatorin.
SZ-Magazin: Herr Antwerpes, bitte erklären Sie doch einem Nicht-Kölner Ihre Rolle hier in der Stadt. Kennt man Sie hier?
Antwerpes: In Köln ist mein Bekanntheitsgrad verhältnismäßig gering. Meine Partnerin hat mir unlängst gesagt, ihr sei aufgefallen, wenn ich in Köln über die Straße ginge, hätten viele Leute so eine ironische Distanz zu mir, und das sei in Aachen völlig anders. Das liegt aber auch an der Mentalität. Ich bin ja kein Kölner. Ich komme eigentlich vom Niederrhein.
Schönenborn: Woher genau?
Antwerpes: Viersen. Zwischen Mönchengladbach und Krefeld.
SZ-Magazin: Das bringt uns zu einer Frage, die wir allen Eingeladenen stellen wollen: Warum leben Sie noch in Köln?
Antwerpes: Wenn man mal hier wohnt, bleibt man auch hier. Man hat seine Bekanntschaften. Und das Angebot an Kultur ist etwas größer als, sagen wir mal, in Schleiden in der Eifel.
Schönenborn: Geringfügig.
SZ-Magazin: Herr Schönenborn meint, es gibt wenig, worauf man als Kölner stolz sein kann.
Antwerpes: Ich geh da immer in die Geschichte rein: Im 14. Jahrhundert sind in Köln die Gaffeln gebildet worden, so etwas wie Zünfte. Seitdem ist Köln zünftlich bestimmt, das findet sich heute noch in den Karnevalsgesellschaften. Wenn einer hochkommen will, stutzt ihn ein gedanklicher Rasenmäher wieder ins Mittelmaß zurück. Deshalb ist Köln die Inkarnation des Mittelmaßes, was aber auch etwas Wunderbares ist. Man ist nicht unten, nicht oben, sondern in der Mitte und hat sich da eingerichtet. Und Obrigkeit ist hier generell unbeliebt.
Schönenborn: Im WDR gibt es den Spruch: Hierarch zu sein heißt, das Recht zu haben, Vorschläge zu machen.
SZ-Magazin: Herr Antwerpes: Bleibt Köln, wie es ist?
Antwerpes: Immer. Da ändert sich nichts. Das mit dem Archiv war Pech, muss man sagen. Da kann man keinem einen Vorwurf machen. Na ja, okay, die Aufsicht hat nicht funktioniert, aber das würde ich nicht so eng sehen.
Schönenborn: Also es ist jemand schuld, aber man kann keinem einen Vorwurf machen, nicht?
SZ-Magazin: Was stürzt denn als Nächstes ein?
Antwerpes: Das ist noch nicht entschieden. Der Rat hat dazu noch nicht Stellung genommen. Der Dom wird es nicht sein. Der ist relativ stabil. Und wird auch ständig nachgebessert.
Man muss sich von Schweinen lösen
Man muss sich von Schweinen lösen
13:35 Uhr. Mittlerweile hat RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel am anderen Ende des Tisches Platz genommen.
SZ-Magazin: Herr Kloeppel, müssen Sie heute noch arbeiten?
Peter Kloeppel: Ich arbeite schon den ganzen Morgen. Ich bin seit halb neun im Büro. Und muss gleich wieder zurück.
SZ-Magazin: Sie haben noch Sendung heute?
Kloeppel: Logisch. Ich nehme einen Salat, mit Hähnchenbruststreifen, bitte.
SZ-Magazin: Warum sind Sie noch in Köln?
Kloeppel: Ich lebe ja in Bonn. Aber ich habe auf 13 Jahre verteilt dreimal in Köln gelebt, 2001 bin ich nach Bonn umgezogen, wo ich mich sehr wohlfühle.
SZ-Magazin: Warum Bonn?
