Die meisten von uns haben jeden Tag mit einem Computer zu tun, sei es im Büro, in der Werkstatt, am Bankschalter oder zuhause. Und fast immer bewegen wir dann eine Maus über einen virtuellen Schreibtisch, öffnen Ordner, schieben irgendetwas herum, legen anderes ab. Komisch eigentlich: Dieser Kasten, in dem sich ein künstlicher Schreibtisch befindet, steht meistens: auf einem Schreibtisch.
Aber warum überhaupt ein virtueller Schreibtisch? Warum nicht, nur als Beispiel, eine symbolische Hotelrezeption, an der man bemüht wäre, dem Nutzer jeden Wunsch zu erfüllen? Oder das gepixelte Zuhause von Merlin, dem Magier, der alles herbeizaubern würde, was man so braucht? Als die Computerisierung der Welt gerade richtig Fahrt aufnahm, vor, 40 Jahren, merkten die Entwickler, dass die Handhabung der neuen Geräte den meisten Menschen fremd war - der Umgang mit einem Schreibtisch dagegen vertraut und alltäglich. Deshalb mussten sie ein Bedienkonzept finden, das Computerneulinge – also nahezu alle, die sich vor so einen Kasten setzten – möglichst intuitiv erfassen konnten.
Aber bis heute bleibt die Frage: Hilft ein Schreibtisch am Bildschirm, das Chaos der Welt zu bändigen? Ist es nicht eher so, dass die Menschen sich damit einer gigantischen Illusion hingeben? Sie meinen, dass der Computer ihnen dabei zur Hand geht, Dinge zu ordnen. Wie mit dem Lineal gezogen stehen Texte und Zahlen vor uns am Bildschirm. Kein Handschriftgekrakel, keine geologischen Papierschichtungen wie auf einem Schreibtisch alter Schule. Inzwischen ist die Technik aber so weit fortgeschritten, dass sie erlaubt, die alte Unordnung weit zu übertreffen. Mit dem Internet hat der Mensch sich noch eine neue Dimension des Durcheinanders erschlossen. Aber wird der virtuelle Schreibtisch Bestand haben? Oder kommen irgendwann ganz andere Formen der Computerbedienung auf uns zu?
In seinem Essay für das SZ-Magazin beschreibt Peter Glaser, wie die großen Computerfirmen das Rennen um die besten Benutzeroberfläche unter sich ausmachten. Wie der Mensch überhaupt auf die Idee kam, seine Arbeit an einem Schreibtisch zu verrichten, noch bevor der elektronisch kopiert wurde. Und wie der Erfinder Douglas Engelbart darauf kam, dass etwas namens »Maus« das ideale Werkzeug ist, um am Computer zu arbeiten.
Illustration: Bene Rohlmann