Haben die Streber früher auch gemacht, wenn sie in der Klasse nicht komplett gedisst werden wollten: einfach mal ein paar Fehler in die Matheklausur einbauen, extra unvorbereitet ins Referat gehen. Ähnlich könnte es sich mit der Schauspielerin Jennifer Lawrence verhalten: drei Oscarnominierungen, ein Oscar, zweimal das wichtige September-Cover der US-Vogue innerhalb von vier Jahren, Dior-Aushängeschild seit einer branchenunüblichen Ewigkeit von fünf Jahren und das alles mit 27 Jahren – im Grunde schreit dieses Wunderkind nach ein paar kleinen Macken, um für die Fans nicht in der übermenschlichen Unerträglich- oder Unerreichbarkeit zu verschwinden.
Und sie liefert. Verlässlich. Stolpert auf dem Weg zur Oscar-Bühne, lässt sich betrunken beim – eher ungelenken – Pole Dancing in einem Club filmen, gesteht, ein Hardcore-Kardashian-Fan zu sein und: beweist ein angenehm entspanntes Verhältnis zu ihrer Garderobe und deren gelegentlichen Unzulänglichkeiten. Also immer dann, wenn sie nicht in von Kopf bis Fuß in Dior gesteckt wird.
Da war zum Beispiel dieses Boudoir-Blumendress, das sie in einer Talkshow an der Seite von Johnny Depp trug, das viele Zuschauer hartnäckig für das hielten, was es im Grunde auch war: Unterwäsche. Oder letzte Woche dieser rosafarbene Panne-Samtblazer mit bauchfreier Blumenweste und Spitzentop drunter, flankiert von einem Handtaschengurt in Regenbogenfarben. Gwyneth Paltrow hat man noch nie auch nur halb so unsortiert in der Öffentlichkeit gesehen, was vielleicht einer der Gründe ist, warum die nur halb so sympathisch rüberkommt. Auch klar, mit wem man eher einen trinken gehen würde.
Jüngster wunderlicher Auftritt: der Look für die Jimmy-Kimmel-Show, in der Lawrence vergangene Woche Kim Kardashian interviewte. Da liegt die Latte natürlich hoch, oder tief, je nach Standpunkt, jedenfalls muss man da optisch irgendwie mitziehen. Also wählte die Aushilfsmoderatorin ein schwarzes Stretch-Minikleid mit Netzstrumpfhosen drunter und – ja, was eigentlich drüber?
Statt wie in den Neunzigern üblich, und gerade erst wieder in Mode, ein T-Shirt oder eine Bluse auf Nabelhöhe zu knoten, um darunter den Bauch freizulegen, wurde die Bluse hier bei den Schlüsselbeinen geknotet, was den Bereich darunter zwar nicht freilegt, aber um so mehr betont. Der Blick kann gewissermaßen gar nicht anders, als sich unterhalb dieses lawrenceschen Knotens zu verheddern.
»J-Law« hat seit Beginn ihrer Karriere einen Hang zu entspannten Dekolletés. Gleich bei ihrem ersten Auftritt bei der Oscar-Verleihung 2011 trug sie eine knallrote Calvin-Klein-Robe, dessen obere Partie quasi einem Baywatch-Badeanzug entsprach. Danach war sie einem deutlich breiteren Publikum bekannt als vorher. In dieser Hinsicht ist der Blusen-Look also bemerkenswert konsequent. Selbstgestylt ist er im Übrigen nicht. Das Kleid stammt laut dem amerikanischen Blog Tom + Lorenzo von Alexander Wang. Macht es das besser? Irgendwie nicht. Schon diese wärmenden Kurzstrickjäckchen, die bei Hochzeiten gern züchtig über das Abendkleid gezogen werden, sehen nie wirklich gut aus. Ein »Bolero-Blüschen« ist zwar origineller, aber nur unwesentlich besser.
Oder im Fall der über allen Dingen schwebenden Lawrence eben doch: Im Grunde sieht sie mit ihrer Micro-Bluse schon wieder hinreißend daneben aus. Mit ihr mal einen trinken gehen? Späterer alberner Stangentanz nicht ausgeschlossen? Sofort.
Typischer Instagram-Kommentar: »Liebling, ich habe die Bluse geschrumpft!«
Das sagt die Verkäuferin: Nie wieder kalte Schultern
Nicht zu verwechseln mit: J. Lo. Da sind Blusen weder in micro noch maxi ein Thema.
Foto: Gettyimages / Randy Holmes