Trombone Shorty, Sie haben schon als Kind angefangen, Musik zu machen. Warum haben Sie sich damals ausgerechnet die Posaune ausgesucht?
Mein Bruder spielte bereits Trompete, und niemand braucht zwei Trompeter in einer Familie. Das einzige Instrument bei uns zu Hause, das funktioniert hat und das noch niemand gespielt hat, war die Posaune, also habe ich damit angefangen. Da war ich vier.
Sie kommen aus einer sehr musikalischen Familie, oder?
Mein Großvater war der Sänger Jessie Hill, der den Hit »Ooh-Poo-Pah-Doo« hatte. Mein einer Bruder spielt Trompete, mein anderer Schlagzeug, andere Verwandte spielen in diversen Brass Bands in New Orleans, zum Beispiel in der Rebirth Brass Band oder der Dirty Dozen Brass Band. Unsere Kinder, die nächste Generation, fängt auch gerade an zu spielen.
Ich habe kürzlich Branford Marsalis gefragt, ob seine Herkunft aus New Orleans ihm einen Vorteil verschafft hat, als er mit Jazz anfing. Wie sehen Sie das?
Nun, wir reden immerhin über den Ort, an dem die amerikanische Musik entstanden ist. Dort aufzuwachsen und von solchen Leuten wir der Marsalis-Familie, den Neville Brothers oder Dr. John zu lernen – etwas besseres kann dir kaum passieren.
Es heißt, Sie hätten schon mit sechs Ihre erste Band gehabt.
Ja, stimmt. Mit sechs habe ich eine Brass Band gegründet.
Ziemlich erstaunlich – wie konnte das funktionieren?
Ich habe in allem meinen Bruder imitiert. Ich habe ein paar Kinder aus der Nachbarschaft zusammengetrommelt und ihnen ein paar Stücke beigebracht. Wir wussten nicht so genau, was wir taten, aber irgendwann konnten wir ein wenig traditionellen Jazz spielen.
Anderswo fristet der traditionelle Jazz oft ein trauriges Dasein. Warum ist diese Musik in New Orleans noch so lebendig?
Ein Grund dafür ist, dass man in New Orleans nie vergessen hat, dass Jazz mal Tanzmusik war. Wir wollen einfach eine Party feiern. Kennen Sie den Trompeter Kermit Ruffins? Er spielt traditionelles Zeug, aber seine Konzerte sind immer voll, weil man mit ihm stundenlang feiern kann. In New Orleans versuchen wir, möglichst viel Spaß beim Spielen zu haben, das überträgt sich auch aufs Publikum.
»Um eine klare Vision davon zu haben, wo ich hinwill, muss ich genau verstehen, was vorher kam. Die alten Lieder sind alle Teil meines musikalischen Weges«
Könnten Sie heute noch Jazzklassiker wie »Bourbon Street Parade«, »Didn’t He Ramble« und »Basin Street Blues« spielen?
Wie bitte? Na klar. Mein Bruder, mein Vater, alle haben mir gesagt, dass ich die traditionelle Musik lernen und verstehen muss, bevor ich eigene Musik spielen kann. Weil es wichtig ist zu wissen, wo die Musik herkommt. Um eine klare Vision davon zu haben, wo ich hinwill, muss ich genau verstehen, was vorher kam. Die alten Lieder sind alle Teil meines musikalischen Weges.
Inzwischen spielen Sie keinen traditionellen Jazz mehr, aber ist diese Musik trotzdem Teil ihres aktuellen Sounds?
Ich denke, an meinen Soli hört man, dass ich traditionellen Jazz spielen kann. Ansonsten ist diese Musik nicht wirklich Teil meines Sounds, außer wenn wir manchmal einen traditionellen Song neu interpretieren. Wir spielen »On The Sunny Side Of The Street« zum Beispiel mit einem Rock-Soul-Vibe.
Ich habe letztes Jahr Ihren Auftritt in München gesehen und weiß noch, dass Sie den Song damals mit den Worten angekündigt haben, Louis Armstrong sei ihr »Held«. Was bewundern Sie an ihm?
Er spielte die Trompete so, dass er damit eine breite Palette von Gefühlen ausdrücken und die Menschen sehr direkt erreichen konnte. Wenn ich ihn spielen höre, höre ich Freude und Schmerz, fröhliche und traurige Zeiten. Und er war ein großartiger Entertainer – einer der wenigen Musiker, die als Trompeter, Sänger und Entertainer gleichermaßen erfolgreich waren.
