Mit einem kapitalismuskritischen Street-Art-Künstler über die Schönheit von sehr teuren Handtaschen zu sprechen, stellt man sich im ersten Moment so passend vor wie den Versuch, auf Latein zu flirten. Doch das täuscht, zumindest im Fall des US-Amerikaners Thrashbird. Dessen Arbeit soll zwar ein kritischer Kommentar zur Luxusmodeindustrie sein, aber er hat vor vielen Designern Respekt: »Es waren große Künstler, die diese Modeunternehmen einmal gründeten.« Etwas ästhetisch zu bewundern und gleichzeitig normativ abzulehnen, ist ein Widerspruch, doch muss man Widersprüche immer auflösen? »Wir stehen bestimmten Dingen oft mehrdeutig gegenüber«, sagt er. »Etwas kann uns stören und gleichzeitig erfreuen.«
Thrashbird lebt in Los Angeles, viel mehr möchte er über sich nicht preisgeben. »Es soll um die Botschaft gehen«, sagt er. »Der Künstler steht nicht im Fokus.« Sein Künstlername, erklärt er, sei eine Wortschöpfung aus seinem Unbehagen mit den Übeln der Gesellschaft – »to thrash« kann »durchdiskutieren« bedeuten, »ausarbeiten«, aber auch »verprügeln« – und der Anmut eines Vogels.
Um Luxushandtaschen nachzubilden, sucht Thrashbird alte Steinblöcke und verlassene Gebäude, meistens auf verwaistem Fabrikgelände. Eine der ersten seiner »concrete handbags«, wie er sie nennt, war die Chanel-Tasche mit den goldenen Autoreifen an einem alten Betonblock, von dem er vermutet, dass er auf dem Areal einer verlassenen Kalkmine steht. Das Werk entstand 2017, es folgten noch elf.
Das SZ-Magazin hat Thrashbird nun weitere ausgewählte Handtaschen nachempfinden lassen, irgendwo im Nichts der Wüsten rund um Kalifornien. Es sind Orte, an denen selten Menschen vorbeikommen, und wenn, dann gewiss nicht zum Shoppen. Er möge die Abgeschiedenheit, sagt Thrashbird. Solche Orte seien in Städten nicht recht zu finden – und böten der Street-Art eine neue Art von Bühne.
Thrashbird bezeichnet sich als »Aktivisten«, er will sich nicht damit abfinden, wie sehr sich Amerikaner heute mit Marken identifizieren. »Auf diesem Materialismus basiert unsere Selbstfindung«, sagt er: »Das hat nicht viel Substanz.«
Bevor er sich der Modeindustrie zuwandte, hatte sich Thrashbird in den vergangenen Jahren etwa mit der zunehmenden Fixierung auf die digitale Welt befasst. Seine bekannteste Figur heißt »the clone«: eine Silhouette mit Kapuzenpullover, den gesenkten Blick auf das Smartphone in den Händen geheftet.
In seine aktuelle Handtaschenkunst steckt Thrashbird nach eigenen Angaben jeweils um die 500 Dollar: Sprit, Farben, Material, Verpflegung. Damit sind die überdimensionalen Kunst-Taschen immerhin noch deutlich günstiger als die echten Accessoires. Insgesamt könne er von seiner Kunst leben, sagt Thrashbird, aber es sei nicht leicht. Er hat inzwischen durchaus Kollegen, die viel Geld verdienen – Street-Art reiht sich heute fugenlos in das Geschäft der Galeristen und Unternehmen ein. Thrashbird spielt in seiner Auseinandersetzung mit der Luxusmode auch mit diesen Grenzen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu warnte schon 1992: Wo sich die Welt der Kunst und die Welt des Geldes zunehmend gegenseitig durchdringen, leide am Ende immer die Autonomie der Kunst.
Am Ende reiche es ihm, sagt Thrashbird, wenn man seine Kunst im Vorbeifahren sehe und sich einfach nur wundere.