Können Sie sich an die erste Musik erinnern, die Sie als Kind begeistert hat?
Das muss Country&Western-Musik gewesen. In Lubbock, Texas, wo ich aufgewachsen bin, kam viel Country&Western im Radio. Das hat mir gefallen. Außerdem konnte man nachts einen R&B-Sender aus Nashville empfangen, diese Musik fand ich ebenfalls wunderbar. Meine Wurzeln liegen also irgendwo zwischen Country und R&B.
Schon als Teenager hatten Sie dann aber Saxophon-Unterricht bei Jazzlegende Sonny Rollins. Wie kam es dazu?
Ich war in New York und wollte mein Saxophon zur Reparatur bringen. Da kam mir auf dem Broadway ein Typ entgegen, der auch ein Saxophon dabei hatte – das war Sonny Rollins. Ich habe ihn gefragt, ob er mir Unterricht geben könne. Er war einverstanden, und wir sind in seinen Übungsraum gegangen, der gleich um die Ecke war. Wir haben zwei Stunden über Musik geredet und zusammen gespielt. So ging das den ganzen Sommer 1957.
Zu der Zeit war Sonny Rollins schon bekannt und galt als einer der hippsten Jazzmusiker. Haben Sie eine Ahnung was er in Ihnen gesehen hat?
Ich glaube, ihm hat imponiert, dass ich überhaupt den Nerv hatte, ihn zu fragen! Und er hatte damals schon dieselbe Philosophie wie ich heute: Gib es weiter! Das ist wichtig. Gib es an jemanden weiter, der es dann wieder an andere weitergibt.
Gibt es etwas, das Sie aus jenen Treffen mit Sonny Rollins für Ihre Karriere mitgenommen haben?
Unbedingt. Versuche immer, noch etwas dazu zu lernen und weiter voran zu kommen. Pflege dein Talent und die im Lauf der Zeit erworbenen Fähigkeiten gut. Ich spiele zum Beispiel weiterhin auch ganz einfache, grundlegende Übungen. Das ist wichtig, denn nur wenn man ein gutes Fundament hat, ist man jederzeit Herr der Lage. Ich besuche Sonny übrigens immer noch, wenn ich in New York bin. Wenn du bei ihm reinkommst, liegt da sein Saxophon direkt auf dem Stuhl, und du weißt, dass er morgens schon darauf gespielt hat. Es geht darum, stets in Verbindung mit seinem Instrument und seiner Musik zu sein und diese nicht abreißen zu lassen.
In James Browns Autobiographie gibt es einen einzigen Satz über Sie: »Pee Wee was very in sync with what I was trying to do«. Was war das genau, was Sie beide im Sinn hatten, nachdem Sie 1965 zu seiner Band gekommen waren?
Mr. Brown hat den Jazz respektiert und konnte immer intuitiv erkennen, was die Musiker um ihn herum wohl noch zu seinem Programm beitragen könnten. Er hat bemerkt, dass ich schnell eine wichtige Rolle in seiner Band übernommen habe und dass ich ihn gerne dabei unterstützen würde, seine Musik weiter zu entwickeln. Es gelang mir, einige meiner Jazz-Einflüsse in seinen R&B-Sound einzubringen, der ja bereits sehr populär war. Das war eine Verbindung, die gut gepasst hat.
Sie sind Co-Autor der Funk-Hymne »Cold Sweat« und einiger anderer James-Brown-Hits aus dieser Zeit. Sind Sie bezahlt worden?
Ich werde immer noch bezahlt!
Das freut mich zu hören. Dafür dürfte es auch eine Rolle spielen, dass etliche James-Brown-Songs von Rappern gesampelt wurden und so erneut Umsatz gemacht haben.
Ja, das war ein überraschender Bonus. Ich hatte das große Glück, dass das Rap-Duo Salt 'N' Pepa einen Song von mir gesampelt hat. Nur einen Schnipsel – den haben sie geloopt und einen Mega-Mega-Song namens »Step« daraus gemacht. (Anmerkung: »Step« erschien 1993 auf dem Salt 'N' Pepa-Album »Very Necessary«, das sich sieben Millionen Mal verkaufte und bis heute das meistverkaufte Album eines weiblichen Rap-Acts ist.)
Wie sind Sie persönlich mit Mr. Brown klargekommen?
Gut. Wir haben uns gegenseitig respektiert. Er hat meine Arbeit geschätzt. Und ich war enorm beeindruckt von dem, was ich jede Nacht gesehen haben. Seine Energie zu erleben, während ich auf der Bühne hinter ihm stand, war total eindrucksvoll. Er war immer am Ball, hat seine Musik ständig vorangetrieben. Er war überzeugt, dass man alles für sein Publikum geben muss, und zwar jederzeit. So hat er gelebt.
Sie spielen auf seiner berühmten LP Live at the Apollo Volume II mit, die in dem noch heute atemberaubend intensiven »There Was A Time«-Medley kulminiert. Ich habe mich oft gefragt, ob das ein besonderer Abend war, oder ob die Band jede Nacht so geklungen hat.
