SZ-Magazin: Herr White, am Montag geht das 200. Oktoberfest zu Ende. Wie immer ein gutes Geschäft für Sie.
Jack White: Ja, ich kann mir die Hände reiben. Es ist immer wieder schön, wenn ich mit meinen Kumpels wie Hardy Rodenstock oder Werner Baldessarini in der Box sitze, und dann schäkern die: »Jack, jetzt verdienst du wieder einen Haufen Geld.« Dann läuft gerade Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben, Schöne Maid oder Heute haun wir auf die Pauke.
Wie komponiert man einen Wiesnhit? Gibt es einen Trick dabei?
Nein, so was entwickelt sich. Vor acht Jahren habe ich mit Hansi Hinterseer das Lied Hände zum Himmel aufgenommen, wir wollten damit den ultimativen Wiesnhit landen. Obwohl ich allen Big Bands die Noten geschickt und meine Wirtsfreunde Edi Reinbold, Gerd Käfer, Sepp Krätz und Roland Kuffler angerufen habe, hat es damals nicht funktioniert. Zumindest nicht sofort. Aufgrund der Abrechnungen meiner Tantiemen weiß ich heute aber, dass es derzeit das zweitmeist gespielte Lied auf der Wiesn ist. Den Refrain hatte ich in zehn Minuten. An diesem Lied verdiene ich sogar doppelt: als Komponist und Texter. Aber planen kann man so was nicht. Auch das meistgespielte Lied Eine neue Liebe habe ich geschrieben, es kam 1972 raus, war damals kein Wiesnhit, heute ist es mein allergrößter Evergreen.
Niemand verdient mehr am Oktoberfest als Jack White?
Sobald ein Song gespielt wird, werden Tantiemen gezahlt – bis siebzig Jahre nach meinem Tod. Insgesamt wird das sicher ein Betrag, der höher ist als der, den ein Wiesnwirt jemals verdienen kann. Meine Kinder müssen nicht mehr arbeiten.
Hat man mit einem einzigen Wiesnhit ausgesorgt?
Ein Lied wie Eine neue Liebe bringt mir als Komponist Jahr für Jahr 50 000 Euro Plus – nur dadurch, dass es auf Volksfesten und im Radio gespielt wird. Davon könnte eine Familie prima leben. Welthits hin oder her – meine Rente ist das Oktoberfest.
Sie müssen unfassbar reich sein.
Ich weiß ganz genau, wie viel ich auf dem Konto habe. Reich sein fühlt sich super an.
Stimmt die Geschichte, dass Ihnen Howard Carpendale noch viel Geld bezahlen müsste?
Sein Manager kam zu mir, ich war gerade als Produzent von Laura Branigan auf Platz eins der amerikanischen Billboard Charts: Howard möchte mit mir arbeiten. Er wollte die Eintrittskarte für Amerika. Mir wurden damals viele Weltstars angeboten, Julio Iglesias, Tom Jones, Kenny Rogers, Sister Sledge, Bette Midler. Aus welchem Grund sollte ich mit Herrn Carpendale drei Songs produzieren, gäbe es nicht einen Deal dahinter? Der Deal waren 100 000 Dollar. Der Ehemann von Pia Zadora hat mir damals sogar eine Million Dollar bezahlt, damit ich sie produziere! Ich frage den Manager: »Kriege ich einen Vertrag, nur einen Zweizeiler?« Er sagt: »Handshake reicht, der Howard ist so reich, da passiert nichts.« Bis heute hat er nichts bezahlt! Wenn der Typ heute erzählt, es waren Scheiß-Songs, warum hat er sie dann gesungen?
Sie haben mehr als eine Milliarde Platten und CDs verkauft, aber Ihre soeben erschienene Autobiografie Mein unglaubliches Leben liest sich wie das Zeugnis eines ewig Unterschätzten.
Weil der Künstler hier immer im Vordergrund steht, nicht der Song. Die Leute singen meine Lieder und wissen nicht, dass sie aus meiner Feder sind. Einen Tony Marshall würde es ohne mich nicht geben, keinen Hansi Hinterseer, keine Andrea Jürgens, keinen Jürgen Marcus und keinen Roberto Blanco, auch wenn der sich wieder beschweren wird, wenn er das liest. Meine Gesamtleistung wurde nicht gewürdigt.
