Die wichtigste Frage der Welt
Was soll ich bloß anziehen? Heute ist Freitag der 13. Mai 2011. Es sind zwei Monate und zwei Tage vergangen, seit ein Erdbeben und ein anschließender Tsunami mir gezeigt haben, dass die Frage nach dem passenden Kleidungsstück nicht zu den wichtigsten der Welt gehört. Heute ist Freitag, der 13. Mai 2011, heute findet das erste offizielle Emogirl-Event statt, und ich kann mich nicht entscheiden, welches Kleid ich anziehen soll. Ich schließe dich in meine Arme, du verloren geglaubtes Stück Normalität, denn du bist zu mir zurückgekehrt.
Aus den Power Generation Girls...
Können Sie sich noch erinnern, dass ich mich knapp zwei Wochen nach dem Beben mit meinen Freundinnen getroffen habe? Ich beschrieb es als Treffen der "Power Generation Girls". Klingelt’s jetzt? Jedenfalls haben wir uns damals entschlossen, etwas zu tun, unsere Kompetenzen zu bündeln, um unseren Landsleuten zu helfen. Es war die Geburtsstunde der "Emogirl"-Initiative. Inzwischen haben wir eine Website, eine Facebook-Page und einen Workflow.
...wurden Emogirl
Wir, das ist ein ganzer Haufen Redakteure, offline wie online, Designer, Illustratoren, Filmemacher und Projektmanager. Insgesamt sind wir momentan zehn Frauen, alle in ihren 20ern und 30ern, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, zehn Frauen, und unsere Zahl steigt. Hinter Emogirl steckt weniger ein stringentes Konzept, vielmehr ist es ein Art Label für alles, was wir in die Wege leiten. Nur unser Motto vereint uns, es lautet "Emotionen freisetzen und Energie gewinnen für eine bessere Zukunft". Inhaltlich sind wir für alles offen. Ein Mitglied schlägt ein Projekt vor, und wer etwas dazu beitragen kann, bringt sich ein. Wir dachten, eine offene und liberale Form der Beteiligung ist für alle am besten und sorgt auch für eine langfristige Motiviation.
Chat in Group-Messaging-Applikationen
Unsere technischen Organisationstools sind natürlich auf dem neuesten Stand, ganz Werbe- und Kreativbranche. Wir chatten regelmäßig über Beluga, einer Group-Messaging-Applikation für das iPhone. Ideen aus diesen Brainstorming-Sessions werden auf einer Google-Site protokolliert. Dann schreibt eine von uns ein offizielles Statement, eine weitere poliert jedes einzelne Wort so lange, bis die Sätze funkeln. So entstehen Einträge auf unserer Website und Updates der Facebook-Page, englische Übersetzungen und illustrierte Logos. Und vom Brainstorming bis zur finalen Pressemitteilung sind alle auf die eine oder andere Weise involviert. Durch Emogirl habe ich viel gelernt über die neuesten digitalen Dienstleistungen und Office-Anwendungen. Simply Amazing!
Waaaaay too sexy
Unser erstes Projekt: eine Ausstellung zu wohltätigen Zwecken. Das zweite, ein kostenloser "Dankeschön"- Screensaver, war Sachikos Idee. Sie sagt: "Als japanische Bürgerin sehe ich es geradezu als Pflicht, meinen Dank an alle Menschen im Ausland zu richten, die uns in letzter Zeit unterstützt haben". Projekt Nummer Drei ist die eingangs erwähnte Emogirl-Veranstaltung in einer Bar im Tokioter Viertel Roppongi. Jedes Emogirl hat ihre Freunde eingeladen, sie alle werden auftauchen, und mit dem Barbesitzer haben wir ausgemacht, dass 20 Prozent der abendlichen Einnahmen gespendet werden. "Mädels, heute Abend putzen wir uns raus, wie schon lange nicht mehr, waaaay too sexy!", und dann kicherten wir wie Schulmädchen.
Der Mensch und nichts als der Mensch
Der Grund für die Party ist einerseits, dass wir unser Netzwerk pflegen und erweitern möchten. Aber wir wissen gleichzeitig auch von so vielen Menschen, die nach den vergangenen Wochen das Bedürfnis haben, mit anderen über ihre Erfahrungen zu reden. Wir alle wollen das, nur so können wir unsere neue Lebenssituation erfassen und eine Antwort auf die Frage finden, was wir in der Zukunft anders machen müssen. Twitter und Facebook sind sicherlich hilfreich, um Kontakte anzubahnen, aber ich weiß, dass sie ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht niemals ersetzen können. Im Endeffekt ist es doch wieder nur der Mensch und nichts als der Mensch, der den Weg in die Zukunft bestimmt, und nicht etwa die Technik.
Duch den (ein bisschen radioaktiv verseuchten?) Regen laufe ich in meinem liebsten Kleid durch Rapongi und frage mich, ob Arina – wie versprochen – in ihrem Bunny-Kostüm auftaucht.