Die Spritze mit dem Spendersperma, das sterile Behandlungszimmer, die sachliche Ärztin – das war alles so unromantisch, so wenig feierlich. Darum hatte Kate Elazegui ein Lied mitgebracht. Als die Ärztin ansetzte, den Samen in Kates Vagina zu injizieren, gab sie ihr das vereinbarte Handzeichen, Kate drückte auf die »Play«-Taste, lehnte sich zurück und hörte: Eye Of The Tiger.
Frühjahr in New York, 2015. Ein halbes Jahr lang hatte Kate das Lied wieder und wieder gespielt – »Dont lose your grip on the dreams of the past. You must fight just to keep them alive«. Vergeblich. Kate war 39 Jahre alt, und ihr Körper wollte wohl nicht mehr schwanger werden, trotz Tausender Dollar für die Hormonbehandlung. Beim ersten Besuch der Kinderwunsch-Ambulanz, inmitten all der sehnlich auf ein Kind hoffenden Paare, hatte Kate mit ihrer Ehefrau Emily noch gescherzt: »Wir haben es gut, die haben nur eine Vagina – wir haben zwei.« Aber jetzt lief auch ihnen die Zeit davon.
Die Ärztin drängte dazu, nicht einmal mehr Kates letzte, schon bezahlte Insemination abzuwarten. »Wir sollten stattdessen sofort bei Emily anfangen, jeder Tag zählt.« Emily, 36, war drei Jahre jünger als Kate, die Chancen auf eine Schwangerschaft schienen noch gut zu stehen. Moment, fragten Kate und Emily aber erschrocken, könnten wir dann nicht beide schwanger werden? »Sehr, sehr unwahrscheinlich«, sagte die Ärztin, »denn bei Ihnen, Kate, habe ich kaum mehr Hoffnung, und es ist wenig wahrscheinlich, dass Emily sofort schwanger wird.«
Aber Emily wurde sofort schwanger. Es war März 2015. Kate freute sich sehr darüber, natürlich – und weinte doch in der ersten Nacht nach der großen Neuigkeit. Vor Eifersucht. Doch kurze Zeit später kam aus der Ambulanz eine weitere große Neuigkeit: Glückwunsch, jetzt sind Sie beide schwanger.
Und so sah Kate in den folgenden neun Monaten zu, wie sich Emily veränderte: wie ihr Bauch wuchs, die Brüste, selbst die Füße. Seltsam, erstaunlich, anstrengend. Und Emily sah zu, wie Kate sich veränderte. Bei dem Geburtsvorbereitungskurs im achten Monat kriegten sie, beide kugelrund, keine der Partnerübungen hin.
»Es war schön, dass Emily ganz genau nachvollziehen konnte, wie anstrengend mein Tag war«, sagt Kate heute. »Aber vergiss es, dass sie dir die Füße massiert, weil, verdammt noch mal, ihre Füße tun genauso weh!« Ihre beiden Bäuche wurden zu dick, als dass sie einander in den Arm nehmen konnten. Schwangerschaftskissen lagen zwischen ihren Bettseiten wie eine Mauer. Einen Umzug mit Kistenschleppen und Wändestreichen schafften sie noch. Dann kamen die Wehen, Anfang Dezember 2015.
Zuerst bei Emily. Sie hatte Glück, die Geburt verlief schnell. Die hochschwangere Kate stand hinter ihr im Kreißsaal und rief: »Pressen! Pressen!« Darauf schien auch ihr eigener Körper zu reagieren, und vier Tage später lag sie da, drei Wochen zu früh. Diesmal hielt Emily die Hand, feuerte an, sprach Mut zu, ihr T-Shirt wurde nass, Milch schoss ein, Emilys Säugling Reid lag im Nebenzimmer. Kates Geburt wurde schwierig, das Baby kam blau zur Welt, die Nabelschnur um den Hals. Emily bangte um ihre Frau und das Kind, ihr Körper vergaß darüber für eine Weile seine eigenen Strapazen.
Doch die Ärzte retteten Eddie: Alles gut. Reid und Eddie haben denselben anonymen Vater und zwei Mütter, die sich fest vornehmen, beide Kinder gleich stark zu lieben. Geht das? »Ganz ehrlich? Mein Beschützerinstinkt ist ein kleines bisschen größer für Eddie«, sagt Kate, »ich habe ihn ja neun Monate ausgetragen.« Und Eddie beruhigt sich schneller, wenn Kate ihn hochnimmt. Obwohl Emily beide Babys an die Brust nimmt, weil Kate beim Stillen Probleme hat.
Wenn eines der Kinder nachts schreit, geht die Mutter hin, die natürliche. Aber beide machen sich Sorgen um beide. Es ist verrückt. Und wunderschön zugleich. Also wie bei allen anderen Eltern.
Illustration: Marion Fayolle