Diese Suppe bringt auch trübe Tage zum Leuchten

Ochsenschwanz-Consommé ist ein Klassiker, mit dem die europäische Restaurantkultur einst ihren Anfang nahm. Wie man sie mit Grießnockerln und möglichst nachhaltig kocht, zeigt unser Kolumnist.

Eine stärkende Kraftbrühe trifft auf butterweiche Grießnockerl.

Text, Foto & Video: Hans Gerlach

Die »Consommé restaurant«, das ist auf deutsch die »stärkende Kraftbrühe«. Mit dieser Suppe entstand die europäische Gastronomie-Kultur in Paris. Suppenküchen gab es dort schon vorher, ich stelle sie mir ähnlich vor wie die großartigen Suppenküchen im heutigen Vietnam. Zur Suppe fanden vor etwa 250 Jahren dann auch andere Köche, die sich selbständig machen mussten, nachdem ihre adeligen Herren 1789 die Köpfe verloren hatten. Bald begannen ihre Gäste von »Restaurants« zu sprechen, Orten, die sie gestärkt, also »restauriert«, verlassen wollten. Für mich ist die beste aller Consommés eine aus Ochsenschwanz, ein Löffel davon bringt auch sehr trübe Tage zum Leuchten. Ich bereite sie nur selten zu, es braucht viel Ochsenschwanz und auch Zeit für wenig Suppe. Außerdem ist Ochsenschwanz kein Gemüse, steht also nicht oft auf dem Einkaufszettel. Aber wer sich für Suppen interessiert und nicht komplett vegetarisch lebt, sollte die Ochsenschwanz-Consommé einmal kochen.

Alle Kraftbrühen werden ähnlich zubereitet, Fleisch und Knochen kochen – angebraten oder auch nicht – mit Gewürzen und Gemüse so lange, bis das Fleisch weich ist. Wer es besonders gut machen will, gibt dabei gerne mal zu viel Gemüse oder Gewürze dazu. Der Geschmack der namensgebenden Fleischstücke kommt nämlich besser zur Geltung, wenn wir uns hier etwas bremsen. Das gekochte Fleisch kann man natürlich weiter verwenden, für Risotto, Pastasaucen, Fleischsalate und vieles mehr. Die fertige Brühe wird erst in einem zweiten Schritt zur Kraftbrühe. Dafür die kalte Brühe entfetten (nicht zu sehr, im Fett steckt viel Geschmack) und mit Hackfleisch und sehr fein geschnittenen Gemüsestückchen noch einmal aufkochen, ziehen lassen – den Vorgang nennt man »klären« und tatsächlich binden sich alle Trübstoffe an die Eiweißmischung mit dem Hackfleisch. So entzieht der »Klärkuchen« der Brühe auch etwas Aroma, gleichzeitig wird die Brühe aber durch den Hackfleischgeschmack noch kräftiger. Das ist die klassische Methode, der Klärkuchen wird in der Regel entsorgt – eine Riesenverschwendung. Deshalb hätte ich beinahe aufgehört Brühen zu klären. Doch das gekochte Klärfleisch muss man gar nicht werwerfen! Ist ja logisch: Auch wenn das Fleisch »ausgekocht« ist, schmeckt es genauso intensiv wie die Brühe, in der es schwimmt. Das ist einfach Physik, Osmose – alles gleicht sich aus. Wenn dieses Klärfleisch also in einer superaromatisch duftenden, verführerischen Ochsenschwanz-Consommé schwimmt… wer zur Hölle ist auf die Idee gekommen, das wegzuwerfen? Wir haben es in der Versuchsküche probehalber frisch genascht, auf Butterbroten verteilt, in Pastasauce und Linsen gerührt, alles tolle Verwendungen. Also klären Sie die Brühe bitte – und genießen Sie auch den Klärkuchen.

P.S.: Im Restaurant werden solche Brühen vorbereitet und im Kühlhaus gelagert, das ist in Ordnung und auch schwer anders zu organisieren – aber am allerbesten schmeckt die Ochsenschwanz-Consommé ganz frisch, ohne Kühlung, am Tag an dem sie gekocht wurde.

Zubereitungszeit
1,5
Gesamtzeit
7
Schwierigkeit

Zutaten für 4 größere oder 8 kleinere Portionen:

Für 4 Personen
  • 1,2 kg Ochsenschwanzstücke Ochsenschwanz
  • 2 EL Olivenöl
  • 2 Zwiebeln Zwiebel
  • 3 Möhren (ca. 300 g) Möhre, Karotte
  • 150 g Sellerie
  • 1 EL Tomatenmark
  • 0,5 l Rotwein Wein, Rotwein
  • 2 Knoblauchzehen Knoblauch
  • 1 TL Pfefferkörner Pfeffer
  • 1/2 Bund Thymian
  • 1/2 Lauchstange Lauch
  • 2 Tomaten Tomate
  • 250 g Rinderhackfleisch (am besten aus der Wade) Rinderhack, Hackfleisch
  • 1 Eiweiß Ei
  • 1 EL Schildkrötengewürz (siehe Tipp), nach Belieben Kümmel, Fenchel, Senfkörner, Koriandersamen, Pfeffer, Gewürznelken, Muskat, Lorbeer
  • 1 Lauchzwiebel oder etwas Schnittlauch Lauchzwiebel, Schnittlauch
  • Grießnockerl:
  • 80 g zimmerwarme Butter Butter
  • 2 Eier (M) Ei
  • 125 g Hartweizengrieß
  • Salz, Muskat

