Neulich wankte mir im Morgengrauen in der Küche ein übernächtigtes, mir fremdes Mädchen in Unterwäsche entgegen. "Hi", grüßte sie müde und war schon auf dem Weg nach oben, zu den Kinderzimmern meiner drei pubertierenden Söhne. Zu wem wohl? Sollte ich mich jetzt aufregen? Wozu? Nach der Verhütungsmethode fragen? Schon eher.
Denken Sie, Sie müssen Ihre Kinder spätestens jetzt noch mal genauer aufklären? Sie sind mit Garantie zu spät dran. Man wird demütig und lernt, dass sich 15-Jährige im Internet detailliert über Analverkehr informieren und 14-Jährige alles über Oralsex wissen. Kommen Sie Ihren Kindern bloß nicht mit Ihren ollen Kamellen, wie es früher mit Verhütungs-Schaumzäpfchen und Stefan im Wäldchen hinter der Schule war. Denn: Eltern waren nie jung! Und: Eltern haben keinen Sex! Das ist widerlich und voll peinlich! Eltern haben den Laden am Laufen zu halten, nerven mit Hygienevorschlägen und sind grundsätzlich an allem schuld.
Mich schockt als Mutter nichts mehr so leicht.
Oder doch: Als mein Sohn mit zwölf Jahren auf einem „Kindergeburtstag“ eingeladen war und ich erfuhr, dass man sich gemeinsam den Film American Beauty anschauen würde. Da dachte ich, in meiner Jugend war’s in dem Alter noch Black Beauty. Und während mein Sohn mit unschuldigen zwölf in American Beauty Kevin Spacey beim morgendlichen Onanieren unter der Dusche und abendlichen Kiffen zuschaute, machte ich mir ernsthaft Sorgen um sein Seelenheil. Würstchenschnappen wär mir lieber gewesen.
Auch wenn Sie es jetzt nicht verstehen, ich finde die Pubertät meiner Kinder nicht belastend, sondern süß. Wenn ihre Füße groß wie Flossen werden, wenn Mädchen den Lidschatten und Jungs das Rasierwasser überdosieren. Das erste Schamhaar, der erste feuchte Traum, das erste Mal verliebt, der erste Kondomkauf, alles neu und voller Versprechen.
Das Mädchen im Slip war übrigens Isa und – wie mein Sohn beteuerte – am Abend vorher auf dem Sofa eingeschlafen. In Unterwäsche. Schon klar.