Kloeppel: Meine Frau ist Amerikanerin, unsere Tochter wächst zweisprachig auf. Es gibt in Bonn noch einige ganz gute internationale Schulen aus der Zeit, als Bonn Hauptstadt war.
SZ-Magazin: Wie ist Karneval für Ihre Frau?
Kloeppel: Ich habe sie am allerersten Karnevalstag, an dem sie hier war, 1993, allein gelassen, und sie hat Sachen gemacht, die sie mit mir nie gemacht hätte: auf der Straße Bier getrunken, obwohl es geschneit hat. Was mir ein Graus ist. Aber wir sind beide keine Karnevalisten.
SZ-Magazin: Sie machen nicht mit? Die RTL-Karnevalspartys sollen legendär sein. Ihr Kostüm hätten wir gern gewusst.
Kloeppel: Als ich in Köln-Königsdorf wohnte, hat mich der Karnevalsverein gefragt, ob ich nicht Ehrenmitglied werden möchte. Ich kann mit Karneval zwar überhaupt nichts anfangen, doch ich habe mich in ein Kuhkostüm gestürzt und eine Büttenrede auf Hessisch gehalten.
SZ-Magazin: Kennen Sie eigentlich die anderen am Tisch?
Kloeppel: Vom Namen her alle, weil ich mich ein bisschen vorbereitet habe. Wobei ich entdeckt habe, dass Elke Heidenreich ausgerechnet in Korbach geboren ist, wo mein Vater lange Zeit gelebt hat und ich als Landwirtschaftsstudent auf einem Bauernhof gearbeitet habe.
SZ-Magazin: Ah, deswegen das Kuhkostüm?
Kloeppel: Da kann ich zumindest sagen, es hat etwas mit meinem Leben zu tun. Ich hatte auch mal eine Schweinesammlung, alle möglichen, aus Holz und Porzellan. Aber wir haben sie bei RTL für einen guten Zweck versteigert. Irgendwann muss man sich von der Vergangenheit lösen. Auch von den Schweinen.
Der Orthopäde soll mir was reinpfeffern
Der Orthopäde soll mir was reinpfeffern
Um 13:40 Uhr kommt Karin Beier von der Toilette, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie hält sich den Rücken und telefoniert.
Beier (ins Telefon, kurz bevor sie auflegt): Ich möchte sofort gespritzt werden!
SZ-Magazin: Ist was passiert?
Beier: Mein Rücken. Ich weiß nicht, was ich gemacht habe. Ich bin da eigentlich nicht anfällig.
SZ-Magazin: Jetzt gerade? Hier?
Beier: Jaja. Der Orthopäde soll mir da gleich was reinpfeffern. Es gibt doch so Zauberspritzen, oder? Ich halte heute noch einen Vortrag, und da möchte ich nicht im Rollstuhl reinfahren. Wahrscheinlich hauen die so ein Muskelrelaxans rein. Da wird man blöd im Kopf, oder?
Malchow: Hast du denn jemanden erreicht?
Beier: Gleich neben dem Theater ist eine Klinik. Unverschämt teuer zwar, aber die stehen immer zur Verfügung. Sag mal, wann geht das los mit der Lit.Cologne? Malchow: Im März.
SZ-Magazin: Wer hat die eigentlich ins Leben gerufen?
Beier: Werner Köhler, Rainer Osnowski, Edmund Labonté. Mit Osnowski habe ich schon lange die Verabredung, bei einer Flasche Wein alle Korruptionsskandale durchzuquatschen.
Malchow: Seine Frau ist Cordula Stratmann, von der unser Verlag gerade lebt. Morgen habe ich mit den beiden das symbolische Abendessen. Wenn ein Buch die Zahl 100 000 überschritten hat, geht’s ins »Moissonnier«.Beier: Ach, wie schön.
SZ-Magazin: Was ist das »Moissonnier«?
Malchow: Das beste, angenehmste und schönste Restaurant in Köln.
