Sssssssüß!

Können Stechmücken niedlich sein? Nur auf den Verpackungen jener Mittel, die sie bekämpfen sollen.

Der Kampf Mensch gegen Mücke ­gehört zu den großen Auseinandersetzungen der Geschichte und wird jede Sommernacht aufs Neue ausgefochten. Es geht um alles. Die Mücke will Blut sehen, der Mensch will die Mücke tot ­sehen, denn nur dann lässt sich weiterschlafen, zumindest so lange, bis sich das nächste Tier mit seinem hohen Summen nähert. Die Verletzungen, die so eine Stechmücke zufügen kann, sind bekanntlich lästig, aber überschaubar. Schwerer wiegt ihre psychologische Kriegs­führung. Die Vorstellung, ständig umschwirrt und im Schlaf gleich genüsslich angezapft zu werden, ist schwer auszuhalten. Deshalb also kommt es allabendlich zu komischen Szenen in den Schlafzimmern, mit kampfbereit gerollten Einrichtungsmagazinen und pyjamierten Eheleuten, die zur gemeinsamen Drückjagd westlich vom Kleiderschrank ausrücken.

Wenn die Mücke diese Attacken auch oft nicht überlebt, so schafft sie es davor doch, dass die Menschen sich lächerlich machen, sie wild fuchtelnd die Beherrschung verlieren oder dass sich die Krone der Schöpfung ­sogar müde und gedemütigt unter der Bettdecke versteckt. Vielleicht rührt es aus dieser heimtückischen kleinen Überlegenheit, dass man mittlerweile geneigt ist, der Stech­mücke ein gewitztes Profil zuzusprechen. Zumindest sieht es auf Anti-Mückensprays und sonstigen Schutzmitteln gegen die Tiere heute so aus – lauter Illustrationen, die das Insekt als fies-fröhlichen Plagegeist skizzieren, als nahezu niedlichen Gegner: großäugig mit lustig gezücktem Stachel. Ein Wesen, kurz davor, seine eigene Zeichentrickserie zu bekommen, Mighty Midge oder so.

Eine seltsame Entwicklung. Es gibt ja kaum Tiere, die weniger zur Vermensch­lichung taugen als die spindelbeinigen, gesichtslosen Mücken. Ameisen, Wespen und vielleicht sogar Schnecken könnte man sich als heimliche Helden noch besser vorstellen als die winzigen Stechdrohnen, die so stoisch und ungerührt ihrem rätselhaften Lebenszweck nachgehen. Was weiß man denn von der Stechmücke, außer dass sie im Wasser schlüpft, schneller zusticht, als man »Hey!« sagen kann, und tagelang juckende Souvenirs hinterlässt?

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Diese große Artfremdheit war immer sehr hilfreich, wenn es darum ging, die Mücke ­final zu klatschen. Selbst dezidiert tierliebe Menschen nehmen sich in besagten Schlafzimmersituationen ja die Lizenz zum Töten heraus, weil das Tier so gar nichts Liebenswertes an sich hat. Das trägt man nicht, wie eine Spinne, im Glas auf den Balkon oder scheucht es wie eine Brummfliege aus dem Fenster. Jetzt aber hat man dank der neuen Verpackungsdesigns ein beinahe liebes Sauge­tier vor Augen, eine Art David, der einen übermächtigen Goliath piesackt. Der Goliath ist man selbst, und das will niemand gern sein. Süße Moskitos, demnächst auch als ­Kuscheltier? Das geht komplett in die falsche Richtung. Lieber sollten auf die Packung Schockbilder, wie man sie von Zigaretten kennt – dicke Stichbeulen, geschwollene ­Lider, punktierte Oberschenkel. Das wäre die richtige Propaganda für die nächste schlaf­lose Nacht.