»Jedermann ist zum Stromsparen verpflichtet«

Seit der Atomkatastrophe in Fukushima ist der Strom knapp, heißt es. Auch Yuko will Strom sparen, fragt sich aber, wie das in einer Metropole wie Tokio überhaupt gehen soll.


Setsuden für alle

Dieser Sommer ist heißer als sonst. 33 Grad sind es in Tokio: Hochsommer! Aber nicht nur der Hitze kann nicht entronnen werden. Auch das Wort Setsuden verfolgt uns alle auf Schritt und Tritt. Setsuden heißt so viel wie „Strom sparen!“ TEPCO behauptet: „Seit die Meiler in Fukushima nicht mehr arbeiten, ist der Strom knapp im Großraum Tokio.“ Deswegen auch das ganze Gerede um Setsuden. Setsuden für private Haushalte. Setsuden für Firmen. Jedermann ist zu Setsuden verpflichtet.

Wenn alles nichts hilft, muss ein Lift dran glauben

In einem recht warmen Konferenzraum, in der eine recht schwache Klimaanlage für recht wenig Kühlung sorgt, wurde mein Kollege Kusumoto von einem unserer Kunden gefragt, wie die Post-Production-Abteilung unserer Firma überhaupt mit diesem Setsuden-Sommer umgehen könne: „Wie schafft man es in ihren Business überhaupt, Strom zu sparen?“ Post Production, also die Nachbereitung von Filmmaterial, besteht bei uns vor allem aus Filmschnitt. Heutzutage wird Filmschnitt fast ausschließlich an Computern gemacht. Und wenn Strom gespart werden muss, kann nichts geschnitten werden. Kusumoto antwortete: „Wir fahren die Klimaanlagen auf Null und reduzieren die Beleuchtung auf ein Minimum. Und wenn alles nichts hilft, muss halt ein Lift dran glauben.“

Kein Fenster lässt sich nach außen öffnen
Ein Großteil meiner Gespräche über das große Stromsparen fanden in unserem Büro statt. Unser Büro liegt im 12. Stockwerk eines riesigen Gebäudes, in dem sich kein einziges Fenster nach außen öffnen lässt. Das Gebäude wiederum befindet sich in einem luxuriösen Einkaufsviertel. Von meinem Arbeitsplatz aus kann ich die Straßenbeleuchtung und die vielen animierten Reklametafeln von Ginza sehen. Auch der Aufzug arbeitet routinemäßig. Ich bemerke, dass sowohl mein Arbeitsleben als auch mein Alltag ohne Elektrizität in keiner Weise stattfinden würde.

Coole Tipps und heiße Widersprüche
Später sehe ich in der Tokioter U-Bahn-Station die Stromverbrauchs-Vorhersage von TEPCO. Sie zeigt an, wie viel Prozent der uns stündlich zur Verfügung stehenden Elektrizität verbraucht werden wird. Die Anzeige ist – natürlich – elektrisch. Daraufhin erblicke ich folgende, in großen Lettern geschriebene Schlagzeile an einem Nachrichtenstand: „Selbst bei 100 Prozent Stromverbrauch KEINE Stromausfälle“. In einem ziemlich aggressiven Tonfall erklärt das Boulevardblatt, TEPCO habe genug Strom, und die ganze Setsudon-Bewegung sei der Versuch des Energieriesen, das Land zu erpressen. Zwei Seiten weiter hinten kann man dann lesen: „Wie sie dem Setsudo-Sommer cool begegnen. Die besten Tipps und Tricks für einen kühlen Kopf.“ Es sind wirklich Tage voller heißer Widersprüche.