Beier: Ein Sternekoch, in einem französischen Bistro. Kein bisschen versnobt. SZ-Magazin: Empfehlenswerter als die Drei-Sterne-Köche in Bensberg und Bergisch Gladbach?
Malchow: Da ist man halt früher mit den Eltern hingegangen.
Beier: Meine Eltern wären nie mit mir in ein Drei-Sterne-Restaurant gegangen.
Der rheinische Tonfall wird in den Medien diskriminiert
Der rheinische Tonfall wird in den Medien diskriminiert
13:50 Uhr. Peter Kloeppel und Karin Beier sitzen schon eine Weile nebeneinander, sie haben sich aber bisher nur flüchtig gegrüßt.
Beier: Wer sind Sie eigentlich?
Kloeppel: Wer bin ich denn? Ich heiße Kloeppel und arbeite bei RTL. Ich bin Chefredakteur bei den Nachrichten.
Beier: Aha, Chefredakteur heißt: im Hintergrund.
Malchow: Nein, nein.
Kloeppel: Ich moderiere auch die Nachrichten abends. Vielleicht haben Sie mich da schon mal gesehen.
Beier: Ah, ja. Okay. Hallo.
Kloeppel: Und Sie sind Frau Beier, oder? Jetzt muss ich gucken, was ich von Ihnen gelesen habe, und Sie sagen, ob das stimmt.
Beier: Okay.
Kloeppel: Sie haben neun radikal modernisierte Shakespeare-Inszenierungen in englischer Sprache herausgebracht.
Beier: Stimmt nicht.
Kloeppel: Waren es 19?
Beier: Nein. Aber von heute aus betrachtet, finde ich die nicht radikal.
Malchow: Was lesen Sie da vor?
Kloeppel: Ich habe mein Büro gebeten, mir mal ein bisschen Stoff zusammenzustellen.
Beier: Das hätte ich auch machen sollen.
Malchow: Das kommt von Wiki-Leaks. Kloeppel: Ich glaube mehr -pedia als -Leaks. Meine Tochter nimmt in der Schule Macbeth durch und musste sich da zu ihrem eigenen Graus den Macbeth-Film von Roman Polanski angucken. Haben Sie den mal gesehen?
Beier: Klar.
Kloeppel: Ist der so schlimm?
Beier: Im Vergleich zu dem, was es sonst im Fernsehen gibt, finde ich das eigentlich nicht. Ist halt eine grausame Geschichte.
SZ-Magazin: Sie sprechen hier am Tisch am stärksten kölschen Dialekt, Herr Malchow.
Malchow: Tonfall. Dialekt hieße ja: andere Worte. Es gibt ja nur zwei Tonfälle in Deutschland, die in den Medien diskriminiert sind: rheinisch und sächsisch. Alle anderen Tonfälle sind in Ordnung. Man kann sich einen schwäbischen, norddeutschen oder bayerischen Kommentator vorstellen, nur bei einem rheinischen lacht sofort jeder.
Beier: Aber der rheinische Tonfall ist doch schön.
Malchow: Denk mal darüber nach, ob du einen Tagesschau-Sprecher mit rheinischem Dialekt kennst?
Beier: Der ist immer gleichbedeutend mit proletarisch.
Malchow: Dabei sind das die beiden Tonfälle, die verbunden sind mit den beiden großen Gründungspolitikern des Landes, mit Konrad Adenauer und Walter Ulbricht. Eigenartig.
Man hatte so ein kartoffelchipsiges Gefühl dort
Man hatte so ein kartoffelchipsiges Gefühl dort
Kurz nach 14 Uhr. Der Schriftsteller Richard David Precht kommt an den Tisch und begrüßt als Ersten Helge Malchow.
SZ-Magazin: Sie kennen sich?
Richard David Precht: Er war mein Verleger in Zeiten, in denen man mit mir nichts verdienen konnte.
Precht begrüßt Karin Beier.
