So sehr Barack Obama für seinen Humor und seine Lässigkeit verehrt wird, so sehr verspotteten ihn die Menschen bisher für seine Freizeitkleidung.
Der ehemalige US-Präsident hat nämlich ein besonderes Faible für die uramerikanische »Dad Jeans«. Diese sehr weiten und sehr hoch geschnittenen Bootcut-Hosen mit hellen Waschungen kombinierte er in der Vergangenheit auch gerne mal zu Männersandalen oder viel zu großen College-Jacken. Auf den Rängen neben eines Highschool-Football-Spiels im Mittleren Westen wäre er so gar nicht aufgefallen, vor den Türen einer Secret Service-Limousine leider schon.
Die Entsetzensschreie über die Freizeitmode des damals noch amtierenden Präsidenten waren so groß, dass Obama sich 2009 fast beleidigt rechtfertigte: »Ich bin ein bisschen altbacken. Diese Jeans sind gemütlich. An diejenigen unter euch, die wollen, dass ihr Präsident großartig aussieht in seinen engen Jeans: Tut mir leid, da bin ich der Falsche.« Und Michelle Obama bestätigte, dass ihr Mann noch nie besonders gut in Modedingen war.
Umso mehr überraschte diese Woche ein Foto, das den Ex-Präsidenten in einem perfekt aufeinander abgestimmten, eleganten Alltagslook zeigt: Während eines Besuchs der National Gallery of Art in Washington trägt Obama eine schmal geschnittene Lederjacke über einem grauen Hemd und dazu eine dunkel gewaschene Jeans, die – man mag es kaum glauben – weder zu weit noch zu hoch sitzt. Hat er etwa seine Stylisten aus dem weißen Haus mitgenommen?
Und trotzdem wirkt das Bild seltsam: Irgendwie bringt es einen durcheinander, wenn man den Ex-Präsidenten in diesem Freizeitoutfit sieht. Es ist als würde man den Chef regelmäßig bei seinen Samstagseinkäufen im Supermarkt im Jogging-Anzug antreffen und gerade, wenn man sich an diesen verstörenden Anblick gewöhnt hatte, taucht er auf einmal im Maßanzug bei Rewe auf. Wir wissen oft so wenig über die Menschen, die unser Land, unsere Behörden oder unsere Büros in der immer gleichen Alltagsuniform leiten, dass wir unsere Vorstellung von ihnen an den wenigen privaten Momenten festmachen, in denen wir sie erwischen.
Genau deshalb irritiert es einen, wenn man Angela Merkel dann plötzlich mit tief ausgeschnittenen Opernkleidern sieht. Kannten wir sie doch davor nur in kastigen Hosenanzügen und praktischen Wanderoutfits. Obamas »Dad Jeans«, Putins nackter Oberkörper, Merkels Ausschnitte – diese Looks formen unsere Vorstellung von den mächtigen Menschen dieser Welt, sie lassen uns erahnen, wie die Staatsoberhäupter privat sein könnten.
Ganz sicher hat sich Obama gerade aus diesem Grund für einen Imagewechsel entschieden. Schließlich regiert jetzt ein anderer das Land (mit einem weitaus schlechteren Stilbewusstsein) und Obama kann sich in der Rolle des elegant-entspannten Ex-Präsidenten einrichten, der Zeit für ausgedehnte Shoppingtouren und ein GQ-Abo hat.
Wird auch getragen von: George Clooney, Nicolas Sarkozy, David Cameron
Das denkt Barack: Wenn ich zuhause bin, kann ich endlich wieder in meine »Dad Jeans« schlüpfen.
Das denkt Michelle: Wir sollten noch auswärts essen gehen, damit ich ihn nicht gleich wieder in seinen »Dad Jeans« sehen muss.
Song: Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans – The Frank Popp Ensemble