»Froh«, »gesund« oder einfach nur »gut« war früher. Mittlerweile wird das neue Jahr großspuriger begangen: »Starting 2020 like...« trötete es einem auf sämtlichen Social Media Kanälen entgegen, garniert mit Flammen-, gestähltem-Bizeps- oder Flamenco-Tänzerin-Emoji. Von allen möglichen Menschen ist also gleich zu Beginn des Jahres Großes zu erwarten, das kann ja heiter werden.
Jennifer Lopez fasste offensichtlich den gleichen Vorsatz: Bei den Sonntagnacht verliehenen Golden Globes erschien die für ihre Rolle in »Hustlers« nominierte Schauspielerin und Sängerin in einer Robe, die quer über Dekolleté und Taille mit zwei bombastischen Schleifen in gold und grün besetzt war. Was auch immer JLo im Sinn hatte – eingeschlagen hat die Verpackung jedenfalls. Die Fülle der Memes mit Geschenkbox- und Weihnachtsschmuck-Vergleichen wird für den Rest der Award-Saison schwer zu toppen sein.
Überhaupt waren das die Golden Globes mit der amtlichsten »Worst Dressed Liste« seit langem. Ein Dutzend Schauspielerinnen entschieden sich für Ärmel, die in einer Nebenrolle gern Windtunnel wären, verstörte Goop-Fans fragen sich noch immer, was ihre heilige Gwyneth Paltrow da bloß für einen unterirdischen Fummel anhatte. So viel »Red Carpet Crime« war lange nicht – und das ist keine schlechte Nachricht, sondern, im Gegenteil, eine hoch erfreuliche.
Zwischenzeitlich hatte man ja schon das Gefühl, der rote Teppich würde sich risikotechnisch auf Riester-Renten-Niveau einpendeln, was hübsch aber auch sterbenslangweilig aussehen kann. Für jede weitere schlichte schulterfreie Robe müssten Schauspielerinnen eigentlich eine Art Ablasszahlung leisten, wie beim Phrasenschwein. Jetzt zeigten immerhin Frauen wie Lucy Boynton in silbernem Lametta, Charlize Theron mit ein bisschen Neon und eben auch Knallbonbon JLo wieder mehr Wagemut. Sie wählten gewissermaßen die Derivate unter den Abendroben, was in jedem Fall aufregender anzusehen ist.
Aber zurück zur Schleife, die ja nicht nur bei JLo einen großen Auftritt hatte, sondern auch am Hintern von Scarlett Johansson, an den Schultern von Michelle Williams, an der Taille von Zoë Kravitz. Verlässlich wird hier immer sofort die Pralinenschachtel-Theorie rausgekramt, wonach das hübsche Präsent nur darauf wartet, ausgepackt zu werden. Aber so schlicht denkt spätestens nach MeToo kein Hollywood-Stylist mehr.
Das Gebinde hat durch sämtliche Epochen hinweg eine ziemliche Karriere in der Mode hingelegt. Yves Saint Laurents »Bow Dress« von 1983 mit riesiger, pinkfarbener Schleife im Rücken gehört zu den ikonischen Entwürfen des Hauses, bis heute wird sie dort immer wieder neu gebunden. Bei Christian Lacroix fielen sie stets eine Nummer kleiner und mit langen Bändern aus, und kehren nun bei der gemeinsamen Kollektion für Dries van Noten zurück. Vor einigen Jahren machte Kate Middleton die sogenannte Fergie-Samtschleifen im Haar wieder populär. Das südkoreanische Label Maison Kimhekin setzte gerade so große Schleifen auf Schuhe, dass man damit nebenbei jeden Tanzboden wienern könnte. Was also ist dran am »Bow-Effekt«?
Auch wenn Männer Fliege oder bisweilen Schluppe tragen – Schleifen sind vor allem feminin, geradezu mädchenhaft, und genau damit spielen Frauen immer wieder: Sie tragen Tuxedo, aber mit Schleife an der Bluse, zerrissene Jeans mit adrett gebundenen Schleifen-Pumps, AC/DC T-Shirt mit kitschigen goldenen Bow-Ohrringen, sexy Blick mit braver Geschenkverpackung. Alles möglichst ambivalent und facettenreich. Nur weil da eine Schleife ist, muss noch lange nicht daran gezogen werden. Wahrscheinlich würden viele Frauen sogar ihren Stinkefinger damit garnieren, wenn das mit einer Hand nicht so kompliziert zu knoten wäre.
Ob dieses Deko-Element dann am Ende auch noch gut aussehen soll, muss jeder mit sich selbst ausmachen. In jedem Fall sorgt so ein großer Propeller – siehe JLo - für ordentlich Wind. Noch besser wäre gewesen, wenn Lopez die jetzt schon legendäre Robe ebenfalls versteigern würde, so wie die Britin Phoebe Waller-Bridge, die ihren (ungleich auffälligen) Glitzer-Hosenanzug zugunsten der Waldbrände in Australien zur Auktion gibt. Nicht nur für Unterhaltung, auch dafür kann Mode gut sein.
Nicht zu verwechseln mit: JLow, Bo Derek, David Bowie
Typischer Instagram-Kommentar: »Starting 2020 like (pinkfarbenes Schleifen-Emoji)«
Passender Song: »Take a bow« (Madonna)