Precht: Wir kennen uns nämlich auch, aus Uni-Theater-Zeiten. Ich war einer der Bewerber bei Macbeth, aber mein Englisch war zu schlecht.
SZ-Magazin: Die Geschichte würden wir gern komplett hören.
Precht: Es gab zwei Studententheater-Gruppen. Karin Beier machte pro Jahr fünf oder sechs Shakespeare-Stücke.
Beier: Zwei.
Precht: Aber es hieß, glaube ich: We play them all.
Beier: Das war das Ziel.
Precht: Ich hatte mich da beworben und wurde nicht genommen. Dann habe ich eben bei der Konkurrenz gespielt, beim Theaterensemble der Germanisten. Ich konnte damit leben. Das wäre Herrn Kloeppel natürlich nicht passiert.
Kloeppel: Ich gebe zu, dass ich mit großem Genuss Macbeth gelesen habe in der Schule und diese drei Hexen immer noch vor Augen habe.
Malchow: Wie sind eigentlich die neuen Büros, Herr Kloeppel?
Kloeppel: Super. Wir sind endlich angekommen, haben den Dom vor Augen, den Rhein. Jetzt sind wir da, wo wir hingehören.
SZ-Magazin: Wo waren Sie bisher?
Kloeppel: Im Kölner Westen, beim Stadion. Wir haben uns das Haus mit einer Kartoffelchips-Firma geteilt. Es wurden zwar keine Chips hergestellt, aber man hatte die ganze Zeit so ein kartoffelchipsiges Gefühl.
Malchow: Ich habe immer geahnt, dass es eine innere Beziehung gibt zwischen Kartoffelchips und Fernsehen.
Kloeppel: Genau. Wie schön kann Fernsehen sein ohne Kartoffelchips?
Beier (zu Antwerpes): Ich muss leider, schade, jetzt konnten wir gar nicht miteinander reden.
Antwerpes: Man spricht ja gut über Sie.
Beier: Ja?
Antwerpes (hält die Hand verschwörerisch vor den Mund): Aber das hält in Köln nie lange an!
Beier: Ja? Dann muss man schnell abhauen, was?
Antwerpes: Jaja.
Wir singen »Rousseau, super Rousseau!«
Wir singen »Rousseau, super Rousseau!«
Malchow hat sich verabschiedet. Um etwa 14:15 kommt Manuel Andrack an den Tisch und bestellt das erste Kölsch, noch ehe er sich setzt.
Manuel Andrack: Guten Appetit.
Precht: Was machst du denn hier? Du bist doch gar kein Kölner mehr. Du bist jetzt Saarbrücker.
Andrack: Saarbrücker, Saarbrücker. Ich bin ne kölsche Jung …
Precht: Und das hält man aus? Ich habe zwei Tage in Saarbrücken verbracht und hatte nicht das Gefühl: Hier will ich hin.
Andrack: Zwei Tage reichen auch nicht.
Precht: In Saarbrücken muss man Jahre bleiben, bis man der Stadt etwas abgewinnt? Andrack: Nein, zwei Wochen. Der Saarländer ist stolz auf sein Bundesland, im Gegensatz zum Kölner, der in Köln wohnt und nicht in NRW.
Precht: Sie sind relativ gut gelaunt für die schlechte wirtschaftliche Lage des Saarlandes.
Andrack: Der Saarländer bleibt nicht lange allein an der Theke. Und das kam mir irgendwie bekannt vor. Im Unterschied zum Kölner kennt er dich am nächsten Tag noch.
SZ-Magazin: Was hat Sie ins Saarland verschlagen?
Andrack: Job oder Liebe? Bei mir war es Zweiteres.
SZ-Magazin: Wie ist es mit dem FC, so von Saarbrücken aus?
