Alles Gute zum Geburtstag

Rund 715.000 Babys kamen 2014 zur Welt. Nach den Erkenntnissen zweier Forscher heißt das: 1.430.000 Eltern wurden ein bisschen unglücklicher. Unser Autor hat dazu ein eigenes Forschungsprojekt.

Einemillionvierhundertdreißigtausend Menschen sind in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr Eltern geworden, wenn man der Einfachheit halber annimmt, dass sich auch jedes 2014 geborene Baby zwei Elternteile hält. Ich gehöre fast zu dieser Gruppe, mich trennen nur ein paar wenige Stunden von der Einemillionvierhundertdreißigtausend, unser Sohn wollte noch die Silvesterraketen abwarten. Aber auch ohne unser Baby: 715.000 Kinder in einem Jahr, soviel gab es seit 12 Jahren nicht mehr. Die Familienministerin jubiliert angesichts 4,8 Prozent Zuwachs gegenüber 2013, die Rentenversicherer machen sich eine Flasche Champagner auf, 33.000 potentielle Einzahler mehr als im Vorjahr, wenn das so weiter geht, behält der Blüm am Ende doch noch Recht. Und die Einemillionvierhundertdreißigtausend, die sind natürlich noch glücklicher. Am glücklichsten von allen, mindestens überglücklich. Müssen sie ja sein. Oder?

Nun ja. Mikko Myrskylä und Rachel Margolis, zwei Wissenschaftler mit wunderschönen Namen, haben über mehrere Jahre andauernde Befragungen von 2000 Eltern in Deutschland ausgewertet. Und was das finnisch-amerikanische Duo herausgefunden hat, dürften die deutsche Demographen wohl als staatszersetzend einstufen: Ein Kind zu kriegen, das macht gar nicht überglücklich, noch nicht einmal glücklich. Zumindest das erste Kind scheint sogar ziemlich genau das Gegenteil zu bewirken: Auf einer Skala von 0 (völlig unzufrieden) bis 10 (völlig zufrieden) stuften sich Neu-Eltern in den zwei Jahren nach der Erstgeburt um 1,4 Punkte schlechter ein als in der Zeit, als sie noch kinderlos waren, ausschlafen konnten und all ihr Geld in Klamottenläden, Clubs und Urlaubsorten ausgeben durften. Das erste Kind macht sogar unglücklicher als eine Scheidung (bei Untersuchungen mit vergleichbarer Messskala: minus 0,6 Punkte), unglücklicher als Arbeitslosigkeit (minus 1 Punkt), unglücklicher als der Tod des Partners (ebenfalls minus 1 Punkt). So kommt es, dass viele Paare nach dem ersten Kind ihre Zeugungstätigkeit einstellen, obwohl die meisten laut Umfragen eigentlich einmal gerne zwei Kinder gehabt hätten – nach Ansicht von Margolis und Myrskylä vor allem aus drei Gründen: Gesundheitliche Probleme bei den Müttern, Schmerzen bei der Geburt und der Stress der frühen Elternschaft schlagen aufs Gemüt. Das nun fehlende Geld für Rock`n Roll scheint noch nicht einmal so schlimm zu sein.

Für die Einemillionvierhundertdreißigtausend aus dem Jahr 2014 kommt diese Warnung nun natürlich etwas spät, auch für mich, den Ganz-knapp-2015ner: Unsere Kinder sind jetzt da und das wohl noch eine ganze Weile, so schnell wird man sie meistens nicht los. Und obwohl ich mir viel Mühe gebe, meine Vaterrolle einigermaßen zeitgemäß zu interpretieren, kann ich bei den Unglückspunkten eins und zwei – den gesundheitlichen Komplikationen bei den Müttern und den Geburtsschmerzen – einfach nicht mitreden. Mit Punkt drei, dem Stress, befinde ich mich gerade in der Kennenlernphase: Nachdem erst die Mutter unseres Sohnes daheimblieb, geht sie nun wieder brav ins Büro, das ich wiederum für das nächste halbe Jahr meide, weil ich mich in der Zeit um das Kind kümmere. Nach einer kurzen Übergabe-Phase war mein erster Tag als alleinverantwortlicher Vollzeit-Vater gerade eben erst, vergangene Woche. Es war der erste Tag des Regens nach der langen Hitzewelle, die meine Freundin und das Baby jeden Tag ins Freibad getrieben hatte.

Meistgelesen diese Woche:

Nun aber: Wohnzimmer, Teppich, Spielzeugkiste. Wir spielen mit dem Windelhasen, klopfen den Holzfisch ins Parkett. Würfeln den Würfel mit dem Sound-Chip innen drin, »Kuckuck, ich bin's, der Bär!«, sagt der Würfel, wenn der Bär gewürfelt wird. Dann die fünf kleinen Fische. Das Stoffbuch mit den gruseligen Spinnen, der Plüschlöwe mit dem eingenähten Sand im Popo, der Ball mit der Glocke. Nochmal der Windelhase, ein verstohlener Blick auf das Handy: Es ist 9:45 Uhr, vom Tag ist schon noch was übrig. Liebe Forscher mit den tollen Namen: Ein kleines bisschen Stress – wirklich nur ein ganz kleines – würde mich jetzt eigentlich gar nicht so unglücklich machen.

Foto: great barrier thief / photocase.de