Cordt Schnibben & Irmela Hannover

»Intoleranz, Bevormundung, Rassismus, Unterdrückung – da hat sich wenig verändert. Krieg allerdings halte ich in bestimmten Situationen für unumgänglich«

Bild 1: Die Kinder der Blumenkinder: Janine Joé Hannover und Hannes Casper, der Sohn von Cordt Schnibben.
Bild 2: Wie reaktionär der Zeitgeist noch 1965 war, zeigt der Zeitungsausschnitt aus der »FAZ«, hinter dem sich Cordt Schnibben (li.) und Irmela Hannover (re.) verstecken.

SZ-Magazin: Frau Hannover, was haben die Achtundsechziger gesellschaftlich erreicht?
Am erfolgreichsten waren wir in der Erziehung; wir sehen Kinder heute als kleine Menschen mit eigener Würde und eigenen Rechten. Und die Rolle der Frau hat sich komplett verändert. Inzwischen ist eine CDU-Ministerin sozusagen die Speerspitze der Frauenbewegung – das ist schon sehr erstaunlich.

Woran glauben Sie heute nicht mehr?
»Wir können alles ohne Männer« – davon war zumindest ich wirklich überzeugt. Mein erstes Kind habe ich in Brasilien bekommen und in Deutschland erst einmal allein erzogen. Ich dachte: Beruf und Kind – das schaffe ich, dazu brauche ich keinen Mann. Das war für mich und meine Tochter manchmal ganz schön anstrengend. Haben Sie eigentlich noch etwas von damals im Schrank?
Lauter Buttons: mit Che Guevara, dem Peace-Zeichen, der Friedenstaube…
Und im Buchregal?
Selbst verfasste Flugblätter, Ausgaben der Roten Schülerpresse, unserer Schülerzeitung in Bremen, und natürlich Der kleine Unterschied und seine großen Folgen von Alice Schwarzer.

Der schlaueste Satz von damals?
»Das Private ist politisch«! Der gilt heute wie damals.

Meistgelesen diese Woche:

Und welchen Satz hätten Sie sich 1968 nicht zu sagen getraut?
Ich liebe Kavaliere!

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Cordt Schnibben über verlorene Ideale)

SZ-Magazin: Herr Schnibben, an welche Ziele von 1968 glauben Sie heute nicht mehr?
Oh, an so viele nicht! Den Sozialismus, die befreiende Wirkung von Sexualität. Die Idee war damals: Sex gleich Freiheit. Ficken, um das Land zu befreien.

Was nervt Sie heute wie damals?
Intoleranz, Bevormundung, Rassismus, Unterdrückung – da hat sich wenig verändert. Krieg allerdings halte ich in bestimmten Situationen für unumgänglich.

Welche Ziele sollten noch erreicht werden?
All das, was eigentlich jede Partei heute im Angebot hat: mehr Freiheit, bessere Bildung, weniger Armut, mehr soziale Gerechtigkeit. Ach, und noch ein wichtiges Ziel: Demokratie nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren!

Erinnern Sie sich noch an eine optische Sünde?
Wir waren alle ein optisches Vergehen! Ich besaß zum Beispiel so eine kurze Pilotenjacke. Alles, was wir anhatten, hatte ja einen Armee-Touch. Dazu trug ich dann Hosen mit Schlag.

Der schlaueste Satz von damals?
»Verwandelt euren Hass in Energie« – ein gutes Lebensmotto, das mich immer an-getrieben hat.

Welche Ihrer Eigenschaften passt nicht zu 1968?
Mein Familiensinn. Familie fand ich damals grauenvoll und einengend. Das hat sich völlig geändert.

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