Abseitsfalle

Nichts belastet eine Beziehung so sehr wie ein Premiere-Abo.

Ich verliebte mich in Fußball, wie ich mich später in Frauen verliebte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an die Schmerzen oder Zerreißproben, die das mit sich bringen würde.
(Nick Hornby, »Fever Pitch«)

Vor fast genau drei Jahren verliebte ich mich in Serena. Ich schaute in ihre braungrünen Augen, fasste ihr an den Po und gab ihr einen Kuss. Es war in einer Disco, es war laut, sie erschrak und knallte mir eine. Seitdem sind wir ein Paar. Sie ist eine tolle Frau. Eigentlich. Denn seit etwa einem halben Jahr besitze ich ein Premiere-Abo. Nicht etwa für Hollywood-Filme, auch nicht für aufwendige Dokumentationen auf dem Discovery Channel. Nein, ein Abo für Live-Fußball. Das ist großartig. Für mich.

Serena findet das nicht so überragend. Wenn ich Fußball schaue, geht sie einkaufen oder trifft sich mit Freundinnen. Und wenn die Freundinnen keine Zeit haben, geht sie zur Massage oder pflegt zu Hause ihre wunderschönen Fußnägel. (Sie hat wirklich wunderschöne Füße!)

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Echte Fans kennen das Problem: Noch nie gab es im Fernsehen so viel Fußball wie heute. Das Geschäft boomt und treibt damit fast jede Beziehung in eine Krise. Auf dem Premiere-Sportkanal läuft der Ball freitags, samstags, sonntags, montags, dienstags, mittwochs und manchmal auch donnerstags.

Vor Kurzem habe ich gelesen, dass in Großbritannien eine Frau ihrem Mann den Penis abgeschnitten hat, weil er den ganzen Tag vor der Glotze hockte und Fußball schaute. Auch Serena ist in Momenten spontaner Wut unberechenbar (Sie ist Italienerin!). Da kann Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo gerade vier Gegenspieler umkurvt haben und das Tor des Jahrhunderts schießen, und trotzdem klatscht das Geschirr gegen die Wand. So als kleine Warnung.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Tränen in der C-Jugend)

Ist unsere Beziehung also gefährdet? Wir frühstücken am Wochenende ausgiebig im Bett, gehen abends ins Kino oder Theater, wir leben einen Traum. Und trotzdem funkt dieses Abo immer wieder Störsignale mit der alten Sepp-Herberger-Botschaft: »Ein Spiel dauert 90 Minuten.« Rechnet man die Halbzeitpause und die Interviews vor und nach dem Spiel dazu, kann eine Partie bis zu drei Stunden dauern. Drei Stunden, zeitweise täglich, in denen unsere Beziehung Pause hat. Und dann kann es natürlich sein, dass nach dem Spiel ein Freund anruft und über die spielentscheidenden Aktionen diskutieren will. Und dann noch einer.

Ich weiß, das ist alles ein bisschen viel. Aber wer hätte gedacht, dass das UEFA-Cup-Viertelfinale zwischen dem FC Getafe und dem FC Bayern in die Geschichte eingeht? Nicht auszudenken, wenn ich die kindlichen Freudensprünge eines Oliver Kahn verpasst hätte.

Sofort erinnerte ich mich an ein unbedeutendes C-Jugend-Spiel, als ich in letzter Minute ein Tor aus 16, 17 Metern schoss. Der Ball krachte unter die Latte, sprang hinter der Linie auf und wölbte das Netz. Ich rannte Richtung Eckfahne, warf mich auf den Rasen und hatte – nachdem sich die halbe Mannschaft auf mich gestürzt hatte – Tränen in den Augen. Solche Momente vergisst ein kleiner Junge nie. Deshalb kann es auch sein, dass ich auf der Wohnzimmercouch manchmal feuchte Augen bekomme.

Gestern saßen Serena und ich wieder zusammen und haben über das Problem-Abo gesprochen. Eine Kündigung kam nicht in Frage. Der Kompromiss: Ich schaue jetzt »nur« noch zwei Mal in der Woche Live-Fußball auf Premiere. Samstags und mittwochs. Es kann also sein, dass ich nächstes Mal ein scheinbar unspektakuläres UEFA-Cup-Viertelfinale nicht live miterleben werde. Serena sagt, das könne ich verschmerzen. Vielleicht stimmt das ja. Aber ich muss ihr bald auch gestehen, dass ich mir Karten für die Europameisterschaft besorgt habe. Am besten ich verpacke die Botschaft in ein neues Geschirr.

Illustration: Marc Herold