Sind Kinder eine Klimasünde?

Man kann berechnen, wie viel CO2-Emissionen gespart werden, wenn man keinen Nachwuchs zeugt. Aber sollte man das?

Illustration: Serge Bloch

»›Ein Kind ist das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann‹, meint die Autorin Verena Brunschweiger. Jedes ungeborene Kind bedeute eine CO2-Einsparung von rund fünfzig Tonnen im Jahr. Die Aussage schockiert mich. Bedeuten Kinder nicht mehr als diese Rechnung? Heutige ­Kinder engagieren sich gegen den Klimawandel. Bei meinen drei Kindern versuche ich das ökologische Bewusstsein und Handeln zu fördern.« Katja S., Konstanz

Wenn man diese Haltung konsequent weiterdenkt, müsste dies dazu führen, dass man sich so schnell wie möglich das Leben nimmt. Und wenn man nicht Hand gegen sich anlegen will, weil man zum Beispiel gegen Gewalt ist, müsste man wenigstens die Atmung einstellen. Oder einen Profikiller auf sich ansetzen, so hätte nicht nur die Umwelt etwas davon, sondern auch ein Berufszweig, der es schwer hat. Ich bin vollkommen bei Ihnen, finde es ohnehin immer problematisch, wenn jemand anderen sein eigenes Familienmodell als das einzig Wahre einreden will. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es auf der ganzen Welt auch nur eine einzige Person gibt, die sich von der Haltung dieser Autorin beeinflussen lässt, es ist also im Grunde unerheblich.

Aber warum nur eine Antwort, wenn man zwei haben kann? Ich habe Rainer Erlinger nach seiner Sicht gefragt, der diese Kolumne fast 17 Jahre lang geführt hat: »Der entscheidendere Punkt scheint mir hier die Frage zu sein, ob man CO2-Emissionen mit Menschen(leben) verrechnen darf. Ob es sich also um eine ethisch vertretbare und überzeugende Argumentation handelt. Beim Nachdenken fällt einem Kants ›Bepreisungsverbot‹ ein, und man kann überlegen, ob man nicht dagegen verstößt, wenn man Menschen(leben) mit CO2-Emissionen verrechnet, den Kindern sozusagen – in Bezug auf CO2 – einen entsprechenden ›Preis‹, hier einen negativen, zuordnet und sie damit entwürdigt. Weil man sie im Sinne Kants austauschbar macht: ›Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.‹ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, AA IV, S. 434).« Sind wir also schon zu dritt, und da haben wir Kant noch gar nicht mit hinzugerechnet.

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