»Nichts Neues. Es ist herrlich. Heute putze ich die Wohnung«

Yuko trotzt dem Informationsüberfluss. Sie ignoriert die Nachrichten, überhört das aufgeregte Gezwitscher auf Twitter. Stattdessen macht sie den Haushalt, putzt und kocht Suppe.  

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24. März  

Nichts Neues

19:00 Uhr. Es ist ruhig, gibt nichts zu berichten. Nichts Neues darüber, ob sich die Lage in Fukushima nun beruhigt hat oder nicht, die Krise ausgestanden ist oder die Gefahr akut bleibt, nichts Neues darüber, wie wahrscheinlich es nun ist, dass bald nur noch verstrahltes Leitungswasser aus Tokio Wasserhähnen tropft. Kein Wort von Yudai zum Thema Umzug, Trennung, Landwirtschaft, nichts Neues, nichts. Es ist herrlich. Heute putze ich die Wohnung, ich zünde ein Räucherstäbchen an und nehme mir Zeit zu kochen.

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Räucherstäbchen und Suppe
Die Wohnung ist erfüllt von einem wunderbaren Geruch, es ist würziger Blumenduft, der aus dem glimmenden Stäbchen qualmt, er vermischt sich mit dem der Suppe. Er ist belebend und besser als alles, was ich in den letzten Wochen und Monaten gerochen habe. Es mag daran liegen, dass ich seit dem Erdbeben den Haushalt total vernachlässigt habe. Wer fast schon obsessiv den Schrecken in den Fernsehnachrichten und auf Twitter verfolgt, macht sich keinen Kopf um Staubsaugen, nimmt keinen Lappen in die Hand, um das Bad zu putzen, freut sich nicht darüber, wie die ganze Wohnung vom Duft frisch zubereiteter Suppe erfüllt wird.

Die Angst und ihre Artverwandten
Im Radio läuft wunderschöne Musik. Ich glaube, sämtliche Lieder haben gerade nur einen Zweck: mit einer positiven Botschaft die Leute zu entspannen und gleichzeitig aufzubauen. Auch ich nehme mir stets vor, mich über die jetzige Situation nicht mehr zu sorgen als notwendig. Es ist wichtig, dem Informationsüberfluss für eine gewisse Zeit komplett Einhalt zu gebieten. Sonst kochen all die negativen Dinge – die Angst und ihre Artverwandten – in einem hoch wie Suppe. Wer einmal richtige Angst gerochen hat, wird jedoch den Duft von aufkochender Suppe vorziehen.

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