Zwischen Dosenbier und Aperol

Rund 20 Bücher hat Robert Habeck bislang verfasst  – und in einigen seiner Werke schwere Krisen zumindest theoretisch schon durchdrungen. In der Praxis scheint das dem Bundeswirtschaftsminister aber nicht zu helfen.

Foto: Erli Grünzweil

Die einen tränken Aperol Spritz und die anderen Dosenbier, heißt es in Robert Habecks Buch Von hier an anders, er nutzt das Bild, um die Spaltung Deutschlands zu beschreiben. Ich glaube, es ist komplizierter, denn diese zwei vermeintlichen Pole vereinen sich bereits in mir. An dem Buch habe ich mich dennoch festgelesen: Habeck untersucht darin, wie es gelingen kann, den Wandel zu moderieren, wie man Veränderungen so kom­munizieren kann, dass sie keine gesellschaftlichen Gräben reißen. Im Buch ist das gut erklärt.

In der Praxis gelingt es ihm nicht. Die Abstimmung über sein Gesetz wurde vom Verfassungs­gericht gestoppt, seinen Staats­sekretär musste er entlassen, seine medialen Auftritte wirken fahrig: In den Tagesthemen muffelte er (»Was ist die Frage?«), bei Anne Will zeigte er sich resigniert (»Na ja … ich bin auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung.«) und bei Markus Lanz ­zuletzt patzig: Wenn man es bequem haben wolle, könne man zu Hause bleiben. Der wendige Erklärer ist einsilbig geworden und abweisend.

Warum? Vielleicht erfährt man etwas, wenn man noch mehr jener Bücher liest, die er geschrieben hat, bevor er die Lust verlor, offen zu reden? Immerhin umfasst sein Werk elf Romane, zwei Vorlesegeschichten für Kinder, ein Drama, fünf Sachbücher sowie einen Gedichtband, viele gemeinsam mit der Schriftstellerin Andrea Paluch, die auch seine Frau ist. Ich habe alle gelesen, an die ich herankam.

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Es heißt ja immer, man solle Autor und Werk trennen. Wir wollen uns vorerst daran festhalten

Der Verlag KiWi hat den ersten gemeinsamen Roman des Paares in diesem Jahr neu aufgelegt: Hauke Haiens Tod. Es ist die Geschichte eines Nordseebürgermeisters, der prophezeit, dass der alte Deich die nächste Sturmflut nicht wird halten können. Er will anpacken, umwälzen, graben und Land neu aufteilen, damit ein zweiter Deich steht, wenn es zur Flut kommt. Doch die Dorfler wollen nicht handeln, bevor was passiert ist. Das macht den alten Hauke fuchsig. Sabotage durch Dümmere – das sind für ihn gleich zwei Verbrechen. Unter Druck wird er nicht charmanter oder geduldiger, sondern trotzig und barsch. Nun ja. Es heißt ja immer, man solle Autor und Werk trennen. Wir wollen uns vorerst daran festhalten.

In Habecks Werk dominieren zwei Erzählungen: das sperrige Individuum, das aber nicht ganz Unrecht hat (siehe oben), und die Klima­krise. In Ruf der Wölfe wagt der Protagonist eine Prognose für Deutschland nach dem Schmelzen der Polkappen: »Ein Teil des Landes säuft ab, der andere wird zu einer riesigen Schneewüste.« Ein Buch spielt unter jugend­lichen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, und in Habecks erstem ­Roman, mit Anfang 20 geschrieben, lässt er seinen Pro­tagonisten Ole sagen: »Ich will vier Wochen lang nur grünes Licht ­sehen, grün gehen, grün denken.« Das Jugendbuch Flug der Falken beginnt mit großer, untypischer Hitze: »Ich habe das Gefühl, mir laufen glühende Ströme Lava­schlacke über die Stirn. Für Anfang Juni ist es viel zu heiß.« Es klingt doch stark nach Habecks Welt: Kreuzfahrtschiffe fahren mit Flüssiggas, Väter sitzen für die Grünen im Bundestag, Mitschü­lerinnen engagieren sich bei Fridays for ­Future und coole Bauern setzen auf Windräder.

Wirklich schön ist Habecks/Paluchs einziger Liebesroman: Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf. Der männliche Protagonist, Robert, ist tot, ertrunken vor Málaga, als er Rotorblätter für eine Windkraftanlage nach Zypern verschiffen wollte. Die Geschichte ihrer Liebe erzählt seine Frau, nun Witwe mit kleinen Kindern allein im gemeinsamen Haus an der Nordsee. Ihren geliebten Mann beschreibt sie so: »Robert dagegen war jemand, der mit seiner Meinung lange hinterm Berg hielt und vieles nicht aussprach. Nicht aus Rücksicht, sondern aus Bequemlichkeit. Sein Nicken und höfliches Verschweigen war eine Missachtung seines Gegenübers, dessen Meinung und Haltung ihn im Grunde nicht interessierte.«

Ich bin froh, dass wir das bis hierhin durch­gehalten haben mit der strikten Trennung von Autor und Werk. Sie können jetzt loslassen.