Jede Nacht. Immer. Ich habe kürzlich die Aufnahme eines Konzerts in Dallas aus dieser Zeit bekommen, bei der wir auch einige Instrumentals spielen, die ich geschrieben hatte. Die Audio-Qualität könnte besser sein, aber die Musik ist total präsent. Man kann sie spüren. Im Rückblick empfinde ich es als Ehre, dass ich damals dabei war und etwas beitragen konnte.
Warum sind Sie dann bereits 1969 wieder bei James Brown ausgestiegen?
Weil ich auch noch andere Dinge machen wollte. Und das war unmöglich, so lange ich Mr. Browns Bandleader war. Das war ein Vollzeitjob, der all meine Energie und Zeit aufgefressen hat, was mir nicht immer gut tat. Hinzu kam, dass Mr. Brown eine besondere Art hatte, dir seinen Fuß auf den Hals zu stellen. Ich musste raus, und ich dachte, wenn ich mich befreie, werden andere Dinge geschehen. So kam es dann ja auch.
»Van mag es rau. Spontanität ist ihm wichtiger als Perfektion«
Zehn Jahre später, im Jahr 1979, sind Sie Bandleader von Van Morrison geworden. Wie sind Sie mit ihm in Kontakt gekommen?
Der Trompeter Mark Isham hat uns bekannt gemacht. Er war mit Van im Studio, um das Solo für den Song »Troubadours« aufzunehmen. Van fühlte, dass einige der Songs noch Bläserarrangements brauchten, und Mark erwähnte, dass ich ganz in der Nähe wohnen würde. Van wusste, wer ich war und sagte zu Mark, er solle mich mal anrufen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt keine Ahnung von Van und seiner Musik. Aber ich kam ins Studio, hörte mir den Song an und Mark und ich schrieben ein Arrangement, einfach so! (Er schnippt mit den Fingern.) So ging es einige Tage lang, und ehe wir uns versahen, war das Album fertig: Into The Music, bis heute eines meiner Lieblingsalben. Kurz darauf lud Van mich zu sich nach Hause ein und fragte, ob ich bei der nächsten Tour sein Bandleader sein könne. Ich war einverstanden und wir sind mit dem Album auf Tour gegangen, was viel Spaß gemacht hat.
Auch auf Morrisons nächstem Album Common One sind Sie dabei.
Das haben wir in Frankreich aufgenommen, in einem Studio, das an einem einsamen Fleck in den Bergen lag. Die Leute hatten dort seltsame Träume. Morgens beim Frühstück haben wir immer über unsere Träume geredet. Es war eine fantastische Atmosphäre. Wir von der Band haben uns gut verstanden und Van hatte auch prima Laune.
Stimmt es, dass bei diesen Aufnahmen viel improvisiert wurde?
Ja. Einmal sind wir nachmittags den Berg runter gegangen zu einem kleinen Café. Als wir zurück im Studio waren, saß der Schlagzeuger immer noch beim Kaffee. Also haben wir den nächsten Track einfach ohne ihn aufgenommen. Der Track hieß »When Heart Is Open«, und nichts davon, keine einzige Stelle, hatten wir vorher geprobt. Ich spiele Flöte, wir haben alle aufeinander gehört und improvisiert. Es war magisch!
Hat Morrison Sie eigentlich mal zu ihren Jahren bei James Brown befragt? Man weiß ja, dass er selbst großer Musikfan ist.
Nein, nicht wirklich. Ich wusste, dass er diese Musik sehr schätzt und respektiert. Aber das kam nie auf zwischen uns.
Morrison hat gesagt, dass er auf der Bühne manchmal, wenn alles zusammenpasst, an einen anderen Ort gelange, wo nur die Musik zählt und er sonst gar nichts mehr wahrnimmt. Gilt das dann nur für ihn, oder gelangt die Band auch in diese Zone?
Die Band auch! Wenn es läuft, dann läuft es, Junge! Es geschah nicht jede Nacht, aber es gab genug Leute in dieser Band, die das bewerkstelligen konnten. Das war wirklich eine fantatsische Band damals. Haben Sie Van in der jüngeren Vergangenheit mal live gesehen?
Ja, erst diesen Sommer.
Ich auch, vor zwei Monaten. Kein Vergleich zu früher. Ich fand es enttäuschend. Fad.
Wie würden Sie Morrisons künstlerischen Ansatz beschreiben?
Van mag es rau. Spontanität ist ihm wichtiger als Perfektion. Ich sehe das genauso. Es geht immer um den Moment. Es geht nicht darum, monatelang zu proben, bis einem die Musik zum Hals raushängt. Das haben Van und ich gemeinsam. Hinzu kommt, dass er auch ein Musiker ist, nicht nur ein Sänger. Er spielt Saxophon, Gitarre, Klavier, Mundharmonika. Er kennt sich mit vielen Dingen aus, und er ist ein Dichter. Ich fand es immer angenehm, mit ihm zu arbeiten. Aber wenn man in seiner Band spielen will, muss man eine Menge Songs kennen. Wir haben auf der Bühne immer geschaut, zu welchem Instrument er greift, das konnte ein Hinweis darauf sein, welchen Song er gleich zu spielen beginnt.
