Liebe zukünftige Lieblingsfrau,
ich war mit den Buben aus. Wir gehen alle paar Wochen essen, manchmal überwiegend flüssig. Einer von uns ist ausgewandert nach Ibiza, deshalb sind wir im Moment nur zu viert. Wenn und falls er wiederkommt, wird es sein, als wäre er nie weggewesen. Wir machen das seit fast 30 Jahren – wir sind schon zusammen aufgewachsen –, da macht es nichts, wenn man mal ein paar Jahre fehlt.
Ich kam als letzter in die Kneipe um die Ecke von meiner Wohnung, weil ich Tochter Nummer zwei noch ins Bett bringen musste. Ich weiß nicht warum, aber es rührt mich jedesmal, dass sich alle erheben, wenn einer dazukommt. »Buuube!« Wir umarmen uns. Und nennen uns Bube. Jeder jeden. Mit langgezogenem, tiefem U. »Habt ihr schon ...?« Ich deutete mit dem Finger in Richtung Tresen. »Der Bube hat für dich mitbestellt.« Dieser Satz ist die Zusammenfassung der schönsten Gesellschaftsform der Welt.
Du wirst die Buben irgendwann kennenlernen. Das wird kein großer Akt, es wird keine Sitzung geben, und bei Bubentreffen gibt es sowieso keine Gäste. Mit ziemlicher Sicherheit wirst du sie nicht gleichzeitig sehen, denn sonst sind wir selten alle zusammen am gleichen Ort, außer bei Hochzeiten. Einmal bei einer Beerdigung. Wir müssen schon gemeinsam auf Partys gewesen sein, aber das ist Jahrzehnte her, irgendeiner kann immer nicht. Und irgendwo in der Umgebung des Bredenbeker Teichs liegt noch eine Hose von einem Vatertagsausflug vom Ende der Neunzigerjahre, aber wie das eigentlich passiert ist, weiß niemand mehr genau. Du wirst mehrere Versionen hören, es stimmt sicher keine. Aber in einem Punkt wird es Einigkeit geben: Die Buben werden dich mögen. Weil ich dich mag. Wir hinterfragen uns nicht gegenseitig.
Manchmal frage ich mich, was das Geheimnis dieser Art von Beziehung ist. Die einfache Antwort ist wahrscheinlich, dass wir so wenig voneinander verlangen. Die Buben sind ein Hafen und eine Herzensheimat, einfach nur, weil sie sind. Warum klappt das sonst so selten?
Wir haben gesessen und geredet, über die Welt und darüber, wer mit wem schläft und wer mit wem nicht mehr. Über den verdammten HSV. Über Kinderkrankheiten, nachträgliche Steuervorauszahlungen und darüber, wie man am sinnvollsten aus einem Segelboot pinkelt. Irgendwer bestellte Schnaps, im Zweifel ich, und vielleicht war es die Wärme des Alkohols oder der Moment, in dem eine Nacht eine Welt ist, die losgelöst von vorher und nachher einfach nur jetzt ist, ganz doll jetzt, aber ich musste an dich denken und daran, was ich nie mehr möchte: diesen Glauben, der alle Paare um mich herum zerfrisst, dass der andere doch nur dieses machen müsste oder jenes, dann wäre man glücklich – immer der andere, so als hätte Liebe ein Preisschild, und wer sie annimmt, wäre zur Zahlung verdammt. Ich will mich verschenken. Aber es ist wahnsinnig schwer.
»Eine Runde noch!« Irgendwann ist jede Runde die eine letzte, die noch geht, so jung kommen wir nicht mehr zusammen, und was man noch so alles sagt, wenn man alt genug ist, um es besser zu wissen, aber auch längst gelernt hat, dass Wissen zwar Macht ist, aber noch lange nicht Machen. Manchmal muss man einfach tun: sich verschenken, sich freuen über alles, was man bekommt, ohne es zu erwarten. Hier sitzt sie doch in dieser Runde, die reine Freude hier zu sein mit den Jungs, die für mich die besten der Welt sind. So wie du das Beste der Welt für mich sein wirst. Ich weiß doch, wie es sich anfühlt.
Später, auf dem Weg nach Hause, habe ich mir vorgestellt, wie wir zusammen ausgehen. Lachen. Schnäpse trinken und die Wärme spüren. Wie wir einfach nur sind – zusammen sind.
Michalis Pantelouris liest am 25. Juni 2017 in der Loretta Bar in München aus seiner Kolumne. Einlass ab 18.30 Uhr.
Foto: Stephanie Pfaender