Welche seiner Schaffensperioden gefällt Ihnen besonders?
Ich mag alles, aber am liebsten höre ich mir die Sachen an, die er mit den All-Stars gemacht hat, seinem kleinen Ensemble.
Ich habe gelesen, dass Sie eng befreudet sein sollen mit Cyril Neville und Dr. John. Stimmt das?
Ja, die sind beide wie Onkel für mich. Dr. John kenne ich praktisch seit meiner Geburt, mein Großvater und er waren enge Freude. Er war schon bei uns zu Hause, als ich noch nicht mal geboren war. Ähnlich mit Cyril. Sein Sohn und ich sind wie Brüder und ich habe ein paar Jahre lang so viel Zeit bei ihm verbracht, dass ich praktisch dort gewohnt habe.
In Ihrer Musik hört man den Einfluss der Meters und ihres Siebziger-Funk.
Zum Glück spielen die Meters immer noch. Ich musste mir also nicht ihre alten Platten anhören, um ihre Musik zu lernen. Ihre Musik ist immer noch frisch und neu. Für mich und andere junge Musiker ist es großartig, dass Innovatoren wie die Meters, die Neville Brothers und Allen Toussaint immer noch aktiv sind.
Der Mensch, der Ihre Karriere am meisten gefördert hat, ist aber wahrscheinlich Lenny Kravitz, oder?
Nein, das ist mein Bruder James Andrews. Er ist ein bekannter Trompeter in New Orleans, und seit ich sieben war, hat er mich mit auf Tour genommen, sogar bis nach Europa. Diese Erfahrungen waren unglaublich wichtig für mich, und sie waren auch die Voraussetzung dafür, dass jemand wie Lenny Kravitz mich bemerkt und in seine Band aufgenommen hat.
Ich kenne nur wenige andere Bands, in denen der Posaunist der Star ist. Wie schaffen Sie es, dass das bei Ihnen funktioniert?
Früher wollte ich wie Michael Jackson sein, aber der hat nicht Posaune gespielt, also musste ich einen Weg finden, wie ich die Posaune mit meinen Aufgaben als Frontmann zusammenbringe. Wenn ich nur dort oben stehen und einen Song nach dem anderen spielen würde, wäre das nicht so interessant. Aber ich singe und tanze auch, unterhalte die Leute, präsentiere unsere Musik. Die meisten Leute sind sehr überrascht, wenn sie uns sehen, weil sie noch nie solche Musik gehört haben. Ich weiß nicht, ob wir schon die perfekte Mischung gefunden haben, aber wir arbeiten daran.
Posaune ist ein ziemlich schwieriges Instrument, oder?
Schwierig und anstrengend. Für jedes Blasinstrument musst Du richtig fit sein. Außerdem singe und tanze ich noch, springe herum – ich stecke eine Menge Energie in unsere Auftritte.
Der Rapper Fifth Ward Weebie hat einen Gastauftritt auf Ihrer neuen Platte For True. Wie kam es dazu?
New Orleans hat eine große Rapszene, mit Leuten wie Master P., Juvenile, Mystikal, Lil Wayne. Ich habe mit vielen dieser Rapper gearbeitet und mir immer viel Rap angehört. HipHop ist heute ziemlich dominant in der Musikszene und ich fühle mich als Teil davon. Diese Szene mitzuerleben, hat mich genauso beinflusst wie die andere, ältere Musik aus New Orleans.
Um nochmal auf Ihr Konzert in München zurückzukommen: Am Ende passierte etwas ziemlich unglaubliches, nämlich dass alle Mitglieder Ihrer Band die Instrumente tauschten. Sie selbst saßen plötzlich am Schlagzeug. Wie kann so etwas funktionieren?
Ich spiele ziemlich viele Instrumente, und auch meine Bandmitglieder haben alle ein zweites Instrument, dass sie lernen oder schon ziemlich gut beherrschen. Eines Tages habe ich mich nach einem Konzert bei der Zugabe ans Schlagzeug gesetzt, was ich schon häufiger gemacht hatte, und auf einmal haben auch alle anderen die Instrumente getauscht – das war wie im Film. Ich dachte: Oh, oh, wenn das mal gut geht. Aber dann haben wir angefangen zu spielen und es funktionierte. Es war eine dieser seltsamen Sachen, die einfach passieren, ohne dass es jemand geplant hat.