In den späten Achtzigern haben Sie mit Maceo Parker und Fred Wesley, ihren alten Kollegen aus James Browns Band, die JB Horns gegründet – zu einer Zeit, als der Funk der Sechziger und Siebziger auf einmal wieder sehr populär wurde, auch bei jüngeren Leuten.
Ja, das hat uns alle sehr überrascht. Aber wir waren froh, dass es so kam, denn für uns begann ein neuer Karriereabschnitt. Drei Jahre lang haben wir überall gespielt, gute Musik gemacht und eine Menge Leute begeistert.
Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Fred Wesley beschreiben, mit dem Sie immer wieder zusammenhespielt haben?
Fred und ich sind wie Brüder von unterschiedlichen Müttern. Wir haben eine ähnliche Herkunft, haben die gleichen Wünsche, haben dieselben Erfahrungen gemacht. Wir respektieren und vertrauen uns. We've been there, done that and got the T-Shirt.
Für mein Empfinden waren die JB Horns damals hipper und zeitgemäßer als James Brown selbst.
James Brown wurde mehr und mehr zu einem Schatten seiner selbst. Zwei oder drei Jahre bevor er starb, habe ich ihn nochmal live gesehen. Es war traurig. Ich denke, er hätte seine Tanzschuhe an den Nagel hängen sollen. Zumal er es eigentlich nicht mehr nötig gehabt hätte, zu arbeiten. Aber auf der Bühne zu stehen, ist wie eine Droge. Das steckt tief in drin. Es gibt doch dieses Sprichwort: Alte Soldaten sterben nicht, sie verwelken langsam. Wir stehen alle in der Schlange und warten darauf, dass unsere Zeit kommt. Ich mache jetzt seit 60 Jahren Musik und bin froh dass ich es so weit geschafft habe. Aber meine Karriere ist noch nicht vorbei!
Auch nach 60 Jahren klingt ihre Musik weiterhin vital und lebendig. Wie schafft man das?
Tja, wenn ich das wüsste ... Die Musik ist mein Leben. Sie ist Tag und Nacht bei mir. Ich stehe morgens auf und spiele Saxophon. Und wenn ich nicht selbst spiele, höre ich Musik in meinem Kopf. Van hat mich mal gefragt, ob ich kürzlich interessante neue Musik gehört habe. Ja, habe ich geantwortet, in meinem Kopf. Er hat wahrscheinlich gedacht, dass ich scherze, aber das war kein Scherz.
Was für Klänge hören Sie denn in Ihrem Kopf?
Alte Sachen, aus denen dann neue Sachen werden. Es ist ein Spiel, das ich mit mir selbst spiele – wie ein Puzzle, das ich Stück für Stück zusammen füge. Gerade überlege ich zum Beispiele, welche Weihnachtslieder wir noch bei der kommenden Tour ins Programm nehmen sollten und wie ich sie arrangieren könnte. Deshalb bin ich auch immer recht zufrieden, wenn ich allein bin, weil ich mich wunderbar mit solchen Dingen beschäftigen kann.
Sie haben auf vielen, vielen Alben mitgespielt. Gibt es eines, auf das Sie besonders stolz sind?
From A Whisper To A Scream von Esther Phillips. Da sind einige wirklich besondere Dinge drauf. Ich denke, das dürfte mein Lieblingsalbum sein.
Ihr Weihnachtsalbum The Spirit Of Christmas ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber es dient, wie mir scheint, trotzdem als Vorlage für Ihre jetzt anstehende Weihnachtstour. Wie ist das Album damals entstanden?
Dass ich gerne mal ein Weihnachtsalbum machen würde, hatte ich schon längst zu meiner Frau gesagt. Dann klingelte mal mitten in der Nacht das Telefon. Stephan (Anmerkung: Meyner, der Produzent) war dran und sagte: Warum machen wir nicht mal ein Weihnachtsalbum? Ich habe danach die Songs ausgewählt und die Arrangements geschrieben. Wir waren in Köln im Studio, alles fügte sich gut zusammen. Und jetzt freue ich mich sehr auf die Tour.
The Spirit of Christmas Tour 2019
Pee Wee Ellis feat. China Moses und Ian Shaw
05.12. – München, Prinzregentenheater
06.12. – Memmingen, Kaminwerk
07.12. – Berlin, Admiralspalast
09.12. – Darmstadt, Staatstheater
10.12. – Hamburg, Laeiszhalle - großer Saal
11.12. – Dresden, Kulturpalast
12.12. – Düsseldorf, Savoy Theater
13.12. – Siegen, Kulturhaus Lÿz
14.12. – Dortmund, Konzerthaus
15.12. – Ludwigsburg, Scala