Ice-T ist ein Überlebenskünstler. Viele andere Helden aus der ersten Rap-Generation sind von der Bildfläche verschwunden, er ist immer noch da, wenngleich künstlerisch doch recht stark diversifiziert: Sein vorerst letztes HipHop-Album erschien 2006, der 59-Jährige verdient sein Geld inzwischen eher als Schauspieler und Reality-TV-Star; in einigen Staffeln der Show Ice Loves Coco gab er Einblick in das Eheleben mit seiner Frau Coco Austin, einem früheren Unterwäsche-Model. Das klingt dann doch eher nach Showbiz als nach Gangsta-Rap, wozu auch passt, dass die beiden vor einigen Wochen mit ihrem Töchterchen Chanel bei einer Nike-Modenschau aufgetreten sind.
Mit Bloodlust, dem neuen Album seiner Band Bodycount, dürfte Ice-T seinen Ruf als einer der interessantesten politischen Köpfe im Pop jedoch wiederbeleben. Schon einmal gelang ihm ein Song, der das politische Klima der USA meisterlich reflektierte: »Copkiller« erschien 1992 zur Zeit der Unruhen in Los Angeles, welche durch den Freispruch der Polizisten ausgelöst worden waren, die den schwarzen Autofahrer Rodney King verprügelt hatten. Es hieß, Ice-T würde zum Mord an Polizisten aufrufen, ein Protesturm brach über ihn herein, in dessen Verlauf er seine Plattenfirma verließ. Seine Sicht der Kontroverse schilderte er 1994 in dem lesenswerten Buch The Ice Opinion.
Bloodlust (Century Media/Sony) ist nun für mich das erste gewichtige Album über die Trump-Ära. Mit starken Worten schildert Ice-T ein gespaltenes, kaputtes Land, in dem Minderheiten und Arme autoritären Herrschaftsmechanismen zum Opfer fallen. Vor einigen Wochen hatte ich Gelegenheit, mit Ice-T zu telefonieren.
Das neue Album Ihrer Band Bodycount beginnt mit einem Gedanken, der letztes Jahr noch unvorstellbar erschien, nun aber in den Bereich des Möglichen gerückt ist: Im Song namens »Civil War« verhängt der US-Präsident das Kriegsrecht und ein Bürgerkrieg bricht aus.
Wir haben das Album während des Wahlkampfs aufgenommen und sehr deutlich die Spannungen im Land gespürt. Donald Trump hat die USA gespalten. Er hat Rassisten ein Plattform gegeben, um perverse Scheiße zu reden. Unter ihm zeigen die USA ihre hässliche Fratze, und keiner weiß, wie es weitergehen wird. Ein Song wie »Civil War« ist aber nicht als Prophezeiung zu verstehen. Mein Ziel ist eher, dass sich die Leute mit diesem hässlichen Bild von unserer Zukunft beschäftigen und sagen, nein, das wollen wir nicht, wir müssen etwas dagegen tun.
Der Name Trump fällt allerdings nicht auf der Platte.
Als wir sie aufgenommen haben, wusste keiner, ob er Präsident wird oder nicht. Deshalb haben wir es vermieden, seinen Namen zu nennen.
Dennoch passt das Gefühl von drohendem Unheil, das Sie in »Civil War« und anderen Songs beschwören, sehr gut zu den Ängsten, die viele beim Blick auf Trump und seine Amtsführung haben.
Das denke ich auch. Und ich frage: Auf welcher Seite wirst du stehen, wenn die Kacke richtig am Dampfen ist? Es ist Kunst, ich versuche, den Leuten Denkanstöße zu geben. Das Oberthema der Platte ist, warum die Menschen so blutrünstig sind und immer wieder Kriege beginnen und sich selbst zugrunde richten.
In Europa sind viele immer noch fassungslos, dass Trump US-Präsident werden konnte.
Er spinnt total! Trump ist so verrückt, dass die meisten Menschen in den USA nicht geglaubt haben, dass er gewinnen würde. Deshalb haben viele nicht gewählt, was sie jetzt bereuen.
Sie auch?
Nein, ich habe gewählt. Ich glaube nicht, dass Trump bis zum Ende seiner Amtszeit durchhalten wird. Seine eigenen Leute werden sich gegen ihn wenden. Er hat sich mit dem FBI angelegt, der CIA - was zum Teufel soll das? Ich kapier's nicht. Es wird spannend werden, wie das Drama weitergeht. Ich hoffe nur, dass er keinen Krieg anfängt. In der zweiten Strophe von »Civil War« heißt es über die Politiker wie Trump: »They don't care about nothing but personal gain/The politicians wouldn't mind a war, motherfuck your pain.«
»Civil War« ist auch musikalisch beeindruckend, mit einem wuchtigen Gastauftritt von Megadeth-Gitarrist Dave Mustaine.
Seit es Bodycount gibt, haben uns all die großen Rocker unterstützt, Leute wie Henry Rollins, Slayer, Duff von Guns N' Roses. Dave Mustaine ist schon seit Ewigkeiten ein Fan von uns. Immer wenn wir eine Platte machen, rufen uns diese Leute und fragen, ob sie uns helfen können. Aber wir haben das bisher nie in Anspruch genommen - erst jetzt. Dave spielt übrigens nicht nur Gitarre auf »Civil War«, er ist auch der Ansager, der am Anfang des Songs die Nachricht von der Verhängung des Kriegsrechts durchgibt.