1. Ochsenschwanz-Stücke mit Olivenöl in einem großen Topf von allen Seiten 12 Minuten braun anbraten. Zwiebeln mit Schale halbieren und in einer robusten Pfanne auf der Schnittfläche 10 Minuten rösten, dann ist die Schnittfläche schwarz. Möhren und Sellerie schälen, klein würfeln. Beides mit dem Fleisch 5 Minuten mitbraten. Alles mit Tomatenmark verrühren, 2 Minuten braten, dabei öfter rühren. Mit Rotwein ablöschen und vollständig einkochen lassen. Den Topf mit 3 Liter kaltem Wasser auffüllen und aufkochen lassen. Dabei den aufsteigenden Schaum mit einem Sieblöffel abschöpfen. Wenn kaum Schaum mehr aufsteigt, Pfefferkörner grob schroten. Die Hälfte vom Thymian mit dem Pfeffer in die Brühe geben, salzen und 3 Stunden bei geringer Hitze kochen lassen – falls die Brühe dabei zu sehr einkocht nochmal etwas Wasser zugeben, am Ende sollen mindestens 1,2 Liter übrig bleiben. Ochsenschwanz-Brühe durch ein feuchtes Küchentuch passieren und mindestens 3 Stunden, am besten über Nacht, kalt stellen. Dabei geliert die Flüssigkeit. Das gekochte Fleisch nur kurz abkühlen, dann von den Knochen lösen, einfrieren und zum Beispiel für ein Ragout oder einen Ochsenschwanz-Burger verwenden (Rezept folgt kommende Woche). Das erstarrte Fett vorsichtig abheben – aber nur falls größere Mengen davon zu sehen sind.

2. Lauch längs halbieren, waschen und möglichst fein schneiden. Tomaten vierteln und grob pürieren. Gemüse mit Hackfleisch und Eiweiß (und Schildkrötengewürz) verkneten. Fleischteig in einem Topf mit der Brühe mischen, dann beim Mischen schon etwas erwärmen, damit die gelierte Brühe wieder flüssig wird. Bei geringer Hitze langsam aufkochen, dabei ab und zu vorsichtig umrühren. Wenn die Brühe fast kocht, nicht mehr rühren und einmal richtig aufkochen lassen. Hitze auf kleinste Stufe reduzieren und die Brühe 1 Stunde mehr ziehen als sieden lassen. Die Consommé vorsichtig durch ein feuchtes Passiertuch in einen zweiten Topf gießen, abschmecken.

3. Für die Grießnockerl, Butter mit dem Handrührgerät oder einem Schneebesen in einer kleinen Schüssel weiß-schaumig schlagen, das dauert etwa 5 Minuten. Eier aufschlagen und mit einer Prise Muskat und einer kräftigen Prise Salz würzen. Etwas Grieß unter die Butter rühren, dann die Hälfte vom Ei unterrühren, wieder etwas Grieß unterrühren, restliches Ei und zuletzt den restlichen Grieß unterrühren. Nockerl-Teig eine halbe Stunde bei Zimmertemperatur quellen lassen (normaler Hartweizengrieß muss, spezieller Nockerlgrieß darf nicht quellen – mit Hartweizengrieß schmecken sie am besten).

4. Einen breiten Topf mit Wasser zum Kochen bringen, leicht salzen. Mit einem nassen Esslöffel etwas Teig aus der Schüssel nehmen und mit einem zweiten nassen Löffel die Grießnockerl eierförmig formen. Wer es fein und klein liebt, kann die Nocken auch mit Teelöffeln formen – dauert aber länger. Und natürlich kann man auch ganz einfach kleine Knödelchen rollen, das schmeckt genauso. Die Grießnockerl nacheinander in das kochende Wasser geben und bei geringer Hitze 15-20 Minuten leicht köcheln lassen. Aus dem Wasser heben.

5. Restliche Thymianblättchen zupfen und hacken, Lauchzwiebel in feine Ringe schneiden. Kräuter und Grießnockerl in tiefe Teller verteilen, wer will gibt auch ein paar Stückchen vom Fleisch dazu. Ochsenschwanz-Consommé aufkochen und in die Teller gießen. Sofort servieren.

Tipp:
Schildkrötengewürz wird erstaunlicherweise immer noch hergestellt, obwohl es ja in erster Linie für Schildkrötensuppe gedacht war und diese glücklicherweise nicht mehr gekocht wird. Der Ochsenschwanz-Consommé tut das Gewürz aber sehr gut, Sie können es (online) kaufen oder selber mischen und auch für Kartoffelzubereitungen, Schmorgerichte und zum Abschmecken von braunen Saucen verwenden. Aber am besten passt das Schildkrötengewürz nun mal zum Ochsenschwanz. Dafür je 1 TL Kümmel, Fenchel, Senfkörner und Koriandersamen mit je 1 EL weißem und schwarzem Pfeffer, 8 Gewürznelken, 4 Stücken Muskatblüte und 3 getrockneten Lorbeerblättern in einer Pfanne 1 Minute trocken rösten. Kurz abkühlen, anschließend fein mahlen. Das geht in einer Gewürzmühle, im Mörser oder in einem hohen schlanken Becher mit dem Pürierstab – mit einem Tuch um den Stab herum zudecken, damit es nicht staubt. Das Pulver mit je 1 TL gerebeltem Majoran, Oregano, Salbei, Basilikum und Thymian und 2 EL Ingwerpulver mischen. Kühl und dunkel lagern.