Einen gut aussehenden Mann nennt man in Brasilien ein »Filet« – ein zartes Stück Fleisch, und darauf hat nun die halbe Promi-Welt Appetit bekommen: Madonna knabbert an Jesus Luz; Marc Jacobs badet mit Lorenzo; Roland Emmerich umarmt Gerardo; auf ihrer Ferienyacht turnte Sarah Connor auf Diego herum. Der Brasilianer ist das neue It-Toy.
Eine vakante Stelle ist wieder besetzt: In der Geschichte der Lover gab es den italienischen Gigolo, den Rasta-Man im Jamaika-Urlaub. Als Übergangslösung musste dann für Paris Hilton und Britney Spears das Chihuahuahündchen herhalten. Aber das war offenbar nicht so befriedigend. Nun also der Brasilianer. Warum?
Weil die Welt zurzeit begeistert ist von Brasilien, der »Coming Nation«, nicht nur wegen der Fußball-WM und der Olympischen Spiele. Tatsächlich passiert mit Menschen etwas für sie Ungeahntes, sobald sie brasilianischen Boden betreten: Rio gibt Besuchern das Gefühl, dass in dieser Stadt nur 17-Jährige wohnen – eine Stimmung herrscht dort, die wie ein Versprechen klingt: Jetzt geht’s gleich los.
Männer wie Jesus Luz geben sich nicht als Machos, sondern als das Gegenteil: Sie berühren sich und andere ständig, umarmen sich, flüstern Frauen wohlige Worte zu: »È aí, beleza?« (»Und, alles schön?«) Und doch würden solche Zärtlichkeiten verpuffen, böte Rio nicht die zweite wesentliche Voraussetzung, die ein Toy-Boy braucht – seinen Körper. Brasilien, Rio insbesondere, ist das fleischgewordene Zentrum der Körperlichkeit. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so einen Hang zur körperlichen Perfektion, der vollkommen leicht und spielerisch erscheint.
Man könnte das langatmig mit der Tropensonne und dem Leben am Strand erklären, doch die Schönheitsverehrung ist längst Tradition geworden, ein Kulturgut wie das Biertrinken in Bayern.
Das Model Jesus Pinto da Luz ist Sohn eines Krankenhaus-Mitarbeiters und einer Friseurin – er sieht aus, als wäre er an einer Klimmzugstange aufgewachsen. Es gibt fast nur Fotos von ihm mit nacktem Oberkörper. Was ist schon ein Dolce & Gabbana-Anzug gegen einen muskulösen, schlanken, gebräunten, straffen Oberkörper?
Jungs wie Jesus, und davon gibt es in Rio so viele wie Sand am Strand, gehen zweimal täglich in ihre academia (Fitnessstudio), trinken Fruchtsäfte, keinen Alkohol, rasieren sich die Brust und stellen sich gut sichtbar an Straßenecken oder lungern am Strand – und begreifen selbst Sex als Körpertraining. Ihr bum bum (Po) muss hart wie ein unreifer Apfel sein, und macht der bum bum nicht mit, wird er in der Mittagspause geliftet.
Die Soziologin Mirian Goldenberg aus Rio sagt, für viele Brasilianer sei der Körper »ihr Kapital« und für Menschen aus der Unterschicht oft das einzige Vehikel für sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg.
Jesus Luz ist inzwischen in Brasilien ein Star, er hat es zum begehrten DJ gebracht. Im Übrigen hat ein Bum-Bum-Boy als Zeitvertreib noch einen weiteren angenehmen Effekt: Er nervt nicht, hängt nicht am Rockzipfel, ist kein glitschiger Latin Lover. Dafür ist er viel zu sehr mit sich beschäftigt. Wie Madonna auch. Eine perfekte Kombination.
Foto: Santaveronica/ Intimissimi, AP, Reuters