Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als ich im Bett auf jedes Geräusch von draußen geachtet habe, versuchte abzulesen, wie das Wetter wohl sein würde. Wie klingen die Autos? Fahren sie langsam? Sind die Schritte der Passanten gedämpft oder machen sie »Klock«, hört man es schmatzen und spritzen oder zwitschern die Vögel einem, dass der Himmel heute blau ist? Wie aufregend war das, zumindest für einen verschlafenen Morgen, direkt nach dem genauen Hinhören nachzusehen, ob ich recht behalten sollte, und zwar mit einem geübten Handgriff: Vorhang zur Seite ziehen.
Während ich aber heute früh den Geräuschen lauschte, griff ich nach meinem iPhone, ich entsperrte den Bildschirm und kniff dabei die Augen zusammen, weil es so hell rausleuchtete.
Es hatte offensichtlich geschneit. Bei Facebook und Instagram waren Münchens Straßen weiß, Zweige vor dem Fenster gezuckert, Freunde hatten auf dem Weg zum Kindergarten Schlittenberge fotografiert, die Krokuswiesen waren zugedeckt und mein kleines Ritual war plötzlich ersetzbar geworden. Welchen Grund hatte ich jetzt noch, morgens rauszugucken? Im wahrsten Sinne des Wortes war mein Fenster zur Welt plötzlich das Smartphone. Ich schloss die App, stand auf, zog den Vorhang zur Seite.
Vor meinem Fenster Schneematsch, keine Spur von einer dicken weißen Schicht, es sulzte, spritzte, schlonzte. Enttäuschung. Im Telefon hatte das doch alles ganz anders ausgesehen, und jetzt? Keine Spur von Schneeromantik. Und da war er plötzlich wieder: der Grund, morgens doch noch aus dem Fenster zu schauen.