Andrack: Das ist nun wirklich einer der ganz großen Nachteile, dass das Stadion so viel weiter weg ist. 300 Kilometer hin, Heimspiel, 300 Kilometer zurück. Das ist schon hart, bei einem 0:0 gegen Frankfurt. Letztes Jahr war ich bei neun Heimspielen, davor die Saison bei sieben. 16 Heimspiele, vom Saarland hergefahren, und dabei keinen Heimsieg gesehen. Keinen einzigen verschissenen Heimsieg.
SZ-Magazin: Ist dann Zweite Liga nicht schöner als Erste? Andrack: Als Fan macht es mehr Spaß, nach Aue zu fahren oder nach Ingolstadt als nach Dortmund oder Schalke. SZ-Magazin: Wo stehen Sie denn im Stadion?
Andrack: Ich stehe nicht. Wenn man im Stehbereich 19 Jahre alt ist, ist man sehr, sehr alt. Oberrang Süd, da ist die volle Stimmung. Die Fans sind nicht nur Assis, sondern Intellektuelle, im Gegensatz zu Schalke und Dortmund.
Precht: Das halte ich jetzt für eine steile These.
Andrack: Ich habe mich im Fanbus über Rousseau unterhalten.
Precht: Alkohol trägt auch dazu bei, philosophisch draufzukommen. Die Welt wird leichter, wenn man spürt, wie sie sich dreht.
Andrack: Dann singt man halt: »Rousseau, super Rousseau«-Fangesänge.
Precht: Rousseau passt ja auch. Der Diskurs über die Ungleichheit unter den Menschen. Und bei den Vereinen. Warum hat die Natur es so eingerichtet, dass man trotz des Patriotismus immer so weit unten ist? Und synthetische Mannschaften wie Hoffenheim so gut spielen?
SZ-Magazin: Sollte man Werksklubs verbieten?
Andrack: Nee, aber die Idee vom Dortmund-Manager Hans-Joachim Watzke fand ich schon okay, dass es einen Traditionsvereins-Bonus gibt.
Precht: Man könnte Werksklubs auch mit zehn Minuspunkten in die Saison starten lassen.
Ich hatte Puderzucker in jeder Ritze meines Körpers
Ich hatte Puderzucker in jeder Ritze meines Körpers
Kurz vor 15 Uhr. Jörg Schönenborn spricht Richard David Precht auf seinen Film »Lenin kam nur bis Lüdenscheid« an. Die beiden stammen aus Solingen.
Schönenborn: Ich bin auf dem Sprung. Das ist eine super Geschichte, ein toller Film, aber es ist einem natürlich besonders nahe, wenn man auch in der Stadt groß geworden ist. Wir sind gleicher Jahrgang.
Precht: Er hat, glaube ich, eine Klasse übersprungen im Gegensatz zu mir. Wirklich!
Schönenborn: Aber das ist ja nicht so selten.
Precht: Sie waren am Humboldt, oder? Ich war in der Schwertstraße. Bei Wikipedia gibt es beim Eintrag des Gymnasiums Schwertstraße eine Liste: »Große Absolventen«, und da sind Sie dabei. Da hatte ich mich schon gewundert.
Andrack: Ein paar falsche Sachen müssen bei Wikipedia stehen, damit man herausfindet, welche Journalisten sich nur mit Wikipedia vorbereiten.
Precht: Ich weiß nicht, ob es inzwischen geändert ist.
Schönenborn: Wohnen Sie in Köln?
Precht: Zur Hälfte. Meine Frau wohnt in Luxemburg, ich habe meinen Sohn in Köln.
SZ-Magazin: Sind Sie beide die bekanntesten Solinger?
Precht: Nein, Veronica Ferres, die bei mir in der Klasse war, ist bekannter. Es wurde mal der berühmteste Solinger gewählt, von der Lokalzeitung. Da hat Walter Scheel gewonnen vor DJ Maverick, den ich nicht kenne.
Andrack: Das ist doch Betrug, die Wahl.
Precht: Kennen Sie den?
Schönenborn: Nein.
