Diesen Winter tragen wir Pelz. In den Kollektionen wurden so viele Felle verarbeitet wie lange nicht mehr: Kaninchenstulpen an den Handschuhen, Kojotenflausch an der Kapuze, eine wärmende Zobelweste unter dem Wollmantel – auch Kleider ganz aus Nerz wurden auf den Modeschauen gezeigt. Wie Fabelwesen sahen die Models aus, inszeniert für eine andere, prächtige Welt – dank der Verführungskraft von Pelz.
Abseits der Laufstege lebe ich ganz gern in der realen Welt, und so entsteht ein kleines Problem – der Zauber der Kleider dringt nicht zu mir durch. Ich frage mich: Wer, bitte, will heute all diese toten Tiere anziehen? Noch vor Kurzem war das Buch Tiere essen von Jonathan Safran Foer über den Weg des Autors zum veganen Leben ein Bestseller. Fleischkonsum ist so unschick geworden, dass sogar McDonald’s erste fleischfreie Filialen eröffnet. Nur die Modebranche schafft es nicht, das einzulösen, was eigentlich ihr Versprechen ist: ganz weit vorn zu sein und gesellschaftliche Entwicklungen abzubilden. Das Naturprodukt Fell muss noch dazu mit extrem harten Chemikalien behandelt werden, bevor es sich in ein Luxusprodukt verwandelt. Selbst Autoherstellern gelingt es inzwischen, sparsamere Modelle herzustellen und zu verkaufen – wer so tut, als ob es ohne Pelz nicht gehe, ist schlichtweg unglaubwürdig.
Beschwerden über die vielen Felle sind kaum zu hören. Vielleicht, weil in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit die Dekadenz in der Mode wuchert? Vielleicht schweigen auch deshalb alle, weil die Pelzdiskussion schon immer unsympathisch und wenig effektiv war. Vor zwanzig Jahren klebten Plakate mit blutüberströmten Tieren in allen U-Bahnhöfen. Sie waren so abschreckend, dass man die Kampagne für bescheuert hielt und nicht die Pelzmantelträger. Später ließen sich dann Naomi Campbell und andere Supermodels für eine Tierschutzorganisation fotografieren. Der Slogan: »Lieber nackt als im Pelz«. Alle interessierten sich für die nackten Models, aber dass es um Pelz ging, interessierte niemanden.
Viele Modehäuser legen inzwischen Wert auf zertifizierte Pelze, die Felle stammen nachweislich aus europäischen Farmen, die auf vorschriftsmäßige Haltung Wert legen. Aber mir helfen Gütesiegel nicht: Ich wäre froh, wenn die Designer aufhören würden, mir ständig Pelz einreden zu wollen. Am Entschluss, immer noch Schuhe und Taschen aus Leder zu tragen, habe ich genug zu knabbern.
Die Modeindustrie verschließt sich der Erkenntnis, dass ökologisches Bewusstsein längst zum Lifestyle gehört. So haben wir in den letzten Jahren das Handwerk wiederentdeckt, unser Alltag ist voll mit Dingen, die wir lieben, weil wir ihre Geschichte bis ins kleinste Detail kennen. Der maßgefertigte Wohnzimmertisch oder die selbst gezogenen Karotten zum Mittagessen. Die Mode begnügt sich damit, uns gut auszusehen zu lassen, es zählt nur der Look. Wie der hübsche Mantel entstanden ist – egal. Dabei geht es nicht darum, ob man Pelz schön findet oder nicht. Sondern darum, dass man eine Haltung für das eigene Leben findet. Und eine Konsequenz daraus zieht.
Illustration: Richard Haines; Foto: Jöni/photocase.com