Zu Ihren Lieblingsbüchern gehört Die Kunst des Krieges des chinesischen Autors Sunzi. Das Buch ist über zweitausend Jahre alt, aber steckt da irgendwas drin, das im Kampf gegen Trump hilfreich sein kann?
Einer meiner Lieblingsgrundsätze lautet: Manchmal ist es am besten, sich zurückzuziehen, neu zu formieren und danach mit neuer Stärke erneut anzugreifen. Ich denke, im Moment sind die Gegner von Trump zersplittert und keiner weiß genau, was zu tun ist. Da ist es sinnvoller, sich für eine Weile zurückzuziehen und nach der richtigen Strategie zu suchen, bevor man wieder angreift. Ein anderes Zitat, das mich sehr geprägt hat, lautet: Bedenke die Kosten, bevor du in den Krieg ziehst. Wiegt das, was du erreichen möchtest, wirklich die möglichen Verluste an Geld und Menschenleben auf? Stürze dich nicht unüberlegt in etwas hinein! So war es, als ich »Copkiller« gemacht habe. Da bin ich in den Krieg gezogen, ohne an die möglichen Kosten zu denken. Das neue Album ist dagegen sehr strategisch. Es ist schwierig, mich anzugreifen, weil ich alles genau durchdacht habe. Im neuen Album steckt viel Sunzi.
Mit Ihrem Song »Copkiller« verbindet sich eine der größten Kontroversen, die je von einem Popsong ausgelöst wurde. Quer durchs politische Spektrum wurden Sie als jemand denunziert, der zur Gewalt gegen Polizisten aufruft, selbst Präsident Bush hat den Song damals verurteilt. Wie sehen Sie diese Kontroverse heute?
Ich war meiner Zeit voraus. Ich habe vorhergesagt, dass die Leute zu den Waffen greifen und sich wehren werden, wenn das mit der Polizei-Brutalität so weitergeht. In meinem Song hat das ein einzelner Typ getan. Ich wollte ihn nicht als Helden darstellen, so haben es aber viele verstanden. Und jetzt denken Sie mal an 2016 zurück, da gab es mehrere Fälle, in denen sich Menschen mit Waffen gegen die Scheiße gewehrt haben, die die Polizei abgezogen hat. Ich propagiere so etwas nicht, ich sage nur: Es kann passieren. Ich propagiere auch keinen Bürgerkrieg, ich sage nur: Es kann passieren.
Hat Ihnen die Kontroverse um »Copkiller« persönlich mehr genutzt oder geschadet?
Das hält sich die Waage. Ich bin dadurch in einer Schublade gelandet. Viele Leute denken, dass »Copkiller« alles ist, was ich zu bieten habe – dabei habe ich 500 Songs geschrieben. Andererseits bin ich seit »Copkiller« als jemand bekannt, der sich traut, seine Meinung zu sagen. Ich treffe immer noch Leute, die mir versichern, das musste mal gesagt werden, gut, dass du es getan hast. Aber ich treffe auch weiterhin Leute, die mir vorwerfen, ich würde Polizisten hassen. Ich hasse keine Polizisten, ich spiele sogar einen im Fernsehen. Ich hasse brutale Polizisten.
Warum gibt es auch nach acht Jahren Obama immer noch so viel Polizei-Brutalität gegenüber Afro-Amerikanern in den USA?
Was man verstehen muss: Früher war alles viel, viel schlimmer. Obama ist ja auch von vielen Weißen gewählt worden, was zeigt, dass viele Menschen in den USA keinen Bock auf diesen Rassenhass haben. Aber er konnte nicht alleine das ganze System ändern. Das geht nicht, Mann. Ein Einzelner kann das nicht, nicht mal als Präsident.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Bodycount-Gitarristen Ernie Cunningham. Stimmt es, dass Sie ihn aus der Schule kennen?
Oh ja! Wir sind zusammen auf die Crenshaw High School in Los Angeles gegangen. Er hat seine Gitarre jeden Tag in die Schule mitgebracht und uns während der Mittagspause was vorgespielt. Seine Helden waren damals Jimmy Page, Peter Frampton und Ernie Isley von den Isley Brothers. Auf der Schule waren ungefähr tausend Crips (Anmerkung: Mitglieder einer Gang), etliche haben Ernie komisch angeschaut. Ich habe ein bisschen auf ihn aufgepasst.
Wann haben Sie angefangen, zusammen Musik zu machen?
Im Prinzip schon damals. Und als ich 1987 mein Debütalbum Rhyme Pays aufgenommen habe, war er im Studio und hat versucht, Gitarre zu spielen. Aber im HipHop geht es um Samples, da braucht man eigentlich keine Gitarre, deshalb haben wir eines Tages beschlossen, eine Band für Ernie zu gründen. So sind Bodycount entstanden.
Schon etwas besonderes, über so einen langen Zeitraum mit jemand zusammenzuspielen!
Er ist ein fantastischer Gitarrist. Ich bin der Typ mit den Worten. So war es damals in der Schule - so ist es noch heute.
»Bloodlust« ist am 31. März 2017 erschienen.