Precht: Solingen – was soll man sagen? Die großen Firmen sind kaputtgegangen, von Heuschrecken gekauft. Wie Krups, wo mein Vater gearbeitet hat.
Schönenborn: Bei Krups hatte ich meinen ersten Ferienjob.
Precht: Hubwagen fahren mit Kisten, oder?
Schönenborn: Es kannte jeder jemanden, der bei Krups gearbeitet hat. Ich hab im Einkauf gearbeitet. Das Besondere der Abteilung war, dass der Abteilungsleiter gerade wegen Korruption entlassen worden war.
Precht: Weil bei uns in der Familie keine Korruption herrschte, hat mir mein Vater keine Jobs bei Krups beschafft. Ich habe in einer Baumschule gearbeitet und bei Haribo.
Schönenborn: Das war hart, oder?
Precht: Ich war für die Himbeeren und Brombeeren zuständig. Da waren so Turbinen, die sahen aus wie Betonmischer, und da wurde mit einer dicken Schaufel Zucker reingeschaufelt. Durch das Rotationssystem wurden die Zuckerkugeln quasi rund geschliffen. Dann musste man mit dem Arm da rein und farbigen Lack darin verrühren, das ging nicht mit dem Löffel, der ist dir weggeknickt. Also mit dem Oberkörper, mit dem Kopf in diese Turbine. Man hatte Puderzucker in jeder Ritze des Körpers, hat Puderzucker eingeatmet, sah selber aus wie eine Himbeere. Elf Stunden.
Schönenborn: Jeder kannte jemanden, der bei Haribo gearbeitet hat.
Precht: Das Proletariat unter den Ferienjobs.
SZ-Magazin: Wir haben Zettel mit Fragen vorbereitet. Wollen Sie eine ziehen?
Precht: Ja (öffnet ein Zettelchen). »Was ist so schlimm an Düsseldorf?« Na ja. Ein enorm chauvinistischer Karneval, viel schlimmer als in Köln, mit rechtsradikalem Humor. Dann die neureichen Attitüden. Ich kenne keine andere Stadt von der Größe in Deutschland, in der die Schickimicki-Szene so versteckt ist wie in Köln.
Andrack: Genau.
Precht: Eigentlich bleibt der Schickimicki-Kölner abends nicht in Köln, sondern fährt nach Düsseldorf. Daher kommt das schlechte Image der Düsseldorfer.
15:10 Uhr. Peter Kloeppel verabschiedet sich.
Precht: Tschüs, Herr Kloeppel. Bis zum nächsten Halbmarathon.
Kloeppel: Sie auch?
Precht: Gezwungenermaßen, meine Frau läuft ziemlich gut.
Franz-Josef Antwerpes macht sich zum Gehen bereit, kündigt aber an, nochmals wiederzukommen.
Precht: Tschüs, Herr Antwerpes.
Antwerpes: Betonung auf der ersten Silbe, bitte. Herr Andrack, wissen Sie, woran ich bei Ihnen immer denke?
Andrack: So, jetzt kommts.
Antwerpes: Wenn ich den Lieserpfad gehe …
Andrack: Ja, ja, ja.
Antwerpes: … den Sie in Ihrem Buch so loben. Das ist ein Scheißweg, sag ich Ihnen. Ein unangenehmer, ein glitschiger Weg …
Andrack: Der ist anstrengend.
Antwerpes: Man sieht von der Lieser überhaupt nix und geht da so schmal zwischen den Bäumen durch, und jedes Mal, wenn ich da laufe, denke ich: dieser Andrack … Andrack: Warum gehen Sie den Weg so oft, wenn Sie ihn so scheiße finden?
Antwerpes: Weil ich im Kloster Himmerod immer eine Woche Silentium mache. Precht: Sie schweigen eine Woche?
Antwerpes: Nein, also Silentium im weitesten Sinne.
Hier gehts zum zweiten Teil des großen Köln-Interviews.
Fotos: Peter Rigaud