Herzschmerz-Konstellation
In den drei Monaten nach dem Beben ist eine beachtliche Zahl von Paaren enger zusammengerückt. Oder hat sich getrennt. Welches Liebesdrama uns jetzt auch zu Ohren kommt, es mag uns nicht mehr wirklich überraschen. Jede Herzschmerz-Konstellation wird inzwischen wissend von uns abgenickt. "Aha", sagen wir, und: "Sorge dich nicht. Auch wenn es dir jetzt vielleicht so vorkommen mag, aber: Du bist nicht allein."
Für Statistikfreunde
Unter meinen Freunden sieht die Herzschmerz-Statistik aus wie folgt:
Paare, die sich zur Heirat entschlossen haben: 2
Paare, die zusammen gezogen sind: 2
Paare, die einst getrennt waren und nun einander wieder gefunden haben: 2
Paare, deren Beziehung erkaltet ist: 3
Paare, die sich getrennt haben: 2
Das krasseste Beispiel ist das eines unverheirateten Paares. Seit mehr als einem Jahrzehnt waren sie zusammen. Doch direkt nach dem Erdbeben – oder 3/11, wie es manche von uns nennen – war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Ganze zehn Tage später bekam sie von ihm eine SMS. Er sei in das Haus seiner Eltern geflohen, überwältigt von Furcht. Er ist inzwischen zu ihr zurückgekehrt. Mit den Worten: "Alles was ich jetzt will, ist dich ganz doll festhalten." Autsch. Sie sagt dagegen: "Ich könnte ihn jederzeit guten Gewissens verlassen. Denn ich habe begriffen, was für ein armseliges Würstchen er doch ist."
Gefühle wie umherirrende Tauben
Ich beginne zu verstehen. Besonders empfindliche Menschen ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück. Sie gehen auf in der Sorge um ihr zukünftiges Leben oder auch nur die Karriere. Ihre Partner wünschen sich währenddessen ein bisschen mehr Offenheit und Unterstützung.
Ich habe diese eine Vorstellung. Es ist ein Bild von umherirrenden Gefühlen. Sie fliegen über Tokio wie kleine Schwärme von Brieftauben. Diese Taubenschwärme betrachtend, wünschen sich manche Menschen (leise seufzend) einen Partner an ihrer Seite. Und die Sehnsucht war niemals stärker als jetzt.
Hardliner vs. Nachsichtige
Zu den Gefühlsverwirrungen haben sich zwei gegensätzliche Meinungen herauskristallisiert. Die Hardliner: "Es mag grausam klingen, aber eine kritische Zeit ist der perfekte Lackmustest für eine Partnerschaft. Wenn es jetzt nicht klappt, ist es nicht die wahre Liebe." Dagegen die Nachsichtigen: "Wer ist denn schon ganz bei sich in verrückten Zeiten wie diesen? Man sollte sich nicht zu viele Gedanken machen, wenn der Partner ein bisschen durch den Wind ist." Welche Theorie ist nun richtig? Ich weiß es nicht. Ich persönlich denke, es ist gar nicht wichtig, ob es sich nun um wahre Liebe handelt oder nicht. In solch beschissenen Zeiten sollten wir uns alle darum bemühen, ein bisschen netter zueinander zu sein. Mehr nicht.