Liebe zukünftige Lieblingsfrau,
ich habe mit einer Frau geschlafen. Es war schön. Es war merkwürdig. Es war – ich weiß nicht, wie ich es besser sagen soll – gleichzeitig richtig und falsch. Und gleichzeitig wichtig und dann wieder nicht. Du siehst schon, das wird kompliziert hier. Darf ich es erklären?
Ich habe mehr als zehn Jahre lang mit keiner anderen Frau geschlafen als meiner. Nicht, weil ich heilig bin, sondern wie Paul Newman gesagt hat: Warum sollte ich auswärts einen Burger essen, wenn ich ein Steak zuhause hab? Ich war sehr verliebt und hatte wahnsinnig viel Glück, bis ich plötzlich keins mehr hatte. Es war einfach. Jetzt ist es schwer.
Aber es war schön, dieses neue erste Mal, wirklich, und es war merkwürdig, weil es sich trotz allem ein bisschen angefühlt hat, als würde ich meine Frau betrügen. Das klingt bescheuert, oder? Aber es fühlte sich ein klein wenig an, als würde ich mich zu etwas überwinden müssen, was ich eigentlich nicht tun wollte, was noch viel bescheuerter ist, weil ich es wahnsinnig gerne wollte. Und es war so fremd.
Ich hatte irgendwie verdrängt, dass jeder Körper eine andere Grundspannung hat, jede Haut eine andere, wie soll ich das sagen, Elastizität, Textur, eine andere Weichheit. Eher kühl und glatt wie Seide, oder warm und tief wie Samt. Es gibt wenig fremderes als einen nackten Körper, den man zum ersten Mal berührt, und wenig intimeres als gemeinsam geil zu sein. Fremd und intim, zwei Extreme, und sie sind weit, weit voneinander entfernt. Es sind wunderschöne Orte, versteh mich nicht falsch. Fremd ist aufregend, und intim ist es noch viel mehr, was ich sagen will ist nur: Ich hatte sie lange nur zusammen mit der größten Nähe, die ich je erlebt habe, und ich wusste in Wahrheit nur noch theoretisch, dass Nähe mit Intimität nicht unbedingt zu tun hat.
Jede Nähe ist wie ein eigenes Wesen, keine wie die andere, und diese Nähe hier war ein schönes Wesen, aber fremd. Du kannst über einen anderen Menschen denken: »Es ist, als würden wir uns schon immer kennen«. Oder, im Gegenteil: »Es ist so aufregend neu und rätselhaft«, oder beides auf einmal, aber nichts davon erklärt, wie nah man sich fühlt, und wie sich die Nähe anfühlt.
Es ist ja kein Typ Frau, den ich suche. Ich wünsche mir dich nicht klein oder groß oder blond oder dunkel oder als Stripperin mit einem Doktortitel in Quantenphysik. Ich suche keinen Typ Frau. Ich suche einen Typ Nähe.
Kennst du das, wenn ein anderer Mensch dich findet? Sicher kennst du das: Wenn du plötzlich die beste Version von dir selbst bist? Wenn du gar nicht mehr auf die Idee kommen könntest, dich zu verstellen, weil nichts, was du vorgäbest zu sein, besser sein könnte als das, was du einfach bist? Ich habe mein halbes Leben lang gedacht, Friends wäre die überschätzteste Fernsehserie aller Zeiten, bis ich sie zum ersten Mal im Original auf Englisch gesehen habe, und plötzlich war sie eine der lustigsten, die je gedreht wurden. Ich wünsche mir noch einmal so eine Nähe, die macht, dass ich in meiner richtigen Version lebe, in meiner Originalfassung. Und du musst gar nichts dafür tun, du müsstest nur da sein. Und ich müsste das gleiche für dich sein.
Und dann würden wir übereinander herfallen, bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit, dem Leben Momente stehlen, Stunden, Nächte, und würden uns wahnsinnig machen. Ich würde hören, wie dein Atem schwer wird, und deine Haut an meiner spüren, dich fühlen und riechen und schmecken, und wir wären an einem Ort, du und ich und die einzigartige Nähe, geil und glücklich. Einfach nur da, aber vor allem: ganz und gar.
Kommst du mit?
Foto: Stephanie Pfaender