Das Netteste an der ganzen netten Geschichte war ja erst mal das Gesicht von Pharrell Williams (ab Min 18:24). Da saß er also in einem teuren Musikstudio, neben ihm eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, sie hatte ein Lied aufgenommen, es »Alaska« genannt, ein sanfter House-Rhythmus, dazu leiser, feenhafter Gesang, das Lied lief gut dahin, verblüffend rund, professionell gemacht und dabei sehr berührend, und irgendwie wurde es mit jedem Takt immer noch besser, noch dichter, noch ergreifender. Die junge Frau wiegte sich im Takt ihres Liedes, und Pharrell, der große Pharrell, die Hitmaschine, der Alles-Könner, der immer lässige Oberchecker: Er lächelte, schluckte, und schließlich grinste er hilflos, er schaute wie ein Mann, der nicht glauben kann, was ihm da gerade wiederfährt. Das war der Moment, in dem klar war: Von Maggie Rogers werden wir noch hören.
Maggie Rogers hatte im Frühjahr an einem Kurs des New Yorker Clive Davis Institute teilgenommen, bei dem junge Musiker ihre Lieder produzieren und bekannten Experten vorspielen konnten. Pharrell Williams besuchte die Masterclass und konnte sich kaum beruhigen, so sehr begeisterte ihn Maggie Rogers' Lied. Es sei für ihn wie eine Droge, sagte er.
Bei dem Treffen entstand ein Abschlussvideo, es steht seit Anfang Juni im Internet. Seitdem wurde es fast zwei Millionen Mal angesehen. Menschen auf der ganzen Welt schnitten die entscheidende Szene aus dem Video, teilten sie bei Facebook, mit Kommentaren, in denen es um Gänsehaut und Tränen und Kaum-zu-glauben ging. Inzwischen hat Maggie Rogers ihr Lied auf Soundcloud gestellt - noch mal 1,4 Millionen Klicks. Außerdem eine Million Hörer auf Spotify. Und 100.000 neue Follower auf Facebook. Bombe.
Umgehend melden sich die Plattenfirmen, bieten ihr Verträge an. Die Frage ist nur: Was hätte sie jetzt überhaupt davon? Wenn sie jetzt einfach Songs aufnimmt und sie ihren Fans für einen gewissen Betrag zum Download anbietet - das wäre direkter, fan-freundlicher und weitaus zeitgemäßer als eine CD-Veröffentlichung nach den Regeln des 20. Jahrhunderts.
So ähnlich sieht das auch Maggie Rogers. Sie sitzt gerade in ihrem Kinderzimmer, sie wohnt noch bei ihren Eltern in der Provinz, in Maryland an der US-Ostküste. Einem amerikanischen Musikmagazin hat sie erzählt, der Gedanke, sie könnte jetzt für immer »das Pharrell-Mädchen« sein, gefalle ihr nicht so gut. Was sie dann weiter erklärte, war cool: »Am Ende steht Pharrell erst mal nur für ein Paar Ohren. Kann doch sein, dass er etwas mag, und genau das hasst meine Mutter. Macht zwei Meinungen. Bei Musik geht es darum, Menschen auf einem persönlichen Level zu erreichen – Ohrenpaar für Ohrenpaar.«
Die Songs für ein Mini-Album hätte sie beisammen, sie überlegt, ob sie noch ein Video zu »Alaska« drehen soll. Aber erst mal muss das alles warten, denn jetzt – Plattenbosse, setzt euch wieder in eure Sessel – kommt erst mal eine ausgiebige Europa-Reise. War schon länger geplant, als kleine Belohnung nach dem Schulabschluss. Ist wichtiger jetzt. Und während demnächst Maggie Rogers mit dem Rucksack irgendwo an einem spanischen Bahnsteig oder auf einer italienischen Piazza steht, summt in Los Angeles Pharrell Williams immer noch die Melodie vor sich hin, die ihm da neulich in New York so ein ungläubiges Grinsen ins Gesicht gezaubert hat.
Erinnert an: Dido.
Wer kauft das? Das ist ja das Schöne: Gekauft, für Geld, haben es bisher nur wenige. Trotzdem ist es ein echter Hit. (In einer früheren Version des Texts stand an dieser Stelle, es habe noch niemand das Lied gekauft – das war ein Irrtum.)
Was dem Song gut tun würde: Dass Maggie Rogers bald richtig Geld verdient, von ihrer Musik leben und noch viele weitere Songs produzieren kann.