Geht das vielleicht ein bisschen leiser? 

Der Nachbar unserer Leserin telefoniert oft und laut bei geöffnetem Fenster. Soll sie ihn darauf ansprechen und einen Nachbarschaftsstreit riskieren? Unsere Kolumnistin hat darauf eine eindeutige Antwort.

Illustration: Serge Bloch

»Mein Nachbar arbeitet viel im Homeoffice, und zu seiner Arbeit gehört, dass er ständig telefoniert. Seinen Arbeitsplatz hat er offensichtlich zum Fenster hin ausgerichtet, und er hat eine sehr laute Stimme. Bei nahezu jedem Wetter ist sein Fenster geöffnet, sodass ich gezwungen bin, an seinen Tele­fonaten teilzunehmen, sobald ich meine Terrassentür geöffnet habe. Ein Aufenthalt auf der Terrasse, um zum Beispiel die SZ zu lesen und dabei einen Kaffee zu trinken, ist eigentlich nicht möglich – ich verstehe jedes Wort. Kopfhörer und /oder Ohrstöpsel helfen nicht. Wir pflegen einen freundlichen, aber sehr oberflächlichen Kontakt. Ein nachbarschaftlicher Streit wäre das Letzte, was ich möchte. Man lebt einfach zu eng beieinander. Was raten Sie mir?« Isolde B., per Mail

Ja, das klingt anstrengend. Allerdings spricht wirklich nichts dagegen, bei diesem Nachbarn zu klingeln und ihn freundlich zu fragen, ob er nicht während seiner Telefonate sein Fenster schließen könnte. Oder zu bestimmten Zeiten. Wann immer es Sie eben besonders stört. Bisher ahnt der gute Mann ja gar nicht, wie sehr sein Berufsleben Sie belastet. Die Chance, dass er Ihnen daraufhin grimmig auflachend die Tür vor der Nase zuschlägt und anschließend noch lauter telefoniert, halte ich für sehr gering. Auch ihm wird etwas an guter Nachbarschaft liegen.

Und dann kommt es zwischen Menschen ja bekanntermaßen auch immer sehr auf den Ton an, in dem man etwas sagt. Je länger Sie warten und Ihren Groll mit sich allein ausmachen, desto schwerer wird es Ihnen irgendwann fallen, den richtigen Tonfall zu treffen, der eher normal, unbekümmert klingen sollte als nach allzu vielen Sorgen, die man sich schon um etwaige Reaktionen seinerseits gemacht hat. Und ihm wird es komisch vorkommen, wenn Sie ihn erst nach vielen Monaten darüber informieren, dass Sie in Ihrer Wohnung jedes seiner Telefonate mit wachsender Verzweiflung mithören. Machen Sie deshalb Ihrem Kummer ein Ende, fassen Sie sich ein Herz und klingeln Sie bei dem Mann. Seien Sie höflich, ehrlich und nicht übertrieben devot. Es ist im Interesse von Nachbarn, Lösungen zu finden, mit denen alle gut leben können. Denn natürlich ist das enge Zusammenleben von Fremden, die miteinander nichts weiter teilen als die Adresse, eine Zumutung. Aber wenn Sie nicht aufs Land ziehen wollen, in ein alleinstehendes Haus, was natürlich auch eine Möglichkeit wäre, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als zu handeln. Sollte Ihr Nachbar unverschämt reagieren, schreiben Sie gerne wieder. Dann folgt Teil zwei.