Das wäre Ihnen in Amerika nie passiert?
In Amerika ist ein Hit ein Hit. Da würde zum Beispiel nie jemand auf die Idee kommen, den Text zu kritisieren. Was wurde ich 1971 für den Text von Schöne Maid von Tony Marshall beschimpft. Ich wusste aber, dass das ein Riesenhit wird. Plötzlich hat die ganze Welt inklusive Bundeskanzler geschunkelt und gesungen: »Wir singen trallala und tanzen hopsasa.«
Vor Ihrer Zeit als Musikproduzent waren Sie Profi beim PSV Eindhoven. Vom Fußball zur Volksmusik – wie geht das zusammen?
Beides ist doch deutsche Volksseele. Wenn Sie mich heute fragen, warum lieben die Leute Lady Gaga? Ich habe keine Ahnung! Beim Oktoberfest findet Lady Gaga nicht statt, aber da finden Sie Volkes Seele.
Braucht man eine große Stimme für einen Hit? Laura Branigan, mit der Sie zweimal in Amerika Nummer eins waren, schreiben Sie, hatte ein dünnes Stimmchen.
Das stimmt ja nicht! Über Laura habe ich kein schlechtes Wort geschrieben. Außer, dass Sie ziemlich auf Koks war. Sie hatte eine geile Stimme. Weil ich selbst mal Sänger war, habe ich auch eine Psychologie entwickelt, wie ich im Studio aus den Sängern mehr herausholen kann als andere Produzenten. Aber ich habe in Amerika auch gelernt: An erster Stelle steht der Song, an zweiter der Song, an dritter der Song! Ich spüre einen Hit in der Nase.
Die Stimme des Sängers ist Nebensache?
Richtig, das Paradebeispiel ist Hansi Hinterseer. Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Der kann nicht singen. Deswegen soll sein Gesang bei Live-Konzerten auch oft vom Band kommen. Ich habe aber trotzdem eine Wärme in seiner Stimme gehört. Und wir schreiben ja nie auf die Plattenhülle, ob jemand ein Lied in zehn Minuten aufgenommen hat oder in zwei Stunden.
In Ihrem Buch heißt es: »In den Siebzigerjahren konnte ich machen, was ich wollte – es kam immer ein Hit dabei heraus.« Künstlerische Magie?
Ich habe mal in einer einzigen Nacht sieben Hits geschrieben. Ich hatte einfach einen Lauf. Es gab damals aber auch nur die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck – mit zehn Millionen Zuschauern. Die Künstler haben live gesungen, die haben falsch gesungen, die haben ihren Text vergessen, das war die Magie. Mit einem Lied in der Hitparade kamen Sie damals automatisch in die Charts.
Lange her.
Ich kann auch heute noch jeden Tag einen Hit schreiben.
Hey Jack, let's start making some money!
Bedauern Sie heute, nicht noch mehr mit US-Superstars produziert zu haben?
Nein. Einmal habe ich Kenny Rogers getroffen, er sagte: »Hey Jack, let’s start making some money!« Ich habe ihm erzählt, dass er zu Wetten dass . . ? müsse, um in Deutschland erfolgreich zu sein. Er hat mir vorgerechnet, dass er in den Staaten eine Abendgage von 250 000 Dollar bekommt. Für die Reise nach Deutschland wäre er vier Tage unterwegs. Das hätte eine Million gekostet.
Können Sie erklären, warum Sie so viele Leben in einem gelebt haben: Fußballprofi, Sänger, Produzent, Komponist, dazu noch Reisebuchautor?
Das liegt auch an meiner Kindheit, hat mir ein Psychologe gesagt. Ich wollte nie so werden wie mein Vater, der unsere Familie verlassen hat. Oder die traurige Geschichte mit meiner Mutter, die einen Offenbarungseid leisten musste. Wir kannten jahrelang das Wort Butter nicht, wir haben im Luftschutzbunker auf sechs Quadratmetern gelebt und Hunger gelitten.
Mit dem ersten Hit kam die erste Million.
