Der Fremde in mir

Sich verkleiden, verwandeln, ein anderer werden: Der Schauspieler Peter Simonischek geht ganz darin auf.

Auch diese Bilder zeigen: Peter Simonischek begreift sich als Bühnenschauspieler. Einer der einfachen Theatertricks ist ja die Verkleidung. Vielleicht kein Zufall, dass er die Rolle des Vaters in Toni Erdmann, die sein größer Filmerfolg bisher ist, verkleidet spielt, mit künstlichem Gebiss und einer verfilzten Perücke.

»Ein Theaterschauspieler ist mir irgendwie näher als ein Filmschauspieler«, hat er mal gesagt, als er längst beides war: »Weil er jeden Abend über einen Berg marschiert, über eine Angst. Sie stehen um halb acht vor einem riesigen Berg – und Sie müssen nicht außenherum, sondern drüber.«

Als im vergangenen Jahr Maren Ades Film Toni Erdmann lief und so viel Lob bekam wie lange kein deutscher Film mehr, freuten sich alle auch sehr über die späte Karriere des Schauspielers und Vaterdarstellers Peter Simonischek. Er wurde im selben Jahr siebzig, das traf sich natürlich gut. Aus Simonischeks Sicht allerdings währt seine Karriere natürlich schon sein ganzes Berufsleben. Er war zwanzig Jahre lang im Ensemble der Schaubühne Berlin, beim Intendanten Peter Stein hat er gelernt, was er kann. Stein, der Stückeforscher, nahm nie den leichten Weg, sondern zerlegte die Stücke, betrachtete die Einzelteile genau und setzte sie sorgfältig wieder zusammen. Seit 17 Jahren ist der Österreicher Peter Simonischek, der 1946 in Graz geboren wurde, nun Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Er ist also in 37 Jahren ohne Pause Teil eines Ensembles gewesen. Ein Teammensch. Er sagt, als Internatskind brauche er die Gemeinschaft.

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Kein Schauspieler hat öfter als Simonischek den Jedermann in Salzburg gespielt, in seinen Augen das »Urbild von Theater«. Von 2002 bis 2009 schlüpfte er jeden Sommer in die berühmte Rolle, während die Buhlschaften einander ablösten: Veronica Ferres, Nina Hoss, Sophie von Kessel. Knapp hundert Vorstellungen waren das, dann reichte es auch ihm.
Doch bei aller Hingabe zum Theater ist es nicht so, als hätte Peter Simonischek sich nicht sehr gefreut über den Erfolg von Toni Erdmann. Als er den fertigen Film zum ersten Mal sah, stupste er seine Kollegin Sandra Hüller an, im Film seine ehrgeizige Tochter, und sagte: »Verdammt, wir haben einen guten Film gemacht.« Das passiert ja nicht alle Tage, und beim Film weiß das ein Schauspieler auch erst, wenn der Regisseur mit der Nachbearbeitung durch ist. Ein Schauspieler ist sowieso abhängig von einem, der ihm ein Stück schafft, ein Bühnenbild, eine Regie, einen Film.

Toni Erdmann
soll nun in den USA neu verfilmt werden, mit Jack Nicholson als Vater. Als er gefragt wurde, ob er die Rolle in Hollywood gern selbst gespielt hätte, wehrte Simonischek ab. Diese Lektion habe er gelernt, als er zum ersten Mal beim Tontaubenschießen gewesen sei und von 15 alle 15 getroffen habe. »Da geht man kein zweites Mal hin, denn besser wird’s nicht.«

Die ganz großen Preise hat Toni Erdmann dann doch nicht bekommen. Nicht in Cannes, auch nicht den Oscar. Aber beim Europäischen Filmpreis hat er abgeräumt, bester Film, beste Regie, beste Darstellerin, bester Darsteller, bestes Drehbuch. Am Abend der Verleihung kam eine junge Frau zu Peter Simonischek, hielt ihn am Ärmel fest und sagte: »Ich möchte Ihnen danken. Ich habe eine ganz schreckliche Beziehung zu meinem Vater. Wir haben sieben Jahre nicht mehr miteinander gesprochen. Aber nach dem Film habe ich ihn angerufen und zum Abendessen eingeladen.« Da hat er sich gedacht, das ist eigentlich genauso toll wie ein Preis: wenn man Menschen wirklich erreicht.

Peter Simonischek / Management Goldschmidt Renate Landkammer, Haare / Make-up: Sabine Reiter / www.craft-up.com, Fotoassistent: Stefan Gremel, Stylingassistent: Nelson Heinemann, Produktion Wien: Babette Kirner, Locations: Casino Wien, www.wien.casinos.at, Hotel Orient, www.hotel-orient.at

Fotos: Robert Fischer; Styling: Caroline Bucholtz