»Sich 1053 Kilometer südlich von Fukushima aufzuhalten, macht ganz schön was aus«

Yuko fährt in den Süden Japans und kauft mit Begeisterung eine garantiert unverstrahlte Gurke. Und fragt sich, ob sie eigentlich hysterischer ist als ihre Landsleute.


Südlich der Katastrophe

Ein paar meiner Kollegen und ich sind für einen Geschäftstermin nach Fukuoka geflogen. Die Stadt liegt weit im Süden, auf der Insel Kyushu. Es war alles in allem erst meine zweite Reise nach Fukuoka. Das erste mal war ich mit Yudai dort, am 17. März, im Rahmen unseres kleinen Evakuierungsurlaubs. Wir waren damals total aufgekratzt, durch den Tsumani und so einen hysterischen Sachbuch-Autor. Das war kurz nach einer weiteren Explosion in Fukushima.

Ob es im Krieg ähnlich war?
Sich nun 1053 Kilometer südlich von eben jenem Fukushima aufzuhalten, macht ganz schön was aus. In Fukuoka ist es sehr entspannt. Und trotzdem finden sich auch hier kleine und größere Poster mit Segenswünschen für die Opfer der Katastrophe sowie Spendenkästen in Taxis, Geschäften, nahezu überall. Man kann der Katastrophe in ganz Japan nicht entkommen. Ich frage mich, ob es ähnlich war, als Japan sich im Krieg befand.  

Radioaktiv verstrahltes Grünzeug

Als wir an einem Wochenmarkt vorbeigingen, habe ich sofort nach einem bestimmten Gemüse Ausschau gehalten: nach Schlangengurken. Mein Kollege Miyaoka fand das etwas sonderbar. Er sagte: "Ichimura, du fliegst den weiten Weg hinunter nach Fukuoka, und alles, was du dir hier kaufst, ist eine Gurke?" Ich antwortete ihm: "Ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut, bedenkenlos Gemüse einkaufen zu können. Denn hier unten muss ich mir keine Gedanken machen, ob das Grünzeug radioaktiv verstrahlt ist oder nicht." Daraufhin Miyaoka san: "Häh? Äh, ja, das ist schon ganz cool so, dann also immer weiter." Ich weiß: Er hat es nicht verstanden.

Ich bin nicht allein
Das könnte daran liegen, dass Miyaoka eher selten auswärts isst, weil seine Frau immer für ihn kocht. Ich dagegen gehe sehr oft und sehr gerne in Tokioter Restaurants und Cafés. Ich denke, dass ich eigentlich nicht zur Hysterie neige, wenn es um Nahrungsmittel geht. Wenn ich aber die Gelegenheit bekomme, mir die Nahrungsmittel nach ihrer Herkunft auzusuchen, wird meine Entscheidung dennoch von einer unterschwelligen Unsicherheit beeinflusst. Oder bin ich etwa doch nervöser als die anderen? Auf dem Weg zurück nach Tokio sprang mir auf Twitter eine Nachricht meines Kumpels Ayu ins Auge. Er schrieb: "Ich möchte wieder einmal frischen, süßen und sicheren Spargel essen." Gut zu wissen, dass ich nicht allein bin.