Ende Januar entsorgte eine Reinigungskraft in der Mannheimer Philippuskirche die Installation »Behausung 6/2016«. Das Kunstwerk sei »als Einheit deutlich zu erkennen gewesen«, beklagte sich dessen Schöpferin Romana Menze-Kuhn anschließend beim Spiegel – und handelte dann ganz pragmatisch. Den Mülleimer mit den Resten des Kunstwerks nannte sie »Behausung 6a/2016«, stellte ihn an der gleichen Stelle wieder auf und rettete so die Ausstellung.
Dass Hauswirtschaft und Gebäudemanagement anderen Regeln folgen als die Kunst, zeigt auch der Klassiker unter den weggeputzten Kunstwerken: Joseph Beuys Fettwanne. Zwei Mitglieder des Ortsverbands der SPD Leverkusen-Alkenrath entdeckten sie 1973 bei einem Fest im Museum Schloss Morsbroich. Wie gemacht, um darin Geschirr zu spülen, dachten sie sich – und brachten das mit Pflastern, Mullbinden und Fett verzierte Werk auf Hochglanz. Der geschätzte Schaden: 80 000 D-Mark.
Fast wie eine Hommage wirkt das Vorgehen einer Putzfrau, die im Dortmunder Museum Ostwall für Ordnung zu sorgen glaubte. Doch der Kalkfleck, den sie 2011 aus einem Gummitrog schrubbte, war Teil einer Installation von Martin Kippenberger. Immerhin war das Werk versichert: auf 800 000 Euro.
Etwas anders verhält es sich mit der Reinigungskraft, die 2005 in der Londoner Tate Britain ein Werk des Künstlers Gustav Metzger in den Müll warf. Dass sie das Werk durchaus verstanden hatte, fiel bei der öffentlichen Empörung unter den Tisch. Der mit Papierschnipseln gefüllte Plastiksack sollte laut Metzger die »Vergänglichkeit der Kunst« darstellen.
Auffällig ist die Häufung ungewollter Kunstbeschädigungen in der jüngeren Geschichte. Daran ist auch die Postmoderne Schuld, deren Werke oft eher als Versuchsanordnungen zu verstehen sind, denn als vollendete Meisterstücke. Präsentiert wird Fragmentarisches oder »work in progress«. Kunst zu erkennen, ist deshalb nicht immer einfach. Manchmal hilft der Kontext: Umsicht ist bei Ausstellungen und in Museen geboten.
Doch nicht einmal bei der Documenta sind Werke vor Übergriffen sicher. 2007 ließ die Kasseler Straßenreinigung Fahrbahnmarkierungen der chilenischen Aktionskünstlerin Lotty Rosenfeld entfernen. Die Markierungen hatte die Künstlerin zu Kreuzen ummodelliert, um so auf Machtstrukturen hinzuweisen. Was gut als gemeinsame Performance von Stadtverwaltung und Künstlerin hätte durchgehen können, war dann leider doch nur ein Missverständnis.
Gleich mehrfach traf die behördliche Reinigungswut auch den Grafitti-Künstler Banksy. Sowohl in London als auch in Bristol und im australischen Melbourne fielen Gemälde des Briten städtischen Reinigungsteams zum Opfer.
Manchmal ist es aber auch Unachtsamkeit, die zur Zerstörung von Kunstwerken führt. Sie macht auch vor alten Großmeistern nicht halt: Bilder einer Überwachungskamera zeigen 2015 einen jungen Mann, der mit einem Becher in der Hand durch ein Museum in Teipei, Taiwan, schlendert. Als er ausrutscht, stützt er sich reflexartig an einem Gemälde ab, dessen 350 Jahre alte Leinwand sofort nachgibt. Vor dem Zwischenfall wurde das Bild des italienischen Künstlers Paolo Porpora auf 1,5 Millionen Euro geschätzt.
Das Video steht für einen weiteren Erklärungsansatz, wenn es um die wachsende Zahl irrtümlich zerstörter Kunstwerke geht: Dank der sozialen Netzwerke kann heute nämlich die ganze Welt mitlachen, wenn Reinigungskräfte Großmeister entsorgen oder Museumsbesucher durch Leinwände krachen.
Ähnlich erging es dem amerikanischen Milliardär Steve Wynn, der 2006 ebenfalls ein Loch in ein millionenschweres Gemälde riss. Gerade hatte er einen Käufer für Picassos »Le Rêve« gefunden. Für 139 Millionen US-Dollar sollte das Bild den Besitzer wechseln. Als Wynn das freudige Ereignis vor Journalisten verkündete, stieß er aus Unachtsamkeit mit dem Ellenbogen ein Loch in die Leinwand. Der Deal platzte – was Wynn automatisch zum Besitzer des teuersten Lochs der Kunstgeschichte machte. Erst 2013 fand er einen neuen Käufer.
Es gibt allerdings auch Menschen, die sich ganz pragmatisch gegen die Kunst entscheiden. Die Bewohner einer Arbeitersiedlung in Polen ließen 1952 ein Wandgemälde entfernen, das Pablo Picasso dort während eines Besuchs hinterlassen hatte. Vier Jahre lang hatten Kunstliebhaber das Viertel besucht, ehe die Bewohner genug hatten vom Ansturm der Bohème.
Aus allen Fällen ragt der einer betagten Spanierin heraus, die sich bewusst und aus edlen Motiven ganz praktisch mit Kunst auseinandersetzte. In einer Kirche in Borja restaurierte die 80-Jährige eigenhändig die Jesus-Freske »Ecce Homo« des Malers Elías García Martínez. Dem Zerfall des Ölbildes hatte sie nicht länger zusehen wollen. Nur das Resultat hatte am Ende nicht mehr viel mit gängigen Jesusdarstellungen gemein. Kommentatoren fühlten sich eher an einen Bären erinnert.
Aus Sicht der Künstler haben die Kunstzerstörungen zumindest einen positiven Effekt: Manchmal machen sie Werke bekannt, die sonst nie eine Weltöffentlichkeit erreicht hätten.