Ich wusste plötzlich gar nicht mehr, wohin mit dem Geld. Also habe ich in Hotels grundsätzlich die Präsidentensuite gebucht. Im »Cala di Volpe« an der Costa Smeralda hatte sie vier Zimmer und ein Schwimmbad. Nachts habe ich das Badezimmer nicht mehr gefunden, weil alles so groß war.
Sie hatten vermutlich eine Menge Verehrerinnen.
Ich war nie einer, der Frauen ansprechen konnte. Die Ute war erst meine Sekretärin, bevor wir ein Verhältnis hatten. Die Gitta war eine Braut, der ich jahrelang in Berlin hinterhergeguckt habe. Dass die Geld groß beeindruckt hätte, habe ich nie gespürt.
Aber mit der Treue hatten Sie es nicht so.
Ich war ein Hallodri, ein richtiger Fremdgänger.
Viel wurde davon nicht publik.
Ich habe immer alles sehr diskret gemacht, aber klar haben sich viele Frauen kreuz und quer angeboten. Einmal besuchte ich Engelbert in Las Vegas, in der Elvis-Presley-Suite im »Hilton«, Traumblick. Nach der Show hat er das ganze Ballett antreten lassen und sagte: »Such dir eine aus!« Wahnsinn.
Bis Sie Ihre dritte Frau Janine trafen.
Ich musste 49 Jahre alt werden, um mich das erste Mal richtig zu verlieben. Und dieser Frau war ich zwanzig Jahre treu. Ich stehe immer noch unter Schock, weil sie mich verlassen hat.
Ihre neue Freundin ist 45 Jahre jünger als Sie – warum sollte das gutgehen?
Ich hatte das Glück, dass ein Mädchen in mein Leben getreten ist, das meine Tränen getrocknet hat, wenn ich das mal schnulzig sagen darf. Sie sieht aber auch nicht aus wie 25, ich nicht wie 70. Gerade habe ich einen Bluttest machen lassen: Mein Herzinfarktrisiko beträgt 2,22 Prozent, mein biologisches Alter: 37 Jahre.
Ihr Freund Franz Beckenbauer hatte auch seine Affären und Skandale. Haben Sie sich darüber mal mit ihm unterhalten?
Philosophiert haben wir darüber nie. Als seine Ex-Frau Sybille aus der Zeitung erfahren musste, dass er eine andere hat, die auch noch schwanger ist – keine dolle Geschichte. Aber er war als Spieler ein Genie und er ist im Leben einmalig geblieben: Deswegen ist der Franz mit allem davongekommen. Diese Anerkennung hätte ich mir auch gewünscht.
Jack White stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Er war Fußballer, dann singender Fußballer, dann erfolgreicher Musikproduzent. Weil sein bürgerlicher Name Horst Nußbaum nicht in die Schlagerwelt der Sechzigerjahre passte, bekam er von seinem Produzenten Hans Bertram einen Künstlernamen – als Abgrenzung zu Roy Black.
Seine größten Hits:
Laura Branigan: Gloria; Self Control
Pia Zadora & Jermaine Jackson: When the Rain begins to fall
Pia Zadora: Let’s dance tonight;My little bit of Heaven
David Hasselhoff: Looking for Freedom; Crazy for you
Engelbert Humperdinck: Portofino; Please release me
Tony Christie: September Love;Is this the way to Amarillo (Remake)
Stevie Woods: Steal the night
Barry Manilow: You’re looking hot tonight
Roberto Blanco: Heute so, morgen so
Tony Marshall: Auf der Straße nach Süden; Schöne Maid; Komm, gib mir deine Hand
Jürgen Marcus: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben
Andrea Jürgens: Und dabei liebe ich euch beide; Ein Herz für Kinder
Andrea Berg: Die Gefühle haben Schweigepflicht
Deutsche Fußballnationalmannschaft: Fußball ist unser Leben
Hansi Hinterseer: Hände zum Himmel; Amore Mio; Schatzilein
Lena Valaitis: Ein schöner Tag
Vicky Leandros: Du bist mein schönster Gedanke
Roland Kaiser: Was weißt du schon von Liebe; Wir sind Sehnsucht
Foto: Frank Zauritz