Respekt, Frau Dötzer, Sie arbeiten als einzige deutsche Journalistin beim arabischen TV-Sender Al-Dschasira.
Stephanie Dötzer: Noch dazu als Frau, sagen die meisten Deutschen immer gleich. Dabei habe ich es als kleine braunhaarige Frau garantiert leichter, als es ein großer blonder Mann hier hätte. Ihm würde in manchen Ländern sofort unterstellt, für einen Geheimdienst zu arbeiten. Frauen in Katar direkt ansprechen dürfte er auch nicht. Ich schon. Und die Männer nicken anerkennend, wenn sie hören, dass ich als deutsche Journalistin hier arbeite.
Wie kamen Sie zu diesem Job?
Geplant war das nicht. Ich habe per Zufall oft in WGs mit Arabern gewohnt und dort nächtelang über Kopftücher, den 11. September und den Irakkrieg diskutiert. Nach dem Studium bin ich in den Libanon gezogen, habe bei einer Zeitung gearbeitet und nebenbei Englisch in einem palästinensischen Flüchtlingslager unterrichtet. Irgendwann lernte ich einen Journalisten von Al-Dschasira kennen. Der hat mir geraten, ich solle mich unbedingt für ein Praktikum in der Zentrale des Senders in Katar bewerben.
Schon waren Sie angestellt?
Im Prinzip ja. Das ist aber nicht so ungewöhnlich. Der englischsprachige Sender von Al-Dschasira, bei dem ich arbeite, hat Mitarbeiter aus der ganzen Welt. Ich bin hier nicht so exotisch, wie viele denken. Außerdem war schnell klar, dass ich ganz gut dazupasse. Bei den Politikdiskussionen in der Kantine war ich immer an vorderster Front dabei.
Worüber diskutiert man dort?
Über alles: Wer ist bei diesem Krieg der Täter, wer ist Opfer? Warum sieht ein Konflikt im amerikanischen Fernsehen so anders aus als im arabischen? Was bedeutet eigentlich ausgewogene Berichterstattung? Ich glaube, es gibt keinen anderen Sender, bei dem so viele unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen.
Nicht alle sind so begeistert wie Sie. Manche Ex-Mitarbeiter beschweren sich, sie seien ziemlich rüde behandelt worden.
Stimmt. Aber es sind nicht Araber, die unliebsame Westler hinausekeln: Oft bekriegen sich westliche Journalisten untereinander. Und Katar ist ein Land des »Hire und Fire«, das muss einem klar sein.
Berichtet Al-Dschasira anders als westliche Medien?
Der arabische Sender auf jeden Fall, der englischsprachige ist BBC und CNN relativ ähnlich. Generell gilt: In den westlichen Medien tauchen Muslime fast nur als Masse auf. Entweder sie sind gerade beim Beten, oder eine Gruppe bärtiger Männer rennt mit erhobener Faust und
wütendem Blick durch die Straßen. Mit dem Alltag im Nahen Osten hat das wenig zu tun.
Was treibt Sie an?
Manche denken, ich will »die Muslime« verteidigen. Stimmt nicht. Ich möchte den Blick dafür öffnen, dass Araber normale Menschen sind, egal welche Religion sie haben. Das klingt so banal, aber leider ist es nicht mehr selbstverständlich.
"Bagdad atmet noch" – so heißt ein preisgekröntes Hörfunkfeature von Stephanie Dötzer. Hier